Sehr geehrter Herr Arbeitgeberpräsident Prof. Dr. Dieter Hundt,

Ihr Ansinnen, die Elternzeit von 36 auf 12 Monate zu kürzen zeugt von einem beängstigenden Desinteresse für die Biologie der Spezies MENSCH. Wie alle Säuger ist das Menschenkind auf die intime Fürsorge seiner Mutter angewiesen, solange es sich nicht selbst ernähren kann. In zahllosen Untersuchungen der Humanforschung nachgewiesen, fehlt einem Primaten die elementare Basis  für ein gelingendes Leben, wenn er um die primären personalen und emotionalen Voraussetzungen für sein Aufwachsen betrogen wurde. Mit anderen Worten: eine stabile und belastbare junge  Arbeitnehmerschaft werden Sie nur bekommen, wenn deren biologischer Reifeplan in den ersten Kinderjahren befriedigend absolviert wurde.

Aber Ihre Pläne schädigen nicht nur die Jugend als die künftige Arbeitnehmerschaft, sondern auch die derzeitigen Arbeitnehmer_innen. Was glauben Sie, geht in einer Mutter vor, die ihr Baby, kaum lächelt es sie an, für viele Stunden außerhäuslicher Tätigkeit  täglich vermisst – rein biologisch? Eine Mutter wird, und auch das ist wissenschaftlich erwiesen, depressiv oder anfällig vor Schmerz um ihr verlassenes Kind. Sie wird immer wieder ausfallen, wenn nicht gar schwer erkranken, wie wir das in den skandinavischen Ländern immer häufiger sehen.

Und drittens, Herr Dr. Hundt, wird Ihr Hamsterradplan zu weiterer Reduzierung der Geburten in Deutschland führen. Denn welches Paar wird Lust auf ein Kind haben, wenn es dies nur für wenige Monate in eigenen Armen halten darf? Deutschland schafft sich ab!

Nun ist Ihnen vermutlich sowohl die Psyche der Babys, noch die Gesundheit der Mütter oder die Nachwuchsmisere völlig egal, solange Sie Ihre Lebensleistung darin sehen, den Arbeitsmarkt billig aufzufüllen. Die Folgen Ihrer Politik werden allerdings erst so richtig destruktiv durchschlagen, wenn Sie dereinst Ihren Sessel geräumt haben.

Diese Warnung, Herr Dr. Hundt, ist von der ELTERNINITIATIVE  FÜR  FAMILIENGERECHTIGKEIT  durchaus gut gemeint.

Ob wir Sie zu dazu bewegen können, Ihre Pläne zu revidieren? Das wünschen sich jedenfalls alle mit uns verbundenen Eltern von Kindern, für die ich Sie freundlich grüße

i. A. Bärbel Fischer

3 Gedanken zu „Sehr geehrter Herr Arbeitgeberpräsident Prof. Dr. Dieter Hundt,

  1. Toller Beitrag! Herr Hundt soll seinen Stuhl räumen und diese anti-sozialen neoliberalen Stammtischideen für sich behalten. Seine Meinung spiegelt die heutige Eliten-Mentalität wieder.

  2. Ihr Wunsch einer Verkürzung der Elternzeit auf ein Jahr

    Sehr geehrter Herr Prof. Hundt,

    ich kann Sie gut verstehen. Als Arbeitgeber hätte ich auch lieber gut ausgebildete junge Frauen in meinem Betrieb als die älteren Herren, die Sie, schon weil sie Männer sind, 22% mehr kosten und wegen deren langer Betriebszugehörigkeit müssen Sie noch einmal drauflegen. Junge Frauen werden bei den Lohnverhandlungen auch angenehmer und zurückhaltender sein, sie müssen sie nicht mehr ausbilden… Ja, Geld sparen ist toll und sie bekommen noch gratis Unterstützung vom Gender Mainstreaming.

    Jedoch, das Grundgesetz mit Artikel 6 ist nicht auf Ihrer Seite. Nirgendwo werden Sie einen Passus finden, der die Begehrlichkeiten von Arbeitgebern unter einen besonderen Schutz stellt. Auch hat sich die Bundesrepublik nicht an die DDR mit ihrer Pflicht zur Erwerbstätigkeit angeschlossen. Wir sind ein freies demokratisches Land, in dem Lobbyisten nicht in die privaten Lebensentscheidungen hinein regieren dürfen.

    Seine eigenen Kinder zu erziehen und ihnen eine geschützte Sphäre zu geben, in der sie sich in Ruhe und Würde zu einmaligen und unverwechselbaren Individuen entwickeln können, das ist eine großartige Aufgabe. Und sie ist zudem noch wesentlich freier und nachhaltiger, als alles, was Sie zu bieten haben. Ich bin sicher, wenn ich einmal sterbe, dann werde ich mich für die nicht verschenkte Liebe rechtfertigen müssen. Nach Arbeitgebern oder nach der Gleichheit der Geschlechter wird dann keiner fragen. Und dann?

    Mit freundlichen Grüßen
    Stefanie Selhorst

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