Prinzip Gießkanne?

Sehr geehrter Herr Mulke,

zu Ihrem Artikel „Das Prinzip Gießkanne versagt“ in der Serie Familie und Wirtschaft in der Schwäbischen Zeitung ( 31. 12. 2012 ) hat die „Elterninitiative für Familiengerechtigkeit“  folgende Frage: Sie rechnen vor, der deutsche Staat stehe mit jährlich 123 Mrd. an vierter Stelle weltweit bei der Familienförderung, was pro Kind und Jahr 5100 Euro bedeute. Haben Sie sich diese Zahl einmal genauer angeschaut? 

Falls das Kindergeld, Bildungsausgaben, Ehegattensplitting, Hinterbliebenenrenten und die so genannte „beitragsfreie Krankenmitversicherung“ mit eingerechnet wurden, müsste dieser Betrag um mindestens 2/3  bis 3/4 bereinigt werden.

Denn das so genannte Kindergeld ist alles andere als eine Förderung, sondern zu 2/3 die Rückgabe der Steuern, die auf das Kindesexistenzminimum zu Unrecht erhoben wurden. Nur die Geringverdiener, die wenig bis keine Steuern zahlen, müssen über die Steuergelder alimentiert werden. Alle anderen Arbeitnehmer haben sich ihr Kindergeld selbst erwirtschaftet.

Die so genannte „beitragsfreie Mitversicherung“ ist ebenfalls Augenwischerei. Denn ein Vater mit 3 Kindern muss sein Gehalt mit der Mutter und den Kindern teilen. D. h. von 4000 Euro bleiben ihm 800 Euro. Beitragsfrei wären Frau und Kinder, wenn nur der Vater für seine eigenen 800 Euro Beiträge abführen müsste. Aber er bezahlt wie ein Single das Fünffache, also den vollen Satz. Mithin versichern sich anteilig alle Familienmitglieder für je ihre 800 Euro selbst. Es gibt also gar keine beitragsfreie Mitversicherung, denn ein Familienvater ist eben kein Single.

Für Bildungsausgaben ist nicht die Familienkasse zuständig.

Das Ehegattensplitting wirkt sich zwar für Familien mit mehreren Kindern segensreich aus, wird aber unabhängig von Kindern trauscheinabhängig bezahlt. Das bedeutet, dass es nicht zur Förderung von Kindern zählt.

Auch das Elterngeld und die Krippensubventionen von  1000 Euro + x dürfen nicht mitgerechnet werden, solange diese Beträge nicht nach dem Gleichheitsprinzip                  ( Art. 3 GG )  allen Eltern in der selben Höhe gewährt werden.

Sehr geehrter Herr Mulke, Sie verstehen, dass nackte Zahlen gar nichts sagen, solange nicht transparent wird, wie sie sich zusammensetzen.

Was bleibt übrig von der ominösen deutschen Familienförderung? Wie kann es sein, dass bei einem Jahreseinkommen von 30 000 Euro dem Single 19 186 € mehr in der Tasche bleiben als einem Vater von 3 Kindern ( s. Anhang Deutscher Familienverband e. V.)? Mit 4 Kindern beläuft sich das jährliche Manko auf 23 614 € und bei 5 Kindern         auf 28 042 €. Wohin fließen also die Gelder aus der besagten Gießkanne? In die Taschen der Familien gewiss nicht!

Und außerdem sind es die Eltern von Kindern, die den Hauptanteil des Steueraufkommens bestreiten. Von den 100 Mrd. Euro, die Eltern  2011 für ihre Kinder aufgewendet haben ( Statistisches Bundesamt ), lieferten sie allein 19 Mrd. als Verbrauchssteuern zurück in die Steuerkasse. Wieviel kam von den Singles?

Herr Mulke, wir von der „Elterninitiative für Familiengerechtigkeit“  pfeifen auf Familienförderung a la Bundesregierung! Wir wollen nur eins: Gerechtigkeit zwischen den Generationen und Gerechtigkeit zwischen Bürgern mit und ohne Kinder. Dies würde bedeuten, dass unsere Sozialgesetze die Verantwortung und die Unterhaltskosten für Kinder künftig berücksichtigen, was bis zum heutigen Tag nicht geschieht. Das BverfG hat schon 1992 geurteilt, dass Eltern wegen ihrer Kinder keine Nachteile erleiden dürfen. Aber die Nachteile werden immer extremer, was auch die beigefügte Tabelle ausweist. Würden Eltern hierzulande nicht wie Bürger 2. Klasse behandelt und verhöhnt, sondern geachtet für ihren hingebungsvollen Dienst an der Gesellschaft, wie zum Beispiel in Frankreich, dann würden auch wieder mehr Kinder gezeugt. Aber mit untauglichen Mitteln sehen sich potentielle Eltern lediglich geködert und lassen ihren Kinderwunsch fahren.

