Das deutsche Schulwesen muss sich emanzipieren

Das Bundesbildungsministerium und die Kultusministerkonferenz KMK startet eine Initiative zur stärkeren Förderung besonders talentierter Schüler. Warum nicht schon längst? Die Bildungskatastrophe war abzusehen.

 

Leserbrief

 

Endlich sind die Bildungsexperten zu der überfälligen Erkenntnis gelangt, dass ein Schulwesen, welches sich „In-klusion“ zuoberst auf die Fahnen schreibt, kläglich versagt, weil es die Begabten und Hochbegabten unter den Schülern sträflich vernachlässigt. Diese sollen nun per „Ex-klusion“ mit Sonderförderung zu ihrem Recht kommen. Seit 2000 hat die OECD durch die Ökonomisierung des Bildungswesens das Bildungsniveau derart kastriert, dass Betriebe und Hochschulen immer weniger Schulabgänger finden, die noch ausbildungsfähig sind. Ebensowenig hat sich die Inklusion behinderter Schüler in Regelklassen bewährt, weil man ihnen dort, trotz großem Engagement, keineswegs gerecht wird. Das PISA-getriebene Schulwesen hat seit fast zwei Jahrzehnten  mehr junge Menschen durch Vernachlässigung geschädigt als gefördert. Der missverstandene Mythos der „Chancengleichheit“ in der Einheitsschule hat sich also ganz von selbst ad absurdum geführt. Echte Chancengleichheit ist erst dann erreicht, wenn die unterschiedlichen Begabungen als gleich-wertig verstanden werden. Je nach Begabung und Einschränkung müssen alle Kinder das Recht haben, speziell gefördert zu werden.

Es wird allerhöchste Zeit, dass sich das deutsche Bildungswesen von dem anmaßenden Diktat der OECD emanzipiert und auf den Pfad der Tugend zurückkehrt.

 

Bärbel Fischer

 

Paralympiker künftig im Wettstreit mit Olympikern?

34 000 000 000 € wird ein kardinales Missverständnis kosten, das unsere Abgeordneten in blinder Unterwerfung unter den „Gleichheitswahn“ dem deutschen Steuerzahler eingebrockt haben. Aber nicht nur das. Mit der Abschaffung von Spezialeinrichtungen für Schüler mit Handicap verlieren diese ein äußerst hoch entwickeltes, differenziertes Bildungsangebot und müssen sich täglich im Vergleich mit anderen Schülern als benachteiligt erleben. Sogar die bildungspolitischen Vorzeigestaaten in Europa behalten ihre sonderpädagogischen Einrichtungen, weil sie unersetzbar sind.

Professor  Otto Speck,  ausgewiesener Experte für die Förderung von Menschen mit Behinderungen, klagt in der Süddeutschen Zeitung an:

http://www.sueddeutsche.de/bildung/inklusions-debatte-inklusive-missverstaendnisse-1.2182484

Lesen Sie auch unseren Beitrag:“ Inklusion um jeden Preis“ auf dieser Seite vom 16. 12. 2014

Inklusion um jeden Preis?

Vielleicht lässt sich die Problematik der INKLUSION an einem Beispiel aus dem Straßenverkehr verdeutlichen.

Es ist die Aufgabe des Staates, seine Bürger vor Gefahren zu schützen. Daher lässt er es sich sehr viel Geld kosten, für die schwächsten Verkehrsteilnehmer parallel zu den Bundes-und Landesstraßen Radwege zu bauen. Hier können sich die Radfahrer gefahrlos mehr Platz genehmigen, schnell oder langsam fahren, überholen oder absteigen. Wie riskant wäre es, wenn sie nun verlangten, sich mit ihrem Rad ebenfalls auf der KFZ-Fahrbahn bewegen zu dürfen, weil sie sich auf dem Radweg als Bummler diskriminiert fühlen, an den Rand gedrängt, abgesondert und als Verkehrsteilnehmer zweiter Klasse abgestempelt? Und würden sie mit der Begründung, dass alle Verkehrsteilnehmer „gleichberechtigt“ sind, fordern, dass die Geschwindigkeit für den KFZ-Verkehr auf 30 kmh begrenzt wird ?

