Einheitsschule – im Galopp!

Elternschaft und Philologenverband laufen – wohl aussichtslos – Sturm gegen die geplante Kürzung von Lehrerstunden an allgemeinbildenden Schulen und Gymnasien durch die Stuttgarter Landesregierung. Die Schwäbische Zeitung berichtet heute darüber. Dazu unser Leserbrief:

„Schleichende Erosion der Gymnasien“ meint der Landesvorsitzende des Philologenverbands, Bernd Saur, zur Streichung von Lehrerstunden. Erosion ja, aber nicht schleichend, sondern im Galopp. Denn der grün-roten Regierung geht es bei der angekündigten Maßnahme doch gar nicht um Einsparungen, sondern um die zügige Durchsetzung der ganztägigen Einheitsschule! Dabei verfolgt sie pfiffig ihren angekündigten Plan. Erster Schritt: Abschaffung der Grundschulempfehlung, 2. Schritt: Kinder strömen in Scharen aufs Gymnasium, 3. Schritt: eine Großzahl der Schüler fühlt sich überfordert, braucht Nachhilfe, 4. Schritt: viele Eltern sehen sich dazu nicht imstande und fordern die Ganztagsschule ohne Hausaufgaben – und schon hat man die vermeintliche „Chancengleichheit“ hergezaubert! Der erwünschte grün-rote Nebeneffekt: Der Störfaktor Kind ist verlässlich eliminiert, so dass die Eltern vollzeitig ihrem Erwerb nachgehen, und wenigstens tagsüber so leben können, als hätten sie keine Kinder.

Bärbel Fischer

23 Gedanken zu „Einheitsschule – im Galopp!

  1. Zur Erinnerung an die letzte Landtagswahl: GRÜN-ROT fuhr einen fulminanten Sieg ein, obwohl vorher klar war, dass Baden-Württemberg sein gut funktionierendes Bildungssystem verlieren und die Einheits- bzw. Gemeinschaftsschule kommen würde.
    Leider ist auch in anderen Bundesländern immer wieder zu beobachten, dass die Bildungspolitik bei den Wählern eine untergeordnete Rolle spielt. Seltsamer Weise scheinen sich die Bürger in diesem Punkt darauf zu verlassen, dass schon irgendwie das Richtige getan wird.
    Eigentlich verwunderlich angesichts des Pisa-Schocks vor ca. 10 Jahren. Durch ihn hätte man eigentlich merken müssen, dass ein Schulsystem auch ruiniert werden kann durch ständige Veränderungen, die nicht auf Erfahrungswissen setzen, sondern auf ideologisch begründeten Theorien. Sie machen Reformen zu aberwitzigen Experimenten an lebenden Objekten.
    Nicht erst die Pisa-Ergebnisse waren ihre Geburtsstunde. Sie begannen bereits Jahrzehnte zuvor und verursachten ganz wesentlich das erschreckende Pisa-Resultat. Kritiker und Warner sprachen immer wieder von einer gefährlichen „Reformitis“ oder „Reformwut“. Das bezahlten sie in der Regel allerdings mit dem Ruf von altbackenen Fortschrittsfeinden.
    Ganztägige Einheitsschulen – davon bin ich fest überzeugt – sind in erster Linie eine weitere Keule zur Zerschlagung der Familien. Dieses Ziel von Grün-Rot hat Vorrang vor dem genauso schäbigen Wunsch, alle Kinder durch die Schulen gleichermaßen minder zu bemitteln, weil ein gut gebildetes Bürgertum schlechter zu lenken ist als ein trotteliges.
    Vor allem aber kann ein Bürgertum schlecht bevormundet werden, wenn die Einzelnen unterschiedlich viel wissen und nicht dazu erzogen wurden, in gleicher Weise zu denken und zu urteilen. Diese Unterschiede liefern aber nicht die Einheitsschulen, die nach vorgegebener 0-8-15-Methode unterrichten, sondern die unterschiedlichen Familieneinflüsse. Und die gilt es – vor allem nach Meinung der Grünen – auszuschalten.
    Immer wieder lese ich im Zusammenhang mit den Einheits- bzw. Gemeinschaftsschulen, hier sei „Bildungsromantik“ am Werk. Das ist mitnichten so. Hier ist knallhartes, raffiniertes und die Folgen einplanendes Handeln am Werk. Wer den Grünen nur Naivität unterstellt, ist meiner Meinung nach selbst naiv.

  2. Danke , Frau Prasuhn, so ist es! Die Einheitsschule wird ein Einheitsniveau auf mittelmäßigem Level hervorbringen, das sich auf GRÜN „Chancengleichheit“ nennt. Familien werden zu Schlafgemeinschaften verkommen. Ich kann nur hoffen, dass die Schwäbische Zeitung meinen LB bringt, damit die oberschwäbischen Wähler sich nicht weiter von GRÜNROT blenden lassen. Immerhin haben es die grünlastigen Lehrerkollegien inzwischen begriffen, was mit dem linken Gebräu auf sie und auf unsere Jugend zukommt. Nicht die Haushaltskonsolidierer, sondern die Gesellschaftsveränderer sind am Werk!

  3. Die Ganztagsschule lehne auch ich ab. Einheitsschule müsste genauer definiert werden. Generell bin ich eher ein Befürworter dieses Systems. Die Abschaffung der Grundschulempfehlung ist ein längst überfälliger Schritt. Wenn Intelligenz laut der Bildungsforschung ein dynamischer Prozess ist, dann ist es verantwortungslos, Eingliederungen in „starre Intelligenzstufen“ (Gymnasien, Realschule plus) zu einem bestimmten und auch noch so frühen Zeitpunkt vorzunehmen.
    Unzählige Faktoren beeinflussen Intelligenz. Jederzeit durchlässige Kurssysteme in allen Fächern bei freier Lehrerwahl auf Einheitsschulen wären vielleicht die Lösung.