Herr Mulke, in ihrer Einschätzung bez. konstruktiver Maßnahmen zu mehr Nachwuchs unterscheidet sich die Schwäbische Zeitung leider nicht von anderen Blättern, weil alle nur arbeitsmarktstützende, wirtschaftliche und regierungsamtliche Forderungen verbreiten. Auf alternative Konzepte von Elternorganisationen wartet man vergebens. Eltern werden auch gar nicht gefragt, sondern lediglich (pseudo)wissenschaftliche Studien in Auftrag gegeben, die genau die erwünschten Ergebnisse liefern. Eltern finden also in den Medien kein Sprachrohr. Aus diesem Grund wird auch dieses Schreiben über unsere Seite www.forum-familiengerechtigkeit.de veröffentlicht. Hier finden Sie, falls Sie Interesse haben, sehr viele Vorschläge, wie Deutschland abseits von Gießkanne zu mehr Nachwuchs kommen könnte.

Damit grüße ich Sie für die mit uns verbundenen Eltern

i. A. Bärbel Fischer

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2 Gedanken zu „Prinzip Gießkanne?

  1. Ich kann Frau Fischer nur vollkommen Recht geben: ihre Zahlen und Analysen sind sauber recherchiert, was man von den sich fast wie ein Ei dem anderen gleichenden Artikeln über die angeblich „üppige Familienförderung“ leider nicht behaupten kann.
    Diese Damen und Herren Redakteure sollen sich z. B. mal vorrechnen lassen, dass ein Kind jeden Monat etwa 580 Euro kostet, wobei die größere Wohnung, Heizung dafür, Nahrung, Kleidung usw. inbegriffen sind. Die detaillierte Aufstellung findet sich beim Statistischen Bundesamt in Wiesbaden und ist somit offiziell. Von diesen 580 Euro deckt das Kindergeld 180 Euro, so dass die Eltern privat 400 Euro pro Kind und Monat aufwenden, womit sie die künftigen Rentenzahler auch der Kinderlosen aufziehen.
    Bei drei Kindern (so viele müssen es im Schnitt sein, damit die Bevölkerungszahl nicht abnimmt!) und 20 Jahren Unterhaltsverpflichtung summiert sich das auf stolze 288.000 Euro – ein schickes Einfamilienhaus, auf das Eltern mit Kindern verzichten, um den Kinderlosen ihre künftigen Rentenzahler aufzuziehen.
    Diese Summe sollten sich die Zeitungsschreiber einmal auf der Zunge zergehen lassen, anstatt gegen Eltern zu hetzen.
    Und dass Eltern auch noch viel Liebe, Wärme, Geduld und Zeit für ihre Kinder investieren, während Kinderlose diese Zeit viel „effizienter“ zum Geldverdienen nutzen können, sei nur am Rande erwähnt.
    Mein Fazit: Die Ursache allen Dilemmas der Familien ist das Rentensystem. Solange die Opfer für eigene Kinder nicht zu höheren Rentenansprüchen für die Eltern führen (wie das seit Bestehen der Menschheit der Fall war), sondern im Gegenzug die Kinderlosen am meisten von Kindern profitieren, wird die Ungerechtigkeit bzw. Benachteiligung von Eltern weiter bestehen bleiben.

  2. Danke, Herr Bloch, für Ihre deutlichen Worte! Das schicke Einfamilienhaus kann übrigens vermietet werden und wirft dann nochmal 40 Jahre lang gute Einkünfte zur Alterssicherung ab.

    Ergänzen möchte ich das Thema jedoch mit einem Zitat von Kostas Petropulos, Leiter des Heidelberger Büros für Familienfragen, aus seinem Vortrag:“Familien in Deutschland – beschenkt oder ausgebeutet?“

    „Kinder kosten den Staat unterm Strich nichts, sondern sie sind sogar eine Einnahmequelle. Rechnet man mit dem CDU-Kinderfreibetrag von 8.000 Euro im Jahr, dann bezahlen Eltern von den 184 Euro Kindergeld im Durchschnitt 132 Euro als direkte Steuern an den Staat zurück. Nimmt man noch den indirekten Steueranteil von monatlich 133 Euro dazu, dann bezahlen Eltern pro Kind 265 Euro monatlich an Steuern an den Staat und erhalten dafür ein Kindergeld von 184 Euro. D.h. der Staat verdient an jedem Kind fast 80 Euro im Monat! Im Klartext: Kinder kosten den Staat unterm Strich nichts, sondern sie sind sogar eine Einnahmequelle. Bei 17,3 Mio. kindergeldberechtigten Kinder wären das derzeit mindestens 1,6 Mrd. Euro im Jahr. Zur Erinnerung: Diese Rechnung geht nur von den offiziellen Mindestwerten für den Unterhalt, die Erziehung und Bildung für Kinder aus.“

    http://www.heidelberger-familienbuero.de/Archiv-2012/FLA-Familienpartei-Petropulos-HBF-Vortrag-191111-Tabellen-Printfassung.pdf

    In 20 Jahren gewinnt der Staat von der besagten Dreikinderfamilie demnach fast 50 000 Euro, ohne dass er auch nur einen einzigen Cent in die Familie investiert hat.

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