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CARITAS: „Arm bleibt arm und reich wird reicher“
Sehr geehrter Herr Caritasdirektor Oliver Merkelbach,
mit großem Interesse verfolge ich seit Jahren die Diskussion um Kinder- bzw. Familienarmut. So stieß ich in der Schwäbischen Zeitung vom 14. Juli auf das Interview mit Ihnen. Sie haben meine volle Zustimmung, dass es sich hier um einen Skandal handelt. Nur leider ist diese Klage nicht neu. Familienverbände mühen sich seit Jahrzehnten darum, diesen Skandal abzustellen, und sie sparen nicht mit Vorschlägen zur Verbesserung der Situation. Doch keine einzige unserer Regierungen nahm und nimmt diese Impulse auf.
Sie betonen zu Recht, dass das Problem im System selbst steckt, und daher auch nur strukturell gelöst werden kann. Der Skandal liegt in der rechtswidrigen Umverteilung von unten nach oben, sprich: Eltern mit kleinem Geldbeutel ( Alleinerziehende, Mehrkinderfamilien…) bleibt prozentual viel weniger zum Leben als gut situierten. Eine Familie mit 2 Kindern gerät bei einem jährlichen Bruttoeinkommen von 35 000.- bereits mit 2 319.- unter ihr Existenzminimum, also einem monatlichen Minus von 193.-€.
Sie kennen sicher die Berechnungen des Deutschen Familienverbands beim
Horizontalen Vergleich:
Hier wird glasklar ersichtlich:
- Je geringer das Jahresbrutto, umso höher der Verlust wegen Familie durch unser Sozialgesetz, weil bei den Sozialabgaben die Familiengröße nicht berücksichtigt wird. So zahlen die Eltern von 5 Kindern, genau wie die mit nur einem Kind, jährlich 7131.- in die Sozialkassen mit der Wirkung, dass kinderarmen und kinderlosen Paaren ein großes PLUS gewährt wird, während Eltern mit jedem weiteren Kind mehr in Armut geraten.
- Je größer die Kinderzahl, umso mehr unterstützen die Eltern den Staatshaushalt ( z.B. durch Verbrauchssteuern), bzw. die kinderlose Bevölkerung.
- Wie kann es sein, dass schwächeren Schultern mehr aufgebürdet wird als stärkeren? Das widerspricht dem Gleichheitsgrundsatz unserer Verfassung. Unser System bestraft diejenigen, die es zu schützen vorgibt.
Ein weiterer Strukturfehler ist das Kindergeld, das sich die Eltern zur Hälfte selbst bezahlen müssen, weil der Fiskus unrechtmäßig das Existenzminimum der Kinder besteuert. Von 38 800 000 000 € Kindergeld im Bundeshaushalt sind 19 500 000 000 € reine Rückerstattung zuviel bezahlter Steuern auf die Existenzminima der Kinder! Das Kindergeld ist also nur halb soviel wert.
Leider, Herr Merkelbach, muss ich feststellen, dass auch die CARITAS sich bisher politisch herzlich wenig um Veränderungen in unserem Sozialsystem bemüht hat. Sie wäre ein ernstzunehmender Fürsprecher, bleibt jedoch stumm. Es gibt sehr viel Engagement im Land gegen Kinderarmut. Doch wird dies nur punktuell Hilfe leisten können, wie Sie richtig sagen. Vielmehr bezieht die Politik dieses Engagement lächelnd mit ein (z.B. Tafelläden) und sieht sich nicht genötigt, strukturelle Maßnahmen zu beschließen. Dies zeigt sich erneut bei dem koalitionären Familien-Entlastungsgesetz 2018. Hierbei beklagen wir, dass die Politik auf den Rat von Experten verzichtet und völlig unzureichende Gesetzesänderungen beschließt, und damit die Kinderarmut weiter verfestigt.