  4. @Kerstin
    Bis heute ist meiner Meinung nach nicht eindeutig geklärt, was Intelligenz genau ist und wie sie sich entwickelt. Sogar die Messverfahren differieren und kommen zu abweichenden Ergebnissen.
    Die üblichen Intelligenztests gehen meinem Verständnis nach nicht von einem dynamischen Prozess aus, sondern von einer statischen Größe. Die Schwierigkeit der Testaufgaben ist nach Alter gestaffelt, um dynamische Einflüsse durch Lebensalter auszuschließen. Tests mit denselben Kindern zu unterschiedlichen Zeiten haben überraschend wenig an IQ-Unterschied ergeben, besonders nach dem ersten Lebensjahrzehnt. Jedenfalls habe ich das vor längerer Zeit mal gelesen. Ob es stimmt, weiß aber allein der Himmel.
    „Laut der Bildungsforschung“ ist ein guter Zusatz von Ihnen. Das ist nämlich der Knackpunkt. Ich denke, jeder Lehrer wird mir Recht geben, wenn ich sage, dass die Bildungsforschung immer mehr zum Sumpf verschiedenster Interessen geworden ist. So veröffentlicht die der SPD nahestehende Bertelsmann-Stiftung regelmäßig „wissenschaftliche“ Studien, deren Ergebnisse genau das „untermauern“, was SPD und Grüne in der Bildungspolitik wollen, z. B. ganztägige Krippenerziehung.
    Sie meinen zum Schluss: „Jederzeit durchlässige Kurssysteme in allen Fächern bei freier Lehrerwahl auf Einheitsschulen wären vielleicht die Lösung.“ Es wäre zu fragen, was das noch mit Einheitsschule zu tun hat. Diese basiert doch gerade auf dem Gedanken, im festen Klassenverband gemeinsam voneinander zu lernen. Binnendifferenzierung (mit enormer Unruhe und hohem Lärmpegel) gilt demnach als Lösung für die unterschiedlichen Begabungen und nicht die ständige Aufhebung der Gemeinschaft durch Auseinandergehen in verschiedene Kurse. Zum Schluss: Die freie Lehrerwahl ist fragwürdig. Erstens ist sie etwas realitätsfern und zweitens wäre zu bedenken, nach welchen Kriterien Kinder wohl ihre Auswahl treffen. Ob diese so ganz vernünftig und förderlich sind? Da sind Zweifel wohl berechtigt.

  5. „Die Einheitsschule wird ein Einheitsniveau auf mittelmäßigem Level hervorbringen…“
    Da bin ich noch skeptischer, Frau Fischer. Denken Sie an Ihre „Prognose für Deutschlands Elite 2030“, die Sie mit den Erfahrungen aus Schweden verbinden.
    Die schwedischen Professoren klagen nicht über die Mittelmäßigkeit ihrer Studenten, sondern über deren Dummheit. Was sie schildern, ist unterstes Niveau – sofern man von Niveau überhaupt noch reden kann. Nein, ganztägige Gemeinschaftsschulen (Einheitsschulen) bringen m. E. noch nicht einmal ein Mittelmaß hervor.
    Und fast noch schlimmer an der schwedischen Vorreiterrolle scheint mir die Beobachtung, dass Einheitsschulen sogar bei Studenten – also der sog. Elite der Schulabgänger – für rückgratlose, unmotivierte Jammergestalten sorgen, die sich permanent überfordert fühlen und das Heil nicht in eigener Anstrengung suchen, sondern in weiteren Erleichterungen.

    Angesichts der Tatsache, dass die jungen Generationen entscheidend wichtig sind für die Zukunft jeder Gesellschaft, stimme ich Ihrem letzten Satz voller Überzeugung zu: „Nicht die Haushaltskonsolidierer, sondern die Gesellschaftsveränderer sind am Werk!“

  6. Wenn wir noch nicht mal klären können, was Intelligenz ist, wie können wir uns dann anmaßen, nach Klasse 3,5 zu urteilen, wer welche Stufe der Intelligenz erreicht hat? Wir verspielen durch diese einmalige Auslese sehr viel Potential. Sie sagen ja selbst, dass Messverfahren differieren und zu abweichenden Ergebnissen kommen. Also scheint Intelligenz doch eine dynamische Komponente zu beinhalten.
    Hier ein schönes Beispiel wie Intelligenz allein schon durch Suggestion enorm gesteigert werden kann.
    http://www.welt.de/gesundheit/psychologie/article112397907/Was-man-ueber-andere-Menschen-denkt-wird-wahr.html
    Einheitsschule heißt für mich, keinem Kind zu suggerieren, auf einer „besseren“ oder „schlechteren“ Schule zu sein und dadurch wie bei obigem Link beschrieben eine bestimmte Intelligenz einzureden. Mir ist wichtig, in eigenem Lerntempo, bei sympathischen Menschen, überwiegend interessengeleitet lernen zu dürfen. Wir lernen nur von Menschen, die wir mögen. Angst und Unbehagen überschütten den Körper mit Stresshormonen und Lernen wird somit unmöglich. Was an freier Lehrerwahl realitätsfern sein soll, erschließt sich mir nicht.
    Ein fester Klassenverband ist für mich eher zweitrangig. Wenn Schüler frei entscheiden dürfen, bei welchem Lehrer sie lernen dürfen, dann bilden sich meist auch Gruppen, die harmonieren, auch weil der Lehrer größeren Einfluss auf seine Schüler haben wird. Die Konkurrenz unter den Lehrern würde steigen, da Unterricht wirklich vorbereitet und überlegt durchgeführt werden muss. Entschlossen bin ich gegen Ganztagsschule, da Freiraum bleiben muss für Muße, Kreativität und Familie.
    Indirekt zweifeln Sie an den Lehrern, wenn Sie glauben die Kinder würden nach falschen Kriterien ihre Auswahl treffen. Ich gehe davon aus, dass jeder Lehrer sein Fach beherrscht und somit keine falsche Auswahl getroffen werden kann.
    Die Aufteilung der Schüler nach Grundschulempfehlung ist überkommenes, falsches Elitedenken! Irgendwo habe ich gelesen, dass von 1000 Schülern, die ohne Grundschulempfehlung auf ein Gymnasium wechselten, ca. 70 % das Abitur schafften. Leider finde ich die Quelle nicht mehr, kann aber gerne intensiver suchen, falls Sie diese Zahlen anzweifeln. Sie sehen also, wie hoch scheinbar die Empfehlungs-Fehlerquote ist. Können wir als Nation uns diese Fehler leisten?

  7. Eine kurze Anmerkung: Die Schulen durchlaufen schon seit längerem einen grundlegenden Wandel. Einst waren sie Bildungsstätten für ein gründliche Erlernen der Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen sowie einiger nachgeordneter Disziplinen.
    Dieser Auftrag ist stark rückläufig zugunsten einer Verwahrung und Verpflegung der Kinder während des ganzen Tages. Kulturelle Lernaspekte werden immer zweit- und drittrangiger. Sie genießen nur noch in verbalen Absichtserklärungen eine gewisse Bedeutung.

