Kommentar zur Unicef-Studie

Sehr geehrte Damen und Herren,

in Ihrer Unicef – Untersuchung zur Selbsteinschätzung deutscher Kinder zu ihrer Situation lautet eines der Ergebnisse:  „Für die Selbstachtung und das Selbstvertrauen der Kinder ist es von zentraler Bedeutung, dass ihre Eltern den Lebensunterhalt selbst bestreiten können.“

Diesen Aspekt möchte ich hinterfragen. Richtig ist: Kinder und ihre Eltern wünschen sich  eine autarke Familie. Dass aber Familien  gar nicht autark werden können, ist unseren Adenauer´schen Sozialgesetzen von 1957 zu verdanken, die zwar den alternden Menschen mit und ohne Nachwuchs über die Umlage alimentieren, nicht aber den heranwachsenden Menschen. Dies führt dazu, dass den Eltern die Hauptlast an Kinderkosten bleibt, wobei ihnen obendrein gleich hohe Sozialabgaben abverlangt werden wie kinderlosen Arbeitnehmern. Mithin zahlen Eltern mehr als den doppelten Beitrag ins Sozialsystem. Anstatt dass Kinderlose ab 40 ihr Alter privat absichern, lassen sie sich von denen verhalten, die bereits den Nachwuchs „gestemmt“ haben. Wenn man also den Familien die Butter vom Brot nimmt und denen aufs Brot schmiert, die für den Nachwuchs nichts geleistet haben, dann darf man sich nicht darüber beklagen, dass Eltern und Kinder irgendwann vom Sozialtopf abhängig werden. 

Noch ein Einwand: Die große Mehrheit der Eltern will ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten. Niedriglöhner suchen sich noch eine zweite und dritte Arbeitsstelle, Mütter gehen auf eine Putzstelle, nur um ihren Kindern Teilhabe zu ermöglichen. Die Frage ist nur: kann der Lebensunterhalt einer Familie nur mit Erwerbsarbeit bestritten werden? Woher nehmen Staat und Politik das Recht zu bestimmen, dass Familienarbeit wertlos zu sein hat?   Zwei, drei und mehr Kinder groß zu  ziehen bedeutet einen hohen Vorschuss, den Familien für die Gesellschaft leisten, der ihnen aber nicht zurückerstattet wird. Würde Familienarbeit entsprechend bewertet  und bezahlt, würden die meisten Familien vor dem Prekariat bewahrt. 

Doch unsere Politik missachtet die vitalen Ansprüche von Familien und treibt sie so in Abhängigkeit. Es ist ihr mittlerweile auch egal, wenn junge Leute sich gegen Nachwuchs entscheiden. Man findet sich mit dem so genannten „demographischen Wandel“ ab. Wer die Alterslasten der kommenden Jahre tragen soll, das weiß sie bis heute nicht. Kopf in den Sand! Nach uns die Sintflut! 

Sehr geehrter Herr Bertram, Untersuchungen sind gut und sinnvoll, wenn politisch die richtigen Schlüsse daraus gezogen werden. Da fehlt es in Deutschland leider am politischen Willen und an einer langfristigen Perspektive über die nächste Wahl hinaus.

In der öffentlichen Diskussion um benachteiligte Kinder wird bislang häufig argumentiert, Kindergärten und Schule müssten das „Versagen der Eltern“ kompensieren. Diese Einrichtungen müssen alles tun, um benachteiligte Kinder besser zu unterstützen. Doch keine Institution kann die besondere Rolle der Eltern ersetzen.“

Mit diesem Satz bekennen Sie sich dazu, dass frühkindliche Bindung an eine familiäre Pflegeperson von ausschlaggebender Bedeutung für eine selbstbewusste und kreative Entwicklung ist. Unter den oben beschriebenen Verhältnissen haben aber viele Mütter heute keine Wahl mehr, ihren Kindern die notwendige und fördernde Zeit und Präsenz zu schenken – ein Teufelskreis!

Bärbel Fischer