Auch unsere Elterninitiative setzt sich für mehr Familiengerechtigkeit ein und informiert die Nutzer u.a. über den Skandal Kinderarmut. An Sie, Herr Merkelbach, hätten wir die dringende Bitte, dass die Leitung der CARITAS endlich ihre Zurückhaltung aufgibt, wenn es gilt, Kinder-und Familienarmut politisch zu bekämpfen. Es kann nicht sein, dass weitere Jahrzehnte ins Land gehen, ohne dass unser Sozialgesetz endlich vom Kopf auf die Füße kommt. *)
Damit grüße ich Sie zuversichtlich und freundlich
i.A. Bärbel Fischer
Leutkirch, 14. 07. 2018
*) Literaturempfehlung: Dr.Jürgen Borchert ( Sozialrichter a.D.): „Sozialstaatsdämmerung“ Riemannverlag München
Altersarmut kein dringliches Problem?
SOS ! Herr Kapitän, ändern Sie den Kurs!
O F F E N E R B R I E F
Sehr geehrte Frau Illner,
um bei dem Vergleich mit dem in Seenot geratenen Schiff zu Beginn Ihrer gestrigen Sendung zu bleiben, würde jeder verantwortungsvolle Kapitän als erste Maßnahme den Kurs ändern. Davon aber war gestern, wie in allen anderen Talkshows zum Thema Rente kein Wort zu hören. Kursänderung würde bedeuten, dafür zu sorgen, dass die Menschen nicht nur bis 2030, sondern auch noch bis 2060 und 2090 im Alter versorgt werden können, und zwar nicht nur mit Geld sondern auch mit persönlicher Pflege.
Der falsche Kurs, der Geburtsfehler unseres Sozialsystems in den Fünfzigerjahren rächt sich heute nach 60 Jahren bedrohlich, indem junge Menschen auf Nachwuchs verzichten. Logisch! Denn Elternschaft „lohnt sich nicht“ in Deutschland, um es einmal bitter zu sagen. Was an Transfers an Familien gezahlt wird, hat Vater Staat ihnen bereits mehrfach abgeknöpft. Will sagen, die Fehler und Unterlassungen von heute wirken nicht nur morgen, sondern über ganze Generationen.
Kursänderung heißt also, jetzt sofort das Ruder herum reißen und dort reformieren, wo die Wurzel des Übels liegt, nämlich im Sozialgesetz, damit die Leute sich wieder Kinder leisten können. P r o d u k t i v i t ä t, das Zauberwort einer wirtschaftsgläubigen Elite, erreichen Sie auch nur durch ausreichenden Nachwuchs!
Statt dessen ging es gestern sechzig Minuten lang lediglich darum, wie wir am besten unsere eigene Haut retten, was wir in die Rettungsboote mitnehmen und ob diese auch tragfähig sind. Wenn Herr Spahn behauptet, dass die Steuerkasse die Zahlung der Mütterrente nicht hergibt, so packt mich die blanke Wut. Bei schwindendem Nachwuchs müssten die Finanzminister zumindest jenes Geld zur Seite gelegt haben, das sie seit fünfzig Jahren für Ungeborene nicht mehr ausgeben mussten. Man nennt diesen Betrag die „demografische Rendite“. Da wir heute nur noch halb so viele Kinder haben, müssten genügend Rücklagen da sein. Doch diese Vorsorge wurde unterlassen, oder sie verschwand im Nirwana. „Alles ausgeben, was wir einnehmen“ – so heißt seit Jahrzehnten die Devise einer Politik, die verantwortungslos, blind und taub für die Bedürfnisse der künftigen Generationen agiert. Und genau dies prangert Herr Kuntze in seinem Buch an: „Wer sich Kinderkosten erspart, darf nicht erwarten, dass anderer Leute Kinder seine Rente stemmen.“
Wie der Kurswechsel vollzogen werden kann, an welchen Stellschrauben gedreht werden muss, dafür gibt es mehr als ein praktikables Konzept. Man muss bloß die Schublade aufmachen.