  8. @Kerstin
    Sie schreiben: „…wie können wir uns dann anmaßen, nach Klasse 3,5 zu urteilen, wer welche Stufe der Intelligenz erreicht hat?“
    Kein Lehrer wird Ihre Behauptung bestätigen, dass er jemals das Erreichen einer Intelligenzstufe beurteilen musste. Woher haben Sie denn diese Vorstellung?
    Es geht immer nur um die Beurteilung von Leistungen in den einzelnen Fächern. Dabei spielt nicht nur die Intelligenz, sondern auch die Arbeitsmoral eine entscheidende Rolle. Sie können versichert sein, dass Fleiß und Anstrengungsbereitschaft so manches an Intelligenz in den Schatten stellen, wenn diese nicht gepaart ist mit dem nötigen Lernwillen. Intelligenz hilft nur dem, der sie zu nutzen weiß.
    Die Wirkung der sich selbst erfüllenden Prophezeiung ist hinlänglich bekannt. Aber ist die Schulform dafür so entscheidend?
    Ich bin auf dem Gymnasium einmal sitzengeblieben und ich kann Ihnen versichern, jeder Schultag war für mich über viele Monate hinweg eine einzige Qual. Ich fühlte mich als Dummkopf und schämte mich ständig. An manchen Tagen täuschte ich sogar Kranksein vor, nur um nicht zum Gymnasium gehen zu müssen. Da half das Bewusstsein, auf einer angesehenen Schule zu sein, nicht im Geringsten.
    Umgekehrt kenne ich ein Beispiel von Bekannten. Sie haben einen leicht lernbehinderten Sohn, der aber unbedingt die Regelschule besuchen sollte. Er tat es mit viel Nachhilfe bis ins dritte Schuljahr und wurde immer verhaltensgestörter. Schließlich gaben die Eltern ihren Widerstand gegen die Sonderschule auf. Und was geschah? Dort blühte der Junge in kürzester Zeit auf, fühlte sich seinen Mitschülern nicht mehr unterlegen und ging jeden Tag fröhlich zur Schule. Nur die Eltern hatten noch eine Weile mit der Sonderschule zu kämpfen, denn sie waren es gewesen, die mit der Schulform nicht zurechtkamen, und nicht der Junge. Die eigenen Interessen hatten sie aus egoistischen Gründen ihm zugeschoben. Es brauchte einige Zeit, um sich dieser Wahrheit zu stellen.
    Kinder vergleichen sich täglich mit den Mitschülern und machen sich dabei nicht die Schulform klar. Das machen die Eltern dafür umso mehr. Darum halte ich Einheitsschulen auch eher für den Wunsch mancher Eltern und nicht für den der Kinder. Kinder wollen nicht täglich Unterlegenheit spüren, und diese wird ihnen nicht erspart durch die Form der Schule.
    Zur Grundschulempfehlung für die weiterführenden Schulen glaube ich, ist nicht mehr viel zu sagen. Gut ist, dass es sie weiterhin gibt als Entscheidungshilfe für die Eltern. Im Übrigen können die Lehrer nur froh sein, dass sie diese Verantwortung mit den entsprechenden Scherereien endlich los sind. Vermutlich weint ihr auch kaum einer eine Träne nach.
    Bei dem, was Sie alles zur freien Lehrerwahl sagen, nur dies: Mir liegt so viel Widerspruch gegen Ihre schönen, m. E. aber auch wieder falschen Schlüsse auf der Zunge, dass ich mir lieber die Mühe spare, denn eine freie Lehrerwahl droht ja glücklicherweise noch nicht am Horizont. Warum also über ungelegte Eier diskutieren?

  9. @ Peter L.
    Wenn Leistung aus Arbeitsmoral und Intelligenz besteht, dann beurteilt man sehr wohl auch die Intelligenz. Und auch Arbeitsmoral ist nichts Statisches. Jetzt bitte nicht ins Erbsenzählen abschweifen. Sie wissen doch ebenso wie ich, dass sogar die soziale Stellung des Elternhauses über die weiterführende Schule entscheidet. Es ist meist die subjektive Entscheidung einer Grundschullehrerin (Männer sind ja kaum zu finden), die über die Laufbahn eines Schülers entscheidet. Wäre ich Lehrer, würde ich mich definitiv weigern, solch ein Orakel auszusprechen.
    Durch Bekannte habe auch ich Einblick in Sonderschulen. Ich kann mehr Negatives als Gutes berichten. Viele Schüler dort sind nicht nur lernbehindert, sondern verhaltensgestört, aggressiv und kriminell, was sogar von den dortigen Lehrern bestätigt wird. Dass solch ein Umfeld förderlich für den Lernprozess ist, bezweifele ich stark. Ein Kind aus unserem Bekanntenkreis ist nach der Herausnahme aus einer Sonderschule regelrecht aufgeblüht.
    Sie können von einem Kind nicht erwarten, zumindest nicht in der vierten Klasse, wenn die Grundschulempfehlungen ausgesprochen werden, die Tragweite zu erkennen, die die unterschiedlichen Schulformen nach sich ziehen. Mit älteren Schülern können sie sehr wohl über die Dreigliedrigkeit diskutieren und werden feststellen, dass auch sie sich einen Systemwechsel durchaus vorstellen können.
    Warum über ungelegte Eier sprechen? Wir leben in einer Demokratie und sollten versuchen, uns am Gestaltungsprozess zu beteiligen. Über Zukunft und Wandel zu diskutieren, bedeutet immer über ungelegte Eier zu sprechen.
    Aber im Sinne unserer Kinder, die täglich auch mit den negativen Auswirkungen unseres Bildungssystems zu kämpfen haben (vielleicht zählt auch das ADHS-Problem dazu), sollten wir über sinnvolle Veränderungsprozesse nachdenken. Schade, dass es Ihnen zu viel Mühe ist, Ihre Widersprüche aufzuzählen. Mich hätten sie im Sinne einer fruchtbaren Diskussion wirklich interessiert.
    Hier habe ich noch eine schöne Aussage von John Hattie, Bildungsforscher, gefunden:
    Hattie kritisiert zudem das dreigliedrige Schulsystem. „Ich finde es bemerkenswert, dass Deutschland die Frage löst, was ein Mensch im Alter von 20, 30 oder 40 sein wird, wenn dieser Mensch gerade mal 10 Jahre alt ist,“ so der Bildungsforscher. „Mit dem rigiden System der weiterführenden Schulen verlieren Sie unheimlich viele Talente. Das könnte den Unterschied machen, denn Kinder ändern sich in diesem Alter noch dramatisch. In Deutschland muss man sich zu früh entscheiden, ob man in Hauptschule, Realschule oder Gymnasium kommt.“

    Dem kann ich mich nur anschließen.