Übertragen auf die schulische Inklusion von Kindern mit Einschränkungen zeigt sich, dass G l e i c h b e r e c h t i g u n g  oft missverstanden wird. Zu ihrem Recht und zu ihrem Schutz und Fortkommen wurden für die Menschen mit Behinderungen in den zurückliegenden Jahrzehnten mit hohen Kosten hervorragende behindertengerechte Einrichtungen geschaffen, das Betreuungspersonal adäquat geschult, pädagogisches Material bereitgehalten, die Gruppengrößen minimiert, höchst differenzierte Angebote ermöglicht und das Lerntempo der Behinderung jedes einzelnen Menschen angepasst.

Diskriminierung?

Ist es nicht vielmehr diskriminierend, die Einschränkungen der behinderten Kinder zu ignorieren, sie auf die „Fahrbahn“, sprich auf die Regelschule zu schicken, sie dem Lerntempo der Mehrheit in der Klasse auszusetzen, sie tagtäglich zu überfordern, sie spüren zu lassen: du bist anders, du bist eingeschränkt, du kommst nicht mit! Auf diese Weise verlieren die Schwächsten ihre GleichbeRECHTigung. Ebenso wäre es auch diskriminierend, der Mehrzahl der Kinder einer Klasse ein angepasstes Lerntempo abzuverlangen.

Das Zauberwort der Inklusionspädagogik heißt „Differenzierung“. Die Lehrer sollen künftig nicht mehr lehren, sondern „Lernbegleiter“ für jedes einzelne Kind sein. Diese Begleitung funktionierte jedoch seither bereits hervorragend in kleinen Lerngruppen einer Spezialeinrichtung, ohne dass sich die Lernenden ( früher Schüler/innen ) enormem Stress ausgesetzt fühlen mussten.

Inklusion kann zwar Rücksichtnahme und Hilfsbereitschaft fördern, aber genauso auch Missachtung, Überforderung und Minderwertigkeitsgefühle bedeuten. Dass behinderte Menschen unsere Aufmerksamkeit, unsere Unterstützung und unsere Empathie brauchen, bleibt unbestritten. Nur ob wir diese mit schulischer INKLUSION erreichen, bleibt mehr als fraglich.

Bärbel Fischer

Lesen Sie dazu den Beitrag von Professor Otto Speck in der Süddeutschen Zeitung!

http://www.sueddeutsche.de/bildung/inklusions-debatte-inklusive-missverstaendnisse-1.2182484

 

 

 

Der große Irrtum des inklusiven Schulsystems

Das Institut für Demographie, Allgemeinwohl und Familie e.V. stellt seinen Beitrag unter ein Zitat von Roman Guardini zur Würde des Menschen:

Personalität und Behinderung                                                                               Person ist die Fähigkeit zum Selbstbesitz und zur Selbstverantwortung, zum Leben in der Wahrheit und in der sittlichen Ordnung. Sie ist nicht psychologischer, sondern existentieller Natur. Grundsätzlich hängt sie weder am Alter, noch am körperlich-seelischen Zustand, noch an der Begabung, sondern an der geistigen Seele, die in jedem Menschen ist. Die Personalität kann unbewußt sein, wie beim Schlafenden; trotzdem ist sie da und muß geachtet werden. Sie kann unentfaltet sein wie beim Kinde; trotzdem beansprucht sie bereits den sittlichen Schutz. Es ist sogar möglich, daß sie überhaupt nicht in den Akt tritt, weil die physisch-psychischen Voraussetzungen dafür fehlen, wie beim Geisteskranken; dadurch unterscheidet sich aber der gesittete Mensch vom Barbaren, daß er sie auch in dieser Verhüllung achtet. … Diese Personalität gibt dem Menschen seine Würde. Sie unterscheidet ihn von der Sache und macht ihn zum Subjekt. … Die Achtung vor dem Menschen als Person gehört zu den Forderungen, die nicht diskutiert werden dürfen. Die Würde, aber auch die Wohlfahrt, ja endgültigerweise der Bestand der Menschheit hängen davon ab, dass das nicht geschehe. Wird sie in Frage gestellt, dann gleitet alles in die Barbarei.

Romano Guardini, Das Recht des werdenden Menschenlebens, 1949. Hier aus einem Nachdruck aus der Schriftenreihe Zeitfragen des Erzbistums Köln, Nummer 9, 1981, S. 11 ff.

