Der grandiose Überschuss von 18,5 Milliarden in der Steuerkasse von Herrn Schäuble wecke Begehrlichkeiten, so die Äußerung der Leitartiklerin der Schwäbischen Zeitung.
Dazu unser Einwand:
Sehr geehrte Frau Stoss,
als Beispiel für Begehrlichkeiten erwähnen Sie in Ihrem heutigen Leitartikel die Rente mit 63 und die Familienpolitik: „Hier gibt der Staat nach dem Gießkannenprinzip viel Geld aus, statt Prioritäten zu setzen. Die Folge: Mit den Staatseinnahmen wächst der Sozialstaat kontinuierlich“. Mit Sozialstaat verbinden Sie vermutlich den Versorgungsstaat, der Pflästerchen für alle möglichen Misslagen bereit hält.
Im Falle der Familienpolitik hinkt Ihre Annahme. Zwar rühmt sich die Politik, jährlich 200 Milliarden für Familien auszugeben, obwohl nur rund 50 Mrd. bei Familien mit unselbständigen Kindern direkt ankommen. Der Rest sind Ausgaben, die allen Staatsbürgern zugute kommen und mit dem Unterhalt von Kindern nichts zu tun haben. Aber 200 Mrd. klingt besser als 50 Mrd.! Beim Kindergeld ( 38 800 000 000 ) z. B. zahlen sich die Eltern die Hälfte 19,5 Mrd. selbst, weil das Existenzminimum der Kinder zuvor besteuert wurde. Der Familienbund Freiburg hat einen überschaubaren Überblick über das 200-Milliarden-Märchen aufgelistet:
http://www.familienbund.org/public/files/PDFDateien/fdk_200_mrd_flyer.web.pdf
Die sog. beitragsfreie Mitversicherung in der Krankenkasse ist ein ähnlicher Bluff. Denn das Einkommen eines Vaters von 3 Kindern und Gatte einer erwerbslosen Mutter teilt sich im Moment der Auszahlung in 5 Teile. Er, wie alle anderen Familienmitglieder verfügen also nur über 20% seines Lohns. Wem nur 20% seines Lohnes zustehen, der muss auch nur 20% des Beitrags abführen. Der Vater bezahlt aber 5 mal 20% des geforderten Beitrags an die Krankenkasse und versichert somit seine ganze Familie. Mithin zahlen Eltern wie Kinder je ihren Beitrag und sind keineswegs beitragsfrei mitversichert.
Weil aber die Eltern neben den Beiträgen zusätzlich die Erziehungsarbeit leisten und die Unterhaltskosten stemmen, werden sie faktisch doppelt zur Kasse gebeten. Sie erziehen auf eigene Kosten die Kinder, die später mit ihren Beiträgen die Altersrente nicht nur ihrer eigenen Eltern, sondern auch die der bereits 25% nachwuchsloser Zeitgenossen erwirtschaften sollen. Kinderkosten werden in unserem Sozialsystem privatisiert, deren Nutzen aber sozialisiert.
Trotz dieser formidablen „Förderung“ verarmen immer mehr Eltern und Kinder. Familien leisten den Löwenanteil an Verbrauchssteuern, brauchen größere Wohnungen, mehr Energie, Nahrung, Kleidung etc. An eine zusätzlich private Altersvorsorge können Eltern gar nicht denken. Ihre Altersarmut ist vorprogrammiert. Das ist im Übrigen auch meine Kritik an der heutigen Rentenpolitik: Wer die größten Anstrengungen zugunsten der Gesellschaft erbringt wird, nicht nur im Alter, am härtesten bestraft.
Ich gebe Ihnen vollkommen recht, wenn Sie dafür plädieren, den Bürgern mehr Geld in der Tasche zu belassen. Nur müsste es gerecht zugehen. Denn von einer Steuerentlastung hätten die Spitzenverdiener den allergrößten, die Familien mit geringerem Einkommen und den höchsten Ausgaben nur einen minimalen Nutzen. Das heißt umgekehrt: Von den heutigen Überschüssen müssten jene am meisten profitieren, die die nachhaltigste Leistung erbringen, nämlich die Familien.
Sollten Sie, werte Frau Stoss, an dieser Thematik interessiert sein, so empfehle ich Ihnen, sich über www.eltern-klagen.de zu informieren. Eine Klage zur doppelten Abgabenbelastung von Familien liegt bereits beim Bundesverfassungsgericht.
Sehr geehrte Frau Stoss, weil unser Sozialgesetz von 1957 ( Ära Adenauer ) Familien mit Kindern massiv benachteiligt, hat sich unser Nachwuchs seit 1965 von 1,3 Millionen auf jährlich 660 000 halbiert. Das bedeutet, dass immer weniger Kinder immer mehr Alte alimentieren müssen. Würde also unser Sozialgesetz Familienleistungen so honorieren, dass Nachwuchs kein Armutsrisiko mehr bedeutet, dann könnten sich Paare auch mehr Kinder leisten und somit auch nachwuchslose Bürger problemlos mitversorgen. Aber alle Vorstöße von Familienverbänden in diese Richtung werden von unseren Regierungen standhaft ignoriert.
Es wäre an der Zeit, dass sich unser CDU-Finanzminister mit der Realität der deutschen Familien befasst. Solange in Deutschland Politik für erfolgreiche Singles zulasten von Eltern gemacht wird, solange sieht es rabenschwarz mit den Renten aus.*) Aber so weit reicht der politische Weitblick von Herrn Schäuble bislang nicht.
Ihr heutiger Leitartikel, Frau Stoss, geht zwar in die richtige Richtung, ohne allerdings die langfristigen Konsequenzen zu berücksichtigen. Der Sozialrichter Dr. Jürgen Borchert prägte einmal den Satz: „Der Staat klaut den Familien die Sau vom Hof und gibt ihnen in Gönnerpose zwei Schnitzel zurück!“
Damit grüße ich Sie in der Hoffnung, dass Sie sich vertieft mit der aktuellen Gesellschafts- und Sozialpolitik auseinander setzen, im Auftrag der ELTERNINITIATIVE FÜR FAMILIENGERECHTIGKEIT
Bärbel Fischer
*) Der erhoffte Zugewinn durch die Sozialabgaben der Migranten, wird mangels deutschem Nachwuchs durch die immensen Integrationskosten bereits relativiert.
Umgehende Antwort von Frau Stoss:
Liebe Frau Fischer,
vielen Dank für Ihre Zuschrift und die Anregungen. Ich werde diese gerne bei Gelegenheit aufnehmen.
Mit freundlichen Grüßen
Sigrid Stoss Ressort Wirtschaft
Es ist ein ganz besonderes und höchst seltenes Highlight für mich, eine Antwort von angeschriebenen Journalisten zu bekommen. Noch seltener ist ein positives Signal wie das von Frau Stoss. Dass es noch lernfähige Presseleute gibt, stimmt mich vorsichtig zuversichtlich.
Danke Frau Stoss!