  10. Die Grundschulempfehlung ist ja nicht ein Urteil auf Lebenszeit. Es gibt / gab zumindest in BW ein überaus durchlässiges System, das auch Spätentwicklern gerecht wurde. Zudem stützte sich die GE nicht allein auf den Notendurchschnitt, sondern eben auch auf die Einschätzung aller in der Klasse unterrichtenden Lehrer und die Gespräche mit den Eltern. Dabei spielen natürlich Arbeitshaltung, Fleiß, Engagement, Interesse, Durchhaltevermögen und die Art der Begabung eine große Rolle. Tut sich ein Kind schwer mit abstrakten Lerninhalten wie Grammatik und Mathematik, kann es Regeln für den Aufsatz nicht anwenden, wird es im Gymnasium wenig Freude haben. Wer sagt denn, dass Realschule und Hauptschule Kinder nicht fördern und zu einem passablen Abschluss bringen? Wer sagt denn, dass Hauptschüler die Versager sein müssen? Ich kenne Hauptschüler, sogar solche mit ausländischen Wurzeln, die sich mit Fleiß weit hoch gearbeitet haben.

    Zudem wird man Lehrern doch hoffentlich noch ein gerüttelt Maß an Professionalität zubilligen dürfen. Denn wer täglich die Schüler vor, neben und um sich hat, der kennt sie gut genug, um zu sagen, wie sie arbeiten, wo ihre Stärken und Schwächen liegen. Traut man als Eltern den Lehrern nicht mehr über den Weg, schlägt man ihre Befürchtungen und ihren Rat blindlings in den Wind, dann sollte man sein Kind lieber selbst unterrichten, was ja leider nach der Gesetzeslage nicht statthaft ist. Nicht alle Lehrer sind vorzügliche Pädagogen, aber die meisten sind Profis.

    In den Fünfzigerjahren mussten die AnwärterInnen für das Gymnasium eine Aufnahmeprüfung in Deutsch und Mathematik absolvieren. Punkt! Später ging man zum Wohl des e i n z e l n e n Schülers zu der wesentlich differenzierteren GE – Methode über. Die Statistik besagt, dass 90,4 % aller Grundschulempfehlungen von den aufnehmenden Schulen als zutreffend eingestuft wurden. Ein funktionelles Instrument wie die GE über Bord zu werfen heißt m. E. die Schülerpersönlichkeit zu missachten, das Kind allein zu lassen und es zu überfordern.

    Heute klagen die Gymnasiallehrer über einen Großteil von Schülern in Klasse 5, dem jegliche Voraussetzung für die gymnasiale Weiterbildung fehlt. Neuerdings muss schwachen Schülern bei der Beurteilung von Tests sogar von Amts wegen ein Bonus gewährt werden. Wer also eine 5 verdient hätte, kommt mit Bonus vielleicht auf 4,3 ! Bravo! Was ist dann eine 2 ohne Bonus wert?

    Der geneigte Leser erkennt unschwer, worum es bei der Schulreform geht – um Gleichmacherei, die sich als „Chancengleichheit“ ausgibt.

  11. Ja, in John Hattie findet sich anscheinend jeder mit seiner Meinung wieder. Ich finde mich z. B. durch seine Aussage bestätigt, dass keine Schulform, kein System und keine Methode so entscheidend sind wie der Lehrer.
    Diese Ihre Meinung über Förderschulen für Lernbehinderte kann ich leider nur bestätigen: „Viele Schüler dort sind nicht nur lernbehindert, sondern verhaltensgestört, aggressiv und kriminell,..“ Meine Bekannten hatten allerdings das Glück, dass ihr Sohn in seiner Klasse keinen dieser Typen hatte. Aber was beweist das?
    Meiner Meinung nach beweist das, dass unter den Förderkindern besser differenziert werden muss und es mehr Extra-Förderschulen für verhaltensgestörte und kriminelle Kinder geben muss. Also mehr Differenzierung statt weniger zum Wohle jedes Einzelnen.
    Bei der Einheitsschule läuft es allerdings genau anders herum. Da werden noch mehr unterschiedliche Schüler in einen Topf geworfen. Kann das gut sein? Meiner Meinung nach nicht. Die Landesregierungen sparen bei immer mehr inklusivem statt exklusivem Lernen viel Geld. Dennoch scheint mir, dass ihnen diese Haushaltskonsolidierung weniger wichtig ist als die Zusteuerung auf einen sozialistischen Staat, bei dem m. E. jedes Individuum zu kurz kommt und letztlich nicht ein Mehrgewinn verteilt wird, sondern nur der Verlust aller. Die offizielle und in den Medien verbreitete Theorie lautet allerdings anders.
    Auch in dieser Aussage muss ich Ihnen zustimmen: „Warum über ungelegte Eier sprechen? Wir leben in einer Demokratie und sollten versuchen, uns am Gestaltungsprozess zu beteiligen. Über Zukunft und Wandel zu diskutieren, bedeutet immer über ungelegte Eier zu sprechen.“
    Dennoch nur dies zur freien Lehrerwahl: Meine Tochter musste sich als fast Erwachsene in der gymnasialen Oberstufe auf ihre Leistungskurse festlegen, deren Zensuren entscheidende Bedeutung hatten für die spätere Abiturnote. Und was machte „das dumme Huhn“? Es wählte nicht die Fächer seiner Begabung und Interessen, sondern die Fächer jener Lehrkräfte, die bekannt waren für geringe Anforderungen und gute Noten.
    Das hat mir einiges klargemacht

  12. @Bärbel Fischer
    Die Grundschulempfehlung ist kein Urteil auf Lebenszeit. Theoretisch stimmt das schon. Leider ist die Durchlässigkeit nach „unten“ viel höher als die nach „oben“. Ist doch seltsam nicht? Vor drei Jahren konnte unser Realschulrektor auf die Frage, wie viele Kinder in seiner Erinnerung nach oben gewechselt seien, diese an einer Hand abzählen.
    Mir ist schleierhaft, warum man ein System verteidigt, das zu hohe Fehlerquellen und zu wenig Chancen bietet.
    Vielleicht kennen Sie auch die Aussage eines Schulleiters in der Talksendung von Günther Jauch, der meinte, 50 % seiner Kollegen hätten ihren Beruf verfehlt.

