Wahlprüfsteine zur Landtagswahl 2021 in Baden Württemberg

Das Bündnis „Rettet die Familie“ wendet sich zusammen mit dem „Verband Familienarbeit“ mit Wahlprüfsteinen zur Landtagswahl 2021 in Baden-Württemberg an die einzelnen, im Landtag vertretenen Parteien. Sofern sich diese Parteien äußern, werden wir deren Antworten hier rechtzeitig veröffentlichen.

1.   Familienpolitik und Grundgesetz (GG)

Bereits im 5. Familienbericht (1994, Seite 21) wurde eine „strukturelle Rücksichtslosigkeit der gesellschaftlichen Verhältnisse gegenüber den Familien“ beschrieben. Das wurde besonders durch unser Rentenrecht begründet, das den wirtschaftlichen Gewinn der Kindererziehung durch die Lohnbindung der gesetzlichen Renten großenteils auf kinderlose Erwerbstätige umlenkt, obwohl die Investitionskosten weiter überwiegend von den Eltern getragen werden müssen. Diese Rücksichtslosigkeit gegenüber Eltern und Kindern wurde seitdem nicht abgebaut, sondern im Rahmen der „Gleichstellungspolitik“ eher noch weiter verschärft. Das führte und führt u.a. zu einer zunehmenden relativen Verarmung von Familien, zu erschwerten Erziehungsbedingungen und einem Geburtenmangel.

  • Hält es Ihre Partei für mit dem GG (Art. 6,1) vereinbar, dass Kosten und Wertschöpfung der Kindererziehung so stark auseinander fallen, wie das zur Zeit der Fall ist, indem die erwerbstätig gewordenen Kinder den kinderlosen Erwerbstätigen, die weniger Kinderkosten getragen haben, in der Regel höhere Renten finanzieren müssen als den eigenen Eltern?
  • Hält es Ihre Partei für mit dem GG (Art. 6,2) vereinbar, dass der Staat über die gesetzliche Zuerkennung oder Nicht-Zuerkennung staatlicher Leistungen, Eltern in ihrer Entscheidung, wie sie ihre Kinder erziehen, zu beeinflussen versucht, wie das durch die Ausgestaltung des Elterngeldgesetzes und die ausschließliche Finanzierung der Fremdbetreuung geschieht?

2.   „Kinderrechte“ ins Grundgesetz?

Aktuell bestehen Bestrebungen, im GG „Kinderrechte“ besonders aufzuführen. Das wird damit begründet, dass die Rechte der Kinder besser geschützt werden sollen. Tatsächlich werden die Rechte der Kinder aber heute besonders durch staatliches Eingreifen eingeschränkt. So wird etwa dem wichtigen Kinderrecht auf elterliche Betreuung durch die einseitige Finanzierung der Fremdbetreuung entgegengewirkt. Insgesamt wirkt sich die Abwertung der elterlichen Erziehungsarbeit im Sozialrecht nicht nur zum Nachteil der Eltern, sondern auch zum Nachteil der Kinder aus. Nach dem bestehenden GG sind die Eltern die wichtigsten Wahrer der Kinderrechte. Eine besondere Erwähnung im GG könnte den Eindruck vermitteln, als habe der Staat ein stärkeres Eingriffsrecht als nach dem bisherigen Wortlaut.

  • Wird sich Ihre Partei dafür einsetzen, dass das Kinderrecht auf Betreuung durch die Eltern besser verwirklicht wird? Wie soll der Gefahr vorgebeugt werden, dass eine neue Passage im GG zum Vorwand genommen wird, die Erziehungsarbeit der Eltern noch stärker zu behindern, als das schon bisher geschieht?

3.   „Gleichstellungspolitik“

Die Landesregierungen tragen über den Bundesrat auch eine Mitverantwortung für die Bundespolitik. Unter dem Begriff „Gleichstellungspolitik“ versucht die gegenwärtige Bundesregierung den Eindruck zu erwecken, als diene diese der Gleichberechtigung der Geschlechter.

Tatsächlich wird aber lediglich eine Gleichstellung im Bereich der herkömmlichen Erwerbsarbeit angestrebt. Das führt zu einer weiteren Abwertung der elterlichen Erziehungsarbeit, was die Entstehung einer festen Bindung zwischen Eltern und Kind erschwert. Nach überzeugenden wissenschaftlichen Erkenntnissen belastet eine mangelnde Bindung des Kindes an die Eltern die Entwicklung von Selbstbewusstsein und späterer Lern- und Bildungsfähigkeit. Die einseitige Orientierung am erwerbsfixierten Denken führt zu einer strukturellen Benachteiligung aller Eltern, da die Erziehungsarbeit einen wesentlichen Teil ihrer Lebensarbeitsleistung ausmacht. Auch eine stärkere Einbeziehung der Väter würde an der Diskriminierung der Erziehungsarbeit gegenüber der Erwerbsarbeit nichts ändern, solange deren Honorierung verweigert wird.

