Simone Schmollack: "Eine Hausfrauenehe – so teuer wie ein Eigenheim"

DEUTSCHLANDRADIO Kultur brachte kürzlich einen Beitrag mit dem Titel: „Eine Hausfrauenehe ist so teuer wie ein Eigenheim“ von Simone Schmollack. Der Mathematiker Michael Horn aus München antwortet auf diesen Unsinn mit folgender Erwiderung unter der Überschrift: „Oder: wie sich ein luxoriöses Eigenheim in Nichts auflöst“
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich habe obigen Beitrag von Simone Schmollack gehört und bin entsetzt. Einerseits über den Beitrag selbst und andererseits über Deutschlandradio Kultur, das den Beitrag offensichtlich ohne jegliche Prüfung ausgestrahlt hat. Wenn man sich die Zahlen nur ein wenig genauer angeschaut hätte, wäre sofort aufgefallen, mit welchem Unsinn Sie hier Ihre Hörerschaft „beglückt“ haben. Alleine die ersten Sätze sind allesamt falsch:

FALSCH: „Zum Beispiel durch das Ehegattensplitting. Wenn der Mann 5000 Euro im Monat verdient, spart er für diese Zeit fast 500 Euro Steuern. In 30 Ehejahren sind das über 170.000 Euro.“
Solange Fr.  Schmollack nicht sagt, gegenüber wem der Mann die 500 EUR monatlich spart, ist das eine ziemliche Nullaussage. Wollen wir ihr helfen: Der Mann spart die 500 EUR gegenüber einem Single mit gleichem Einkommen. Aber ein Ehemann ist nun einmal kein Single. Vielleicht hätte man das Fr. Schmollack einmal erklären sollen. So vergleicht sie auf jeden Fall Äpfel mit Birnen. Machen wir es besser: Vergleichen wir also diesen Alleinverdiener-Ehemann mit einem anderen Ehepaar, das genau über das gleiche Einkommen, nämlich 2x 2.500 EUR monatlich verfügt. Und siehe da, der Ehemann aus der Alleinverdiener-Ehe (5.000 EUR, StKl: III) spart überhaupt nichts, sondern zahlt sogar etwas mehr Steuern als das Doppelverdiener-Ehepaar (2 x 2.500 EUR, jew. StKl: IV) zusammen, siehe Lohnrechner 2012 unter http://www.steuerberaten.de/do_it_yourself/rechner/lohn/index.php#

FALSCH: Sie hat auch herausgefunden, wie viel die Gesellschaft dafür zahlt, dass Hausfrauen in der Krankenkasse ihres Gatten kostenlos mitversichert sind: Für die besagte 30-jährige Ehe sind das 46.000 Euro.
So, so. Zusammen mit den angeblichen 170.000 EUR kommen wir damit also schon auf satte 216.000 EUR. Wenn wir allerdings wieder den Lohnrechner von oben zu Hilfe nehmen und einfach mal alle Steuern und Zahlungen in die Sozialversicherungen zusammenrechnen, kommen wir bei besagtem Alleinverdiener (5.000 EUR, StKl: III) auf monatliche Abzüge von 1.683 EUR. Bei dem Doppelverdienerehepaar (2 x 2.500 EUR, jew. StKl: IV) kommen wir auf 2 x 869 EUR, also 1.738 EUR Abgaben. Macht also eine Differenz von 55 EUR, oder in 30 Jahren weniger als 20.000 EUR. Fr. Schmollack liegt also fast um den Faktor 11 daneben, bzw. hat um 1.000% (!) übertrieben. Dabei ist noch nicht einmal eingerechnet, dass das Doppelverdiener-Ehepaar bessere Leistungen erhält, z.B. die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall von der Krankenkasse. Aber es wird noch schlimmer.