    Bei freier Lehrerwahl würde sich schnell die Spreu vom Weizen trennen.
    Versager ist ein Wort, das ich in Zusammenhang mit Schülern niemals ernsthaft gebrauchen würde. Kein Kind ist für mich ein Versager!
    Natürlich bestätigen die aufnehmenden Schulen die Grundschulempfehlungen. Hier kann ich wieder auf den Verweis des Anwachsens der Intelligenz allein durch Suggestion verweisen. Aber wenn Sie an meinen Vergleich in früherem Kommentar von 1000 zu 70 % denken, dann scheint da regelmäßig Talent übersehen worden zu sein.
    Hier noch eine schöne Aussage von Hattie die die vermeintlich schlechten, immer dümmer werdenden Schüler betrifft:
    Viel zu viele Lehrer, kritisiert Hattie, erklärten die fehlenden Lernfortschritte mit den Schwächen ihrer Schüler: dem Mangel an Fleiß, der falschen Eignung oder der fehlenden Unterstützung des Elternhauses. Stattdessen müsse der Lehrer sich fragen, was er falsch macht, wenn seine Klasse beim Lernen nicht vorankommt.

    Vergleiche mit den Verhältnissen vor 50 Jahren bringen in diesem Fall meiner Meinung nach nichts. Wenn Sie bedenken, dass sich Wissen in immer kürzer werdenden Abständen verdoppelt, dann ist das, was Kinder heute wissen sollen, doch viel umfangreicher als das Wissen von damals. Viele Lehrer meiner Kinder, haben, was EDV-Wissen betrifft, und welches heutzutage doch eigentlich als Kulturtechnik schon Einzug in die Schulen gefunden haben sollte, den Stand eines Kindergartenkindes, urteilen dann aber über Schüler, die regelrechtes Fachwissen auf diesem Gebiet besitzen aber angeblich immer dümmer würden.

    Wenn Erkenntnisse aus der Bildungsforschung und noch dazu eines ausländischen Forschers, dem politische Entwicklungen in Deutschland wahrscheinlich eher egal sein werden, mit Weiterentwicklungsunwille und leicht gestriger Einstellung übergangen werden, dann sorge ich mich wirklich um sinnvolle Änderungen im bisherigen System.
    Ich möchte keinesfalls alle Menschen gleichmachen, das wird hoffentlich sowieso nie gelingen. Dennoch wünsche ich mir für unser Land, dass wir Talente nicht vergeuden durch einmalig getroffene Einsortierung von – zumeist Einzelpersonen – in ein veraltetes, starres System. Das schreit doch nach Veränderung.

    @Peter L.
    Wenn der Lehrer so entscheidend ist, dann wäre es doch gerade gut, man könnte ihn sich selbst auswählen. Weiterhin stellt sich mir dann natürlich auch die Frage, welche Qualitätskriterien wir für den Lehrer ansetzen? Über Schüler urteilen wir ständig. Wir zählten bei unserer Tochter im letzten Halbjahr ca. 54 Leistungsbeurteilungen. Wer urteilt über die Leistungen der Lehrer? Hier wären Eltern und Schülern zugängliche Leistungsbeurteilungen dringend einzuführen, wenn der Lehrer tatsächlich so entscheidend ist. Wir haben drei Kinder im Schulsystem. Noch nie hat ein Lehrer, um Feedback zu erhalten, Fragebögen seinen Unterricht betreffend ausgegeben. Die Lehrer scheinen an Rückmeldungen nicht interessiert. Beamter auf Lebenszeit, was kümmern einen da die Meinungen der Schüler?
    Ich hatte bereits erwähnt, dass ich mir ein jederzeit durchlässiges Kurssystem in allen Fächern vorstelle. Auch hier würde differenziert, mit Gleichmacherei hat das nichts zu tun.
    Zu Ihrer Tochter kann ich nur sagen, und hiermit bestätigt sich mein o. g. Argument, scheinbar brauchen wir tatsächlich Leistungsbeurteilungen für Lehrer. Gefälligkeitsnoten dürfen nicht das Ziel sein.

  13. Es fällt mir schwer, Ihnen zu folgen, was daran liegen mag, dass ich Ihre Vorbehalte gegen die Lehrer nur dann nachvollziehen kann, wenn ich mir vorstelle, dass Sie auf Grund schlechter Erfahrungen ein riesiges Misstrauen gegen diesen Berufsstand entwickelt haben.
    Mit der Geschichte von meiner Tochter wollte ich doch nur warnen vor der Lehrerwahl, die Sie als Fortschritt ansehen. Kinder gehen leider nicht danach, bei welchem Lehrer sie am meisten lernen, sondern danach, bei welchem sie sich möglichst wenig anstrengen müssen, welcher für Kurzweil sorgt, kaum Hausaufgaben aufgibt und gute Zensuren erteilt ohne entsprechende Leistung. Zu Hause wird dann von diesem Lehrer geschwärmt, was Eltern dazu bringt, ihn für einen guten Pädagogen zu halten. In meinen Augen ist er aber ein schlechter, obwohl er bei einer Lehrerwahl gut abschnitte. Lehrerwahlen bedeuten für mich die Gefahr, genau die falschen Lehrer zu loben, die ihrem Beliebtheitsgrad fröhnen und sich weniger dem Fortkommen der Schüler verpflichtet fühlen.
    Meine Tochter hat ihre Lehrerwahl genau nach diesen Kriterien getroffen und es später bereut.
    Was denn nun? Lehrerwahl durch die Schüler ja oder nein? Es geht nicht, eine populistische Lehrerwahl zu befürworten, um dann zu sagen: “ scheinbar brauchen wir tatsächlich Leistungsbeurteilungen für Lehrer. Gefälligkeitsnoten dürfen nicht das Ziel sein.“