Ihre gestrige Sendung, Frau Illner, war wieder einmal ein Paradebeispiel dafür, dass die Medien komplett ausblenden, was den eigentlichen Kern des Problems ausmacht, nämlich die Ungleichbehandlung von Familien gegenüber Nichtfamilien und damit den total logisch verursachten Nachwuchsmangel.
Ich schlage vor, Frau Illner, Sie holen sich für Ihre künftigen Talkrunden einmal einen Experten wie Herrn Dr. Jürgen Borchert, seines Zeichens leitender Sozialrichter in Darmstadt und Autor des sehr erhellenden Buches SOZIALSTAATSDÄMMERUNG.
In dieser Hoffnung grüßt Sie im Auftrag der ELTERNINITIATIVE FÜR FAMILIENGERECHTIGKEIT
Bärbel Fischer
P.S. Dieser Brief wird auf mehreren Seiten im Internet veröffentlicht.
Kein Sozialstaat ohne Zuzug?
Leserbriefe
So wenig die neuen Tapeten den Einsturz aufhalten können, so wenig verhindert der Zuzug von Arbeitskräften den Ruin unseres Sozialsystems. Denn bis heute steckt der Gesetzgeber – aus wahltaktischen Gründen – den Kopf in den Sand und will nicht einsehen, dass allein ein ausreichender Nachwuchs das Sozialsystem am Laufen halten kann. Viel lieber sucht man nach bequemen Ausflüchten, um der nackten Wahrheit nicht ins Gesicht sehen zu müssen. Der Crash lässt nicht mehr lange auf sich warten!
Nachhaltige Bevölkerungspolitik war noch nie die Stärke deutscher Regierungen. Und das rächt sich – jetzt!
A.S.
Aus dem Lot
In der Südwestpresse Ulm äußert sich Martin Hofmann zum Thema Abgabengerechtigkeit und findet, dass unser Sozialsystem nicht mehr im Gleichgewicht ist.
http://www.swp.de/ulm/nachrichten/politik/Nicht-mehr-im-Gleichgewicht;art4306,1346071
Stellschraube Sozialabgaben
Die Schwäbische Zeitung berichtet am 25. Juni 2011 von Volker Kauders Vorschlag, statt Steuern zu senken (FDP) die Sozialabgaben zu reduzieren.
Dass Volker Kauder (CDU) statt Steuererleichterungen (FDP) Entlastungen bei den Sozialabgaben vorsieht, geht zwar in die richtige Richtung, muss aber trotzdem hinterfragt werden. Will man nun generell und linear die Empfänger niedriger Löhne entlasten, oder wird bei einer geplanten Entlastung endlich einmal danach gefragt, wie viele Mäuler vom Elternlohn gestopft werden müssen? Unser Sozialgesetz verlangt ja von allen Arbeitnehmern Abgaben in nahezu gleicher Höhe, ob sie drei Kinder zu versorgen haben oder keines. Das ist im höchsten Maße unsozial, denn jedes Kind kostet seine Eltern bis zu dessen Selbständigkeit mindestens 150 000 Euro. Bei einem Jahresgehalt von 30 000 Euro bleiben dem Single über 11 000 Euro zur freien Verfügung übrig, während der dreifache Familienvater mit einem Minus von mehr als 8 000 Euro bereits unterhalb des Existenzminimums angekommen ist. Die Differenz beläuft sich auf 19 000 Euro jährlich ( Quelle: Deutscher Familienverband 2011 ). Wenn überhaupt, so konnte die Mutter der drei Kinder über Jahre nur in Teilzeit erwerbstätig sein, wird daher am Ende nur eine Minirente zu erwarten haben, während Beschäftigte ohne Unterhaltsverpflichtung in den vollen Genuss ihrer Rente kommen. De facto werden in Deutschland Eltern durch Kindererziehung bestraft. Fazit: Es wäre allerhöchste Zeit, die Sozialabgaben nicht einfach nur zu kürzen, sondern endlich fair, d. h. familiengerecht zu gestalten.
Bärbel Fischer