Sehr geehrter Herr Prälat Tripp,
besten Dank für Ihr Schreiben, auf das ich seit Anfang September warte.
Leider beruhigt mich Ihre Darstellung nicht, wenn Sie schreiben, dass sich die Caritas für die Beibehaltung des Landeserziehungsgeldes (LEG) durch die grün-rote Landesregierung einsetzt. Denn es war niemand anderes als die Caritas, die zu meinem Entsetzen bereits im Juni 2005 von der damaligen Landesregierung gefordert hatte, das LEG abzuschaffen und statt dessen die Gelder in Krippen zu investieren (s. Anhang)
Auch die Forderung der Caritas, a l l e n Eltern von 1 – 3-jährigen Kindern ein Betreuungsgeld von 300 Euro zu zahlen, ändert nichts an der Tatsache, dass es in unserem Land bevorzugte Eltern und benachteiligte Eltern gibt, Eltern, die sich erwünscht verhalten, indem sie beiderseits erwerbstätig sind, und solche, die sich unerwünscht verhalten, weil sie ihre Kinder selber betreuen wollen. Es bleibt nach wie vor eine Differenz von 1200 Euro pro Kind/Monat. Dass die Millionärsgattin in den Genuss von 1200 Euro Krippenzuschuss kommt, erscheint Linken, SPD und Grünen merkwürdigerweise höchst korrekt, ein Betreuungsgeld von 150 Euro für eine erwerbslose Mutter gilt ihnen jedoch als suspekt und daher abzulehnen. Hierüber bricht im reichsten Land Euroas ein widerliches Gezänk aus. Ich sende Ihnen eine Aufstellung, aus der ersichtlich wird, dass Eltern von 3 Kindern um ca. 100 000 Euro betrogen werden, wenn sie ihre Kinder selbst betreuen, im Vergleich zu Eltern von 3 Kindern, die diese in einer Krippe betreuen lassen (s. Anhang)
Von Gerechtigkeit und Gleichbehandlung also keine Spur.
Das Positionspapier, das Sie mir beilegten, kenne ich aus dem Internet. Genau auf dieses Papier bezog sich ja mein Protest und die Rückgabe meiner Ehrennadeln.
Meines Erachtens kann Gerechtigkeit und Gleichbehandlung nur hergestellt werden, wenn dem Staat a l l e Eltern und alle Kinder g l e i c h wert sind. Eltern wollen weder „Förderung“ noch Besserstellung, sondern lediglich Gleichstellung, auch in den Sozialgesetzen. Daher muss es um eine grundsätzliche Korrektur des sog. Generationenvertrags gehen, der bis dato Eltern mit Kindern extrem benachteiligt, weil Familienväter gleich hohe Sozialabgaben zu entrichten haben wie kinderlose Arbeitnehmer (s. Anhang). Dem Gesetzgeber ist es nämlich bis zum heutigen Tage völlig egal, wie viele Mäuler ein Arbeitnehmer zu stopfen hat. Er zahlt gleich viel in die Sozialkasse wie jene, die lediglich ihr eigenes Süppchen kochen.
Inzwischen sind in Deutschland 75% aller Haushalte kinderlos. Würden die Sozialabgaben vom NETTO berechnet statt vom BRUTTO, d. h. die Kinderzahl würde berücksichtigt, so hätten Eltern mit einem Durchschnittseinkommen pro Kind und Monat etwa 250 Euro mehr zur Verfügung. Dann müssten nur noch die Ärmsten gefördert werden, und der Staat würde endlich die Arbeit der Eltern für die kommende Generation gesetzlich anerkennen und wertschätzen. Warum sollen gerade Eltern doppelt bluten: einmal durch die Erziehung und die Lebenskosten der Kinder und zusätzlich noch durch unverminderte Sozialabgaben? Hier sehe ich übrigens die entscheidende Ursache für die deutsche Kinderlosigkeit. Es kommt eben darauf an, ob eine Gesellschaft ihren Nachwuchs als Kostenfaktor betrachtet oder als Investition in die Zukunft. In Frankreich zieht man den Hut vor Eltern, in Deutschland gelten sie als Schmarotzer.
Sehr geehrter Herr Prälat Tripp, verständlicherweise mögen einem kinderlosen Kleriker solche Einwände fremd und kaum nachvollziehbar erscheinen. Für Eltern aber kommt es auf jeden Cent an, vor allem, wenn sie FAMILIE leben wollen, ohne ihre Kinder „out-zu-sourcen .
(…)
Herr Tripp, glauben Sie mir, ich bin keine notorische Nörglerin, wie ich vielleicht auf Sie wirke. Es geht mir nicht darum, zu stänkern. Es geht mir aber darum, dass es Eltern möglich gemacht wird, ihre Familie in ihrem Sinn selbst zu gestalten. Ich sehe es an meinen Kindern, wie schwer sie es haben, sich zu rechtfertigen, wenn sie ihre Kinder selbst betreuen wollen, weil sie dem Lärm, der Kollektivierung, der Reglementierung staatlicher Krippen misstrauen.
Was heute über die familienferne Kindererziehung den Eltern weggenommen wird, ist niemals wieder zurück zu gewinnen. Die Gefahr einer Indoktrinierung nach dem Muster der DDR ist groß. Auch der demokratische Schaden wird erheblich sein, denn Demokratie lebt von Pluralität ( die Gleichschaltung vergangener Systeme bezweckte den hörigen Untertan). Der Schaden an Elternkompetenz wird niemals zu beheben sein, denn Eltern müssen, oft notgedrungen, ihre Verantwortung an der Tür zur Kinderkrippe abgeben.
Werter Herr Tripp, bei meinem Protest ging es mir darum, dass sich die Caritas aktiv in das politische Geschehen einmischt, anstatt abzunicken, was linke Kräfte uns diktieren. Bitte werfen Sie dieses Schreiben nicht einfach in den Papierkorb! Es wird im Laufe der Jahre verfehlter Familienpolitik zu einem Dokument dafür werden, dass die Bevölkerung sich gewehrt hat gegen inhumane und undemokratische Strukturen staatlicher Einmischung in private Angelegenheiten, die dem Artikel 3 GG (Gleichbehandlung) und Artikel 6 GG (Zuständigkeit der Eltern für die Erziehung ihrer Kinder) zuwiderlaufen. Daher bitte ich Sie, in Ihrem Ressort alles zu tun, die Unbarmherzigkeit unserer Sozialordnung im Bereich Familie anzugehen und beenden zu helfen.
In diesem Sinne grüße ich Sie freundlich und dankbar dafür, dass Sie mir doch noch geantwortet haben.
Bärbel Fischer