  14. @Kerstin
    Mit Ihren Kommentaren sprechen Sie meiner Meinung nach immer wieder etwas Richtiges an, das sich mit einer freien Lehrerwahl aber tatsächlich schlecht vereinbaren lässt. Es können sogar Effekte auftreten, die das Gegenteil dessen bewirken, was Sie wollen. Herr Peter L. hat dazu Einleuchtendes gesagt.
    Sie gehen in Ihrer Argumentation von der Tatsache aus, dass es gute und weniger gute Lehrer gibt, was für die Schüler ein gewisses Lotteriespiel bedeutet. Da haben Sie sicher Recht. Dasselbe Studium macht noch lange nicht dieselben Lehrer. Sogar Abschlussnoten sagen nichts aus über die Qualität in der späteren Praxis – was übrigens für alle Berufe mehr oder weniger zutrifft.
    Im Unterricht zählt nicht allein die Fachkompetenz, sondern mindestens ebenso die Persönlichkeit des Lehrers.
    Eine wichtige Eigenschaft ist z. B. das Gespür für einzelne Schüler, für Situationen oder Gruppenatmosphäre. Auch Phantasie ist gefragt für passende Vorgehensweisen. Weiter braucht ein Lehrer Authentizität und Durchsetzungsvermögen gegenüber den Schülern, aber auch gegenüber Eltern und anderen Personen. Mut braucht er, um eigene Wege zu gehen, um sich nicht nur an Rezepte zu klammern und ggf. notwendige, aber unpopuläre Entscheidungen zu treffen. Nicht zuletzt braucht er noch ein Verhalten, das die Schüler als grundsätzlich wohlwollend und gerecht empfinden, auch wenn sie hin und wieder mit einer Entscheidung hadern.
    Man könnte die Liste fortsetzen. Sie soll auch nur andeutungsweise zeigen, wie viele Persönlichkeitsmerkmale in den Lehrerberuf hineinspielen. Wenn alle Lehrkräfte auch studiert haben, so erweist sich doch erst im Schulalltag, wer der „geborene“ Lehrer ist und wer nicht. Wer das nicht ist, hat immerhin über die Ausbildung ein Wissen mitbekommen, das er anwenden kann und das ihn zum Profi macht, wenn auch vielleicht nicht zu einem exzellenten.
    Sie wünschen sich nun eine Lehrerwahl für die Kinder. Peter L. hat seine berechtigten Bedenken bereits geäußert. Ich schiebe sie mal zur Seite und tue so, als spielten sie keine Rolle und die meisten Kinder wählten mit Vernunft, dem richtigen Riecher und nicht zuletzt dem Wunsch ihrer Eltern die „geborene“ Lehrkraft aus. Wie soll diese den Andrang bewältigen und was machen die „verschmähten“ Kollegen oder Kolleginnen? Rettung kann hier nur ein Losverfahren sein, das m. E. um nichts besser ist als die bisherige Praxis. Im Gegenteil.
    Lehrerbeurteilungen und Lehrerrankings haben ihre Tücken. Wenn es nur darum ginge, manche Lehrer fleißiger zu machen, hätten sie noch Sinn. Da ich jedoch nicht der Meinung bin, dass hier im Vergleich zu anderen Berufsständen ein besonderes Problem vorliegt – wie leider immer wieder behauptet – frage ich mich, was solche Lehrerbeurteilung soll? Glaubt man, dadurch die Persönlichkeit ändern zu können? Man kann höchstens Lehrer zu einem Konkurrenzkampf zwingen, der Blüten treibt, die erst recht Missfallen erregen.
    Neulich las ich in einem Kommentar diese Aufforderung: „Lasst endlich die Lehrer in Ruhe! Dann lernen auch die Schüler wieder besser.“
    Genau das ist auch meine Meinung.

  15. Noch nie gab es auf dieser Seite eine derart heftige Debatte um die Persönlichkeit des Lehrers. Ein Beweis dafür, dass es weniger auf das Fachwissen als auf dessen pädagogische Kompetenz ankommt. Viele Schüler haben Glück mit ihren Lehrern, andere weniger. Aber auch in der Schule ist es wie im richtigen Leben: manche Mitmenschen liegen uns, andere weniger oder gar nicht. Trotzdem lernen wir, mit unterschiedlichen Persönlichkeiten mehr oder weniger klar zu kommen. Meine Klassen mussten sich, trotz Elternprotest, nach allen Ferien umsetzen, so dass auch weniger beliebte Schüler neue Nachbarn bekamen. Nun mussten sich gut begabte, interessierte Schüler mit hyperaktiven bis chaotischen Mitschülern befassen, ihnen zeigen, wie man zielorientiert arbeitet, wie man Ordnung hält, wie man Unwichtiges von Wichtigem trennt. Andererseits lernten die Leichtlerner, dass es Menschen gibt, denen schwer fällt, was ihnen selbst mühelos gelingt. – eine Schule für das Leben!
    Warum soll Schule ihre Kinder vom realen Leben fernhaften? Eine freie Lehrerwahl halte ich selbst für realitätsfern. Wir können uns im Leben nicht den Wunschchef aussuchen, nicht den Idealpartner, nicht den Nachbarn ohne Fehl und Tadel. Wir müssen uns mit den Mängeln der Realität abfinden oder ein Einvernehmen anstreben – ohne Garantie auf Erfolg.

  16. Zitat: „Vielleicht kennen Sie auch die Aussage eines Schulleiters in der Talksendung von Günther Jauch, der meinte, 50 % seiner Kollegen hätten ihren Beruf verfehlt.“
    Ich habe die Sendung gesehen und nur den Kopf geschüttelt über diesen Rektor. Seine Selbstgefälligkeit war widerlich. Die eigenen Leistungen herauszustreichen, indem man die der anderen in die Mülltonne tritt, ist unverzeihlich. Sogar wenn er Recht hätte, was er nicht hat, hätte er so etwas niemals sagen dürfen. Was bringt dies außer Anfeuern von Misstrauen gegen die Lehrer?
    Was würden Mütter sagen, wenn eine Mutter bei Günther Jauch behaupten würde, 50% aller Mütter dürften eigentlich keine Kinder haben, weil sie nicht in der Lage seien, ihre Kinder richtig großzuziehen?