Überforderung total: Der große Irrtum des inklusiven Schulsystems  

Die Landesregierung Nordrhein-Westfalens definiert als Auftrag eines „inklusiven Schulsystems“, „Schülerinnen und Schüler nach ihren speziellen Bedürfnissen, Lernerfordernissen und Kompetenzen“ zu fördern, „ohne sie in unterschiedliche Kategorien einzuteilen“ (1). „Gemeinsames Lernen von Menschen mit und ohne Behinderungen“ lautete die Vorgabe; Sonder- oder Förderschulen werden zurückgebaut, längerfristig sollen sie abgeschafft werden. Das politische Ideal ist „eine Schule für alle“: Begabte wie lernschwache, umgängliche wie verhaltensauffällige, nichtbehinderte wie behinderte Kinder sollen in einem Klassenraum gemeinsam lernen, spielen und zu besseren Menschen erzogen werden. In diesem „inklusiven Unterricht“ soll jedes (behinderte) Kind einen Anspruch auf Würdigung seiner „individuellen Leistungs- und Entwicklungsfortschritte“ haben. Dabei soll grundsätzlich „jede erbrachte Leistung“ als „individuelles Ergebnis einer Bewältigung von Anforderungen“ anerkannt werden (2). Beim Wort genommen bedeutet dies, dass nicht mehr Grammatik, Rechtschreibung, Mathematik etc., sondern die Individualität des Schülers Maßstab für den Lehrer sein soll. Vordenker dieser „Pädagogik der Vielfalt“ wenden sich gegen das „Konstrukt des schlechten Schülers“ als Quelle von Diskriminierung und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ (Annedore Prengel) (3). Leistungsdifferenzierung lehnen sie als Ausdruck einer „sozialdarwinistischen“ Gesellschaft ab, die von der „Macht der Ellenbögen und des Kapitals“ (H. Wocken) verdorben wird (4).

Das erinnert an Rousseau, der in seinem pädagogischen Roman „Emile“ eben diesen gleichnamigen Jungen vor der Entfremdung durch die bürgerliche Gesellschaft bewahren wollte. Aber im Unterschied zu Rousseaus pädagogischer Idylle geht es nicht um das Aufwachsen eines Einzelnen, sondern um kollektive Umerziehung: Die neue „Schule für alle“ soll Geburtshelferin einer „inklusiven Gesellschaft“ sein, die sich durch Dialog, Verständnis, Barmherzigkeit und Eintracht in der Vielfalt auszeichnet (5). Auch wenn nicht alle Anhänger der Inklusionspolitik solch paradiesische Erwartungen teilen, so sind diese Erwartungen  doch symptomatisch für den moralisch-missionarischen Impetus. Der setzt vor allem die Lehrer unter Druck: Sie sollen nicht nur höchst unterschiedlich befähigte Schüler gemeinsam unterrichten, sondern auch und besonders die schwierigen Schüler individuell fördern, und mehr noch, ihnen soziale Anerkennung vermitteln. Professionalität und Fairness reichen dabei nicht, es geht um eine Wertschätzung der gesamten Persönlichkeit. Die Schule soll eine Gegenwelt sein zum kapitalistischen Arbeitsmarkt, wo jeder nach seiner Arbeitskraft, mithin nach seiner „ökonomischen Verwertbarkeit“, beurteilt wird (6).

Aber auf eben diese Leistungsanforderungen einer arbeitsteiligen Wirtschaft sollte die Schule Kinder vorbereiten. Das erwarten besonders auch die Eltern, die sich eine gute Zukunft für ihre Kinder wünschen. Dass das gegliederte Schulwesen in Deutschland den Zukunftschancen von Kindern schade, weil es zu stark „selektiere“, ist ein von seinen Gegnern ständig wiederholtes, aber nicht bewiesenes Vorurteil. Dagegen spricht schon die bemerkenswert niedrige Jugendarbeitslosigkeit, für die Deutschland international beneidet wird. Sie ist der Erfolg eines ausdifferenzierten, schulischen und beruflichen Bildungssystems, das unterschiedliche Wege für unterschiedliche Begabungen eröffnet. Davon profitieren auch behinderte Menschen, wie ihre im europäischen Vergleich überdurchschnittliche hohe Beteiligung am Arbeitsleben zeigt (7). Nun sind Bildungszertifikate und Erwerbsquoten allein kein Gradmesser guten Lebens. Echte Menschlichkeit erfordert eine bedingungslose Annahme als Person, ohne Ansehen von Verdienst oder Leistung. Mit dieser wahren „Inklusion“ ist die Institution Schule heillos überfordert, denn kein Lehrer kann alle seine Schüler in ihrer ganzen Individualität würdigen. Vater Staat kann nicht lieben, lieben können nur Personen und das geschieht vor allem in der Familie (8). In jedem Gesellschaftssystem bleibt die Familie deshalb für junge Menschen, und die Behinderten besonders, der wichtigste Ort ihrer Persönlichkeitsentfaltung.