Die bestehende Geringbewertung der Erziehungsarbeit ist nicht mehr zeitgemäß, weil deren wirtschaftliche Wertschöpfung (besonders aufgrund des Rentenrechts) nicht mehr allein den Eltern zugutekommt, wie das früher der Fall war, sondern allen Erwerbstätigen.

  • Wird sich Ihre Partei für eine Gleichberechtigung der Mütter und Väter auf der Grundlage einer Gleichbewertung von Erziehungsarbeit und herkömmlicher Erwerbsarbeit einsetzen, auch wenn die Kinder länger als das erste Lebensjahr von den Eltern selbst betreut werden?

4.   Honorierung der elterlichen Erziehungsarbeit

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 21. Juli 2015 die Zuständigkeit für ein Betreuungsgeld für Eltern, die ihre Kinder unter drei Jahren nicht in einer Krippe oder bei einer staatlich anerkannten Tagesmutter betreuen lassen, den Ländern zugeordnet. Damit liegt es im Verantwortungsbereich der Länder, die bisherige Diskriminierung selbst betreuender Eltern abzubauen.

  •  Wird sich Ihre Partei im Landtag dafür einsetzen, dass eine finanzielle Gleichberechtigung von Eltern, die ihre U3-Kinder selbst betreuen, verwirklicht wird, um eine echte Wahlfreiheit herzustellen?

5.   Elterngeldgesetz

Über den Bundesrat entscheiden die Länder auch mit über die Bundespolitik, wozu das Elterngeldgesetz gehört. Die Lohnorientierung des Elterngeldes („Lohnersatzfunktion“) entwertet die Kinderbetreuung zur Nichtarbeit analog von Krankheit und Arbeitslosigkeit. Diese Abwertung scheint das uralte, aber unberechtigte Vorurteil einer Minderwertigkeit der traditionell von Frauen geleisteten Betreuungsarbeit zu bestätigen und verstärkt es sogar. Das schadet vor allem den Eltern, die vor einer Geburt bereits ältere Kinder betreuten und den jungen, noch in Ausbildung befindlichen Eltern (z.B. Studenten), weil sie vor der Geburt keinen oder nur geringen Lohn hatten.

  • Wird sich Ihre Partei im Bundesrat für eine Beseitigung der sich aufgrund des Elterngeldgesetzes ergebenden Diskriminierung von Mehr-Kind-Eltern und von jungen Eltern einsetzen?

Geburtenmangel – Fachkräftemangel – sinkende Wirtschaftsleistung – Wohlstandsverlust

Die Stiftung für Familienwerte ( www.stiftung-familienwerte.de ) schreibt in ihrem Newsletter:

Wer als Politiker in Sonntagsreden davon spricht, dass Kinder Zukunft bedeuten, der sollte bei jahrzehntelangem massenhaften Geburtenmangel auch so ehrlich sein, über die selbst gesetzten Grenzen des Wachstums zu reden. Zielführender wäre, Gesetze zu verabschieden, die jungen Menschen Mut machen, eine Familie zu gründen.

Heute holt uns die normative Kraft des Faktischen mit einem stetig wachsenden Fachkräftemangel ein, und der Erkenntnis, dass es ohne eigene Kinder keine Zukunft gibt. Die CDU-Vorsitzende, Frau Kramp-Karrenbauer, hat unlängst beim Leipziger Bundesparteitag die Frage gestellt, warum es in Deutschland so wenige Kinder gibt. Man darf ihr unterstellen, dass sie weiß, dass der wachsende Fachkräftemangel das Mega-Thema dieses Jahrzehnts sein wird, zumal er schon heute die Grenze des Wirtschaftswachstums aufzeigt. Vom folgenden Wohlstandverlust ganz zu schweigen.

Und tatsächlich stehen die Zeichen auf dem Arbeitsmarkt längst auf Sturm. „Wir verlieren ein Stück Zukunft in Deutschland, wenn wir den Sanierungsfall öffentlicher Dienst nicht zukunftsfest machen“ (FAZ 7.1.2020), sagte der Vorsitzende des Beamtenbundes in Deutschland, Ulrich Silberbach, bezogen auf den Personalmangel: Aktuell fehlen nach seiner Aussage 300.000 Lehrer, Sicherheitskräfte etc.