  17. @Ursula Prasuhn
    Die verschmähten Lehrer müssten jetzt tatsächlich überlegen, warum die Schüler ihren Unterricht nicht besuchen möchten. Selbstreflexion, vielleicht der erste Schritt, ein besserer Lehrer zu werden. Den eigenen Unterricht hinterfragen, mit Kollegen Unterrichtsstrategien besprechen, bei „erfolgreichen“ Kollegen hospitieren. Und bei mehrmaliger Nichtwahl – Austritt aus dem Kollegium. Eine Schule ist ja keine soziale Einrichtung derart, dass dort Menschen beschäftigt bleiben sollten, deren Leistung „ungenügend“ ist. Wenn der Lehrer kein Verhältnis zum Schüler aufbauen kann und er tatsächlich dauerhaft verschmäht würde, wäre er fehl am Platz.
    „Lasst endlich die Lehrer in Ruhe!“
    Lehrer unterrichten Kinder und Jugendliche, die in der Regel in Diskussionen oder bei Streitigkeiten verbal dem Lehrer stets unterlegen sein werden. Wenn nicht wir Eltern diesen Berufsstand ab und an und oft auch zu Recht kritisieren würden, wer würde es denn dann tun? Unabhängige Schülergewerkschaften oder ähnliche – dem Schüler zugeneigte – Institutionen gibt es ja leider noch nicht. Im Gegenteil – ich bin der Meinung, wir Eltern sollten uns viel öfter trauen, zu hinterfragen und zu widersprechen. Wenn ich Elternversammlungen besuche, dann wundere ich mich oft über die devote Haltung vieler Eltern, überfreundlich oft – vielleicht aus Berechnung?
    Egal, welchen Beruf man heute ausübt, überall bestimmen Umsatz-, Kunden-, Takt- und andere Messzahlen sowie Zufriedenheitsuntersuchungen bei Kunden den Alltag. Lediglich Lehrer, die in Bildung der Nachfolgegeneration an wichtigen Schaltstellen sitzen und denen man enorme Verantwortung zuteilt, werden in ihrem Leistungsvermögen nicht erfasst.
    Den Konkurrenzkampf zwischen Schülern, die andauernden Leistungsbeurteilungen in Gruppen ausgesetzt sind, betrachten wir als förderlich, in der Lehrerschaft soll er missfallende Blüten treiben, seltsam. Ich bin der Meinung Konkurrenz belebt das Geschäft. Einige Ausführungen folgen noch „bei @Bärbel Fischer“.

    @Bärbel Fischer
    Ich bin ja unbedingt für die Einheitsschule, halbtags, mit durchlässigem Kurssystem und freier Lehrerwahl, das habe ich ja in früheren Kommentaren schon erläutert. Hier ist das Umsetzen der Kinder gar nicht mehr nötig, da sich durch die verschiedenen Kurse sowieso neue Zusammensetzungen bilden würden. Eine freie Lehrerwahl hat nichts mit Wunschchef zu tun. Ich kann ja nur die Lehrer wählen, die an meiner Schule unterrichten. Ganz so realitätsfern, wie Sie meinen, ist dieser Ansatz nicht. Wenn es um Arbeitsgemeinschaften oder Projektwochen geht, gibt es doch solche Modelle schon und sie funktionieren. Interessanterweise gibt es dann immer wieder Lehrer, die kein eigenes Projekt anbieten. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Ich gebe Ihnen recht, dass jedes System Mängel haben wird, aber jede Generation sollte alte Mängel beheben dürfen, auch auf die Gefahr hin, dass sich vielleicht neue ergeben. Mein Ansatz der freien Lehrerwahl ist ein ganz persönlicher, den meine Kinder aber genial finden. Vielleicht sollten Verantwortliche wirklich mal ernsthaft darüber nachdenken. Und auch für den Lehrer ist es doch eine tolle Bestätigung, wenn Kinder frei gewählt von ihm lernen möchten.

    @M.Sch.
    Die Wahrheit ist vielleicht bitter, aber wenn dieser Rektor um eine ehrliche Meinung gebeten wurde, so muss er seine ehrliche Meinung auch äußern dürfen. Ich kenne übrigens einige Menschen, die die Meinung des Rektors teilen.
    Und wenn, um bei Ihrem Beispiel zu bleiben, eine Mutter diese Meinung über andere Mütter vertritt, dann sollte sie dies ebenfalls äußern dürfen.
    Auch „wir“ Diskutanten vertreten doch persönliche Meinungen und diese frei äußern zu dürfen, muss immer wieder verteidigt werden.

  18. Natürlich bin ich für freie Meinungsäußerung! Ebenso bin ich aber auch dafür, Meinungen kritisieren zu dürfen, so wie ich das hier tue und Sie ebenfalls.
    Ich kenne auch Menschen, die die Meinung teilen, dass die Kinder in Krippen und ganztägige Betreuungseinrichtungen müssten, weil die meisten Eltern ihre Kinder nicht richtig erziehen.
    Diese Behauptung halte ich für ebenso falsch und zweckgerichtet wie die Äußerung des Rektors.

  19. @M.Sch.
    Ich bin immer für Kritik in der Sache und Austausch. Zu Ihrem Beispiel kenne ich Zahlen eines Bundestagsabgeordneten, der lange Jahre im Sozialbereich tätig war. Dort man hat wohl herausgefunden (auf Anfrage wird einem dies sicher auch bestätigt), dass 90 % der Eltern sehr wohl in der Lage sind, ihre Kinder richtig zu erziehen, was auch immer darunter zu verstehen ist. Wenn man Behauptungen durch Zahlen belegen kann, ist das natürlich zunächst glaubwürdiger. Zahlen für Ihre Behauptung bleiben Sie leider schuldig. Im Gegenteil Sie kennen, wenn Sie die wunderbare Seite von Frau Fischer regelmäßig besuchen, bestimmt die Studien, die eindeutig belegen, dass Krippenbetreuung eher schadet als nützt. Und wenn wir die Kinder nicht ihren Eltern überlassen sollten, weil sie angeblich nicht in der Lage sind, sie zu erziehen, dann müssten wir sie konsequenterweise ganz aus der Familie nehmen. Dieser Ganztags- und Krippenbetreuungsunsinn gehört mehr als kritisch hinterfragt und ist meiner Meinung nach ausschließlich politisch und wirtschaftlich motiviert. Für mich ist das staatlich organisierter Kindesmissbrauch!
    Und im Falle des Rektors wäre es natürlich wünschenswert, er könnte dies belegen. Da es keine Leistungserhebungen den Lehrer betreffend gibt, leider, oder sie mir zumindest nicht bekannt sind, kann er nur aus seiner Erfahrung sprechen, die scheinbar solche Rückschlüsse zulässt. Lehrer genießen in der Öffentlichkeit immer noch so eine Art Immunität, warum das so ist, ist mir auch ein Rätsel.
    Keinesfalls möchte ich Lehrer verteufeln. Ich hatte einige tolle Lehrer und bei meinen Kindern ist das ähnlich.