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(1)  Schule NRW. Amtsblatt des Ministeriums für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen. Sonderausgabe Inklusion, Düsseldorf 2014, S. 10. Diesem Bildungskonzept liegt eine spezifische Anthropologie zugrunde, die der Pädagoge Hans Wocken im Interview mit dem Bildungsportal Nordrhein-Westfalen wie folgt erläutert: „Inklusion bestreitet die Existenz von zwei Sorten Menschen, nämlich von behinderten und nichtbehinderten Menschen. An die Stelle der Dichotomie „normal“ versus „behindert“ tritt in der inklusiven Schule die Anerkennung der Vielfalt der Kinder.“ Auf die Frage nach den „Grenzen der Inklusion antwortet er hier: „Die Barrieren liegen in den Köpfen der Menschen, die die Inklusion nicht wollen und in der Gliederung des Bildungssystems. Diese Barrieren muss man Stück für Stück beseitigen. Die Inklusion an sich hat keine Grenzen. Der Begriff Inklusion schließt ja gerade Grenzen aus!

http://www.schulministerium.nrw.de/docs/AusSchulen/Interviews/Bei-der-Inklusion-sind-alle-Kinder-willkommen/index.html.

(2)  Schule NRW, a.a.O., S. 15.

(3)  Zitiert nach: Bernd Ahrbeck: Inklusion. Eine Kritik, Stuttgart 2014, S. 50.

(4)  Vgl. ebd., S. 74-75.

(5)  Ebd., S. 61.

(6)  Ebd., S. 76-77.

(7)  Siehe hierzu: „Erwerbstätigenquoten Behinderter“ (Abbildung).

(8)  Deshalb ist es tragisch, wenn Familien zerfallen und der Staat deshalb eine Rundumbetreuung von Kindern in Heimen übernehmen muss. Siehe hierzu:http://altewebsite.i-daf.org/341-0-Wochen-43-44-2010.html.

Inklusion: Wahlfreiheit für alle!

Auf die Berichte der Schwäbischen Zeitung zu der Forderung seiner Mutter, Henri  trotz seiner Trisomie ins Gymnasium aufzunehmen, antwortet eine Mutter mit folgendem Leserbrief. Dabei beklagt sie auch das leichtfertige Aufgeben der Errungenschaft Sonderschule zum Schaden behinderter Kinder.

Wahlfreiheit für alle

Als Mutter von Kindern ohne bisher festgestelltem sonderpädagogischem Förderbedarf fühle ich mich in der aktuellen Inklusionsdebatte durch das politische Einbahnstraßendenken diskriminiert.

Wir können uns in Deutschland glücklich schätzen, ein hochqualifiziertes und spezialisiertes Schulsystem etabliert zu haben, das den Talenten und Möglichkeiten der Heranwachsenden passgenau entgegenzukommen versucht, Bildung für alle ermöglicht und die meisten Kinder zu einem ihrem Potential entsprechenden Schulabschluss führt mit dem Ziel sozialer Teilhabe und Unabhängigkeit von subsidiären Leistungen.

Sollte aber in Zukunft alles an allen Bildungsstandorten dank Inklusion eingefordert werden, der Wille der Eltern darüber entscheiden, wo ihr Kind zu welchen Konditionen beschult wird, so darf das nicht nur in eine Richtung gedacht werden. Warum sollte nur Eltern behinderter Kinder Wahlfreiheit zugestanden werden?

Vielmehr fordere ich das Recht, selbst auch den Schulort meiner Kinder frei wählen zu können. Ich würde dann z.B. eine Förderschule wählen mit kleinen Klassen von 5 Schülern, individualisiertem Lehren und Lernen, sonderpädagogischer Begleitung, einem organisierten Fahrdienst zur Schule und zurück, der helfenden Unterstützung von Sozialpädagogen und Psychologen… verbunden selbstverständlich mit der Forderung, dass Fachlehrer des Gymnasiums die Vorbereitung auf das Abitur sicherstellen, so wie umgekehrt Sonderpädagogen alle Henris am Gymnasium unterrichten.

Lioba Konrad, Friesenhofen