FALSCH: Und dann ist da noch die Witwenrente. Dafür muss die Rentenversicherung schnell mal 300.000 Euro für eine Frau berappen, die selbst nie etwas in die Rentenkasse eingezahlt hat.
So, so, „schnell“ mal über 300.000 EUR. Wie wir gleich sehen werden, ist es genau umgekehrt, das Doppelverdiener-Ehepaar hat bei gleichen Einzahlungen in die Rentenversicherung letztendlich eine höhere Rendite, bekommt also mehr ausgezahlt, als das Einverdiener-Ehepaar. Doch vorab noch eine Richtigstellung zu „für eine Frau berappen, die selbst nie eingezahlt hat“. Richtig ist, dass diese Frau die große Witwenrente erhält, wenn ihr Mann stirbt. Richtig ist aber auch, dass sie sich darin nicht von der Frau aus der Doppelverdienerehe unterscheidet, denn auch diese erhält die große Witwenrente, partizipiert also auch an der Rente ihres Mannes, wenn dieser verstirbt, ohne dass sie jemals etwas für dessen Beiträge eingezahlt hätte. Das Argument von Fr. Schmollack ist nur populistisch, aber letztendlich falsch.
Was Fr. Schmollack ebenfalls verschweigt, ist, dass beide Ehepaare genau gleich viel in die Rentenversicherung eingezahlt haben, da die Rentenbeiträge des Alleinverdieners aus dem obigen Beispiel genau doppelt so hoch sind wie die einzelnen Beiträge der Doppelverdiener. In Summe gleiche Beiträge sollten auch zu gleicher Leistung führen. Wenn beide Ehepaare das Rentenalter erreichen, ist das zunächst auch der Fall. Nehmen wir der Einfachheit halber an, der Alleinverdiener erhält 2.000 EUR Rente monatlich, das Doppelverdiener-Ehepaar jeweils 1.000 EUR monatlich. Was passiert jedoch wenn, statistisch gesehen in den meisten Fällen, der Mann zuerst stirbt. In diesem Fall erhält die Frau des Alleinverdiener-Ehepaars die große Witwenrente von 1.200 EUR monatlich. Die Frau aus der Doppelverdienerehe erhält dagegen weiterhin ihr 1.000 EUR plus aus der großen Witwenrente nach Abzügen immerhin noch 490 EUR, also insgesamt 1.490 EUR und somit 290 EUR monatlich mehr.
Laut Statistischem Bundesamt (Quelle 1) lebt eine 65-jährige Frau durchschnittlich 3 Jahre und 3 Monate länger als ein 65-jähriger Mann. Ferner sind in 75% aller Ehen die Männer älter als die Frauen, in den meisten Fällen zwischen 1-3 Jahre (Quelle 2). Nehmen wir also an, dass die Ehefrau 2 Jahre jünger als ihr Mann ist und 3 Jahre und 3 Monate älter wird. Das bedeutet also, dass das Doppelverdienerehepaar unter diesen Randbedingungen etwa (24 + 39) * 290 = 18.270 EUR mehr Rente aus der Rentenversicherung bezieht als das Alleinverdiener-Ehepaar, obwohl beide Ehepaare gleiche Beiträge eingezahlt haben.

Wenn man alles nun aufaddiert, löst sich das luxoriöse Eigenheim in Nichts auf.

Dass die Autorin mit dem Beitrag vollkommen überfordert ist, wird auch an anderer Stelle deutlich. So hat sie Frankreich als beispielhaft herausgestellt und meint „Deutschland ist eines der letzten Länder in Europa, das noch am Ehegattensplitting festhält„. Ein kurzer Blick bei Wikipedia unter Familiensplitting hätte aber genügt unter Frankreich den Hinweis zu finden: „für jeden Elternteil der Divisor 1,0“. Mit anderen Worten: Auch das Musterland Frankreich setzt auf das Ehegattensplitting, plus einem zusätzlichen „Kindersplitting“.
Ferner findet man bei Wikipedia auch noch den Satz „In Frankreich wird das Familiensplitting nicht als Fördermaßnahme angesehen, sondern lediglich als die konsequente Einhaltung der horizontalen Steuergerechtigkeit“. Besser kann man es nicht sagen, denn das Ehegattensplitting ist eben keine Subvention, sondern ein (mathematisch) notwendiger Korrekturfaktor, um Steuergerechtigkeit herzustellen. Und Steuergerechtigkeit bedeutet: „gleiche Steuerlast bei gleichem Familieneinkommen“.

Insgesamt ist es mir unerklärlich, wie der Beitrag „Eine Hausfrauenehe ist so teuer wie ein Eigenheim“ eine hoffentlich vorhandene Qualitätssicherung bei Deutschlandradio passieren konnte. Mein Vertrauen in die Qualität Ihrer Beiträge ist seit dem auf jeden Fall nachhaltig gestört und wird dies auch bleiben, solange Sie nicht auf Ihrer Internetseite eine Richtigstellung und eine Entschuldigung platzieren. Für den Link wäre ich dankbar.

Mit freundlichen Grüßen
Michael Horn (Mathematiker)
81739 München

Statistisches Bundesamt 1: http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Presse/pm/2011/09/PD11__343__12621,templateId=renderPrint.psml
Statistisches Bundesamt 2: http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Navigation/Publikationen/STATmagazin/2010/Bevoelkerung2010__10,templateId=renderPrint.psml__nnn=true