  20. „Dieser Ganztags- und Krippenbetreuungsunsinn gehört mehr als kritisch hinterfragt und ist meiner Meinung nach ausschließlich politisch und wirtschaftlich motiviert. Für mich ist das staatlich organisierter Kindesmissbrauch!“
    Hier bin ich ganz Ihrer Meinung, Kerstin.
    Über die Elternschiene wollte ich ja auch nur klarmachen, wie fragwürdig negative Pauschalurteile sind und wie gern sie benutzt werden, um politische, wirtschaftliche, persönliche oder auch ideologische Eigeninteressen durchzudrücken.
    Sie sagen auch noch: „Konkurrenz belebt das Geschäft.“ Auch hier bin ich bei Ihnen, glaube aber nicht, dass das innerhalb eines Monopols so funktioniert, wie Sie sich das vorstellen. Und der Staat hat nun mal das Schulmonopol, auch wenn es einige Privatschulen für größere Geldbeutel gibt. Sie sind jedoch keine wirkliche Konkurrenz.
    Nun streckt die politische Führung auch noch die Pfoten nach jenen Kindern aus, die er nicht durch die Schulen unter Kontrolle hat, weil sie zu jung sind. Viele Politiker tun vorsorglich schon mal alles für eine geschickte Diffamierung der Elternfähigkeiten, um wahrscheinlich auch noch die Kitapflicht problemlos einführen zu können. Jedenfalls ist das meine Befürchtung.
    Und dann sind die ErzieherInnen dran als Blitzableiter für unzufriedene Eltern. Ihre mangelnde Anzahl, ihre mangelnden Fähigkeiten und ihr mangelndes Engagement müssen dann vermutlich herhalten, damit der Blick ja nicht auf den Kern des Übels fällt. Dann wird sich bestimmt auch wieder die ein oder andere staatlich bedienstete Führungskraft einer Kindertagestätte finden lassen, die ein Millionenpublikum in aller Ehrlichkeit darüber aufklärt, dass Kita-Probleme allein auf dem Personal beruhen, das zu 50% unfähig ist.

  21. Ein bekanntes Sprichwort sagt: Gut Ding will Weile. Das grösste Problem unserer Zeit ist, dass wir glauben keine Zeit mehr zu haben und Kinder deshalb keine Zeit mehr bekommen zu reifen. Deshalb muss die frühkindliche Bildung in die Vorkindergartenzeit (1-3 Jahre), die ersten beiden Grundschuljahre in die Kindergartenzeit (3-6 Jahre) und so weiter. Alles ist getaktet und genormt und nimmt auf die einzelnen Bedürfnisse der Kinder keine Rücksicht. Jedes Schuljahr gibt es Änderungen im System denen sich Lehrer während des Jahres anpassen sollen und bis das Schuljahr vorbei ist, gibt es die nächste Schulreform. Ich habe in meiner Zeit als Elternbeiratsvorsitzende selbst erlebt, dass Lehrer unter massiven Druck von Eltern gesetzt wurden, denen die Wissensvermittlung an ihre Kinder nicht schnell genug vorwärts ging und mit Klagen gedroht haben: ihre Kinder würden benachteiligt. Tatsächlich hat aber die Lehrkraft versucht, alle Kinder mitzunehmen und den Lernstoff zu vertiefen. Die Konsequenz aus dieser Geschichte war, dass die Lehrkraft von da an, die möglichen Spielräume nicht mehr genutzt, sondern die schulischen Vorgaben ohne Rücksicht auf die Kinder DURCHGEZOGEN hat. Ein anderer Fall: ein sehr engagierter Lehrer der Inklusion vorantreiben wollte wurde von Eltern auf recht „brutale Weise“ ausgebremst. In Berlin (stand sogar in der Zeitung) wurde eine Lehrerin aus der Schule gemobbt weil ihre Klasse so gut war. Wer also hat Schuld – sofern man von Schuld reden kann? Die Eltern – die Lehrer – das Kultusministerium? Interessant in diesem Zusammenhang ist vielleicht auch der neueste Beitrag: Tausende Lehrer brauchen in den Sommerferien Hartz IV
    http://www.zeit.de/gesellschaft/schule/2013-05/lehrer-sommerferien-arbeitslos
    Unter solchen Bedingungen wollte ich kein Lehrer sein. Wenn Lehrer tatsächlich so wichtig für unsere Kinder sind, warum werden sie dann so behandelt? Denn eins ist sicher: Leidtragende sind unsere Kinder!

  22. „Das grösste Problem unserer Zeit ist, dass wir glauben keine Zeit mehr zu haben und Kinder deshalb keine Zeit mehr bekommen zu reifen.“
    Genauso ist es, Frau Erdmann! Kinder sind immer mehr Getriebene und Versuchskaninchen. Dabei werden sie in der Lernentwicklung mehr behindert als gefördert. Manche zeigen als Abwehrreaktion gegen diese Hektik sogar „Krankheiten“ wie ADS oder AHDS.

  23. @Kerstin
    Verstehen Sie bitte das folgende Zitat aus einem Lehrerforum nicht als Seitenhieb, sondern als Versuch, Ihnen aufzuzeigen, wohin es führt, wenn Lehrer und Eltern sich auseinanderdividieren lassen. Beide Seiten tun damit nur dem lachenden Dritten und seinen Helfershelfern einen Gefallen, die Nutznießer dieses Disputs sind, weil sie als primär Schuldige ungeschoren davonkommen, während sich die erwachsenen Opfer verfehlter Bildungspolitik – Eltern und Lehrer – gegenseitig in die Haare kriegen.
    Lehrer und Eltern sollten viel mehr an einem Strang ziehen und sich nicht noch gegenseitig die Hölle heiß machen. Dann hätten fragwürdige Bildungspolitiker und unseriöse Wissenschaftler mit ihren gut bezahlten Gefälligkeitsgutachten nicht diese Narrenfreiheit in Reformen und Systemwechseln, die seit Jahrzehnten immer mehr ideologisch als sachgerecht begründet sind.
    Hier nun das Ergebnis einer sog. Studie, das ich ebenso wenig ernst nehme und das mich ebenso ärgert wie die Worte des Schulleiters bei Günther Jauch:
    „Sowohl Lehrer als auch Eltern sind sich einig: Defizite im Elternhaus sind die wesentliche Ursache dafür, dass einige Kinder schlechtere Chancen haben als andere. 84 Prozent der Lehrer und 79 Prozent der Eltern betonen vor allem das fehlende Interesse von Eltern an einer Beschäftigung mit den eigenen Kindern. Auch nennen Lehrer und Eltern Erziehungsmängel im Hinblick auf gewissenhaftes Arbeiten (77 bzw. 76 Prozent), eine fehlende Vorbildfunktion der Eltern (75 bzw. 78 Prozent) und zu wenig Zeit der Eltern für ihre Kinder (69 bzw. 65 Prozent) als Hauptursachen.“
    http://www.news4teachers.de/2013/04/umfrage-75-der-lehrer-sehen-probleme-bei-der-inklusion/

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