Andere Dienstleister, aber auch die Wirtschaft sehen bereits die Umrisse der Wand, auf die wir zusteuern. Der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, sagte jüngst vor dem Fachkräfte-Einwanderungsgipfel, dass der Fachkräftemangel noch deutlich spürbarer werden wird. „Die Demografie schlägt jetzt voll zu. Wir haben im Jahr 2020 praktisch keine Steigerung des Erwerbspersonenpotentials mehr – trotz einer erwarteten Zuwanderung von rund 230.000 Menschen“. (FAZ 16.12.2019). Ist es ein Zeichen von Selbsttäuschung oder Verdrängung, dass bisher kein Politiker das nachhaltige Thema des Geburtenmangels aufgegriffen hat? Oder vertraut die Politik wider besseres Wissen weiter auf massenhafte risikobehafteten Personalaufstockung aus dem Ausland?

Der demografische Wandel, der uns jetzt den Arbeitsmarkt leerfegt, trifft uns auch deshalb so stark, weil der vorsorgende Sozialstaat in den vergangenen Jahren sukzessive aufgestockt wurde, ohne an eine ausreichende Personalausstattung gedacht zu haben.

Die fehlende Weitsicht der Politik führt heute zu unverantwortlichen Engpässen auch dort, wo es um die Entwicklung von Humanvermögen geht, in den Kindertagesstätten. Hier wird ein Umdenken vonnöten sein, Wege zu finden, die die Gewährleistung einer sicheren Bindung ermöglichen können. Das können u.a. Tagesmütter, eine familiennahe Betreuung in Unternehmen oder die Einführung einer echten Wahlfreiheit für die Eltern sein.

Eine rhetorische Seifenblase

Pressemeldung

18.01.2015

Die 32-Stunden-Arbeitswoche für gestresste Eltern – eine rhetorische Seifenblase

In einem sehr persönlich gehaltenen Interview (DIE ZEIT vom 08.01.2015, verkürzte Fassung siehe link unten) räumt Arbeitsministerin Andrea Nahles freimütig ein:„Man bekommt doch kein Kind, nur um dann damit beschäftigt zu sein, es irgendwie wegzuorganisieren, weil man arbeiten gehen muss.“

Diese Einlassung einer SPD-Politikerin und selbst betroffenen Mutter kommentiert Gertrud Martin, Vorsitzende des Verbands Familienarbeit e.V.: „ Das ist unsere Rede seit langem. Aber niemand will sie hören. Die Tatsache, dass Familie immer mehr an den Rand gedrängt und nur noch als Lieferant des Humankapitals für Wirtschaft und Sozialsysteme gesehen wird, ist der Hauptgrund für den Geburtenmangel. Ein Kind ist ja noch lange nicht hinreichend wegorganisiert, wenn eine „gute Kita oder eine gute Ganztagsschule“ gefunden ist. Das minutiöse Organisieren bleibt trotzdem alltäglicher Familienstress, sofern beide Eltern erwerbstätig sein sollen.“

Martin stellt weiter fest, dass die von Nahles – wie auch früher schon von Familienministerin Schwesig – benannte Gegenstrategie einer Entzerrung der Berufs- und Familienbiografie in den mittleren Lebensjahren sich zunächst zwar einleuchtend anhöre, einer kritischen Prüfung aber nicht standhalte: „Wie ist das zu verstehen, dass eine zugunsten der Familie auf 32 Stunden verkürzte Wochenarbeitszeit später durch Mehrarbeit wieder hereingeholt werden soll? Ist dann bei weiter zu bewältigender Kindererziehung von mehr als einer Vollzeit-Erwerbstätigkeit die Rede? Offenbar verschwendet die Ein-Kind-Mutter Nahles auch keinen Gedanken auf die Mehrkindfamilien, obwohl wir diese dringend brauchen. Die Frage wird außerdem sein, wie wettbewerbsfähig Eltern in Konkurrenz mit kinderlosen Arbeitssuchenden am Arbeitsmarkt sein können, wenn sie nur 32 Stunden am Arbeitsplatz präsent sein wollen. Das Ganze ist nicht seriös durchdacht und taugt allenfalls als rhetorische Seifenblase für den nächsten Wahlkampf.“

Und Martin ergänzt: „Es sollte doch allmählich erkannt werden, dass das Großziehen von Kindern schon aufgrund unseres Rentenrechts den gleichen Stellenwert erhalten muss wie die Erwerbsarbeit und daher finanziell zu honorieren ist. Mit der systematischen Missachtung der elterlichen Erziehungsleistung sägen wir an dem Ast, auf dem wir sitzen.“

http://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-01/andrea-nahles-vereinbarkeit-von-familie-und-beruf

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