Jedes vierte Kind in BW hat Sprachprobleme

Jedes vierte Kind hat Sprachprobleme
Schwäbische Zeitung 25. 01. 2019

 

Jeder Humanwissenschaftler,* ob Biologe*, Pädagoge*, Psychologe* oder Mediziner* weiß, dass Bildung nur aufgrund einer sprachlich differenzierten Basis gelingen kann, wie ihn Elternhäuser seit Menschengedenken garantieren. Entgegen allen wissenschaftlichen Erkenntnissen haben es in Europa Politik und Wirtschaft durchgesetzt, dass Klein- und Schulkinder auf die Präsenz ihrer Eltern zu verzichten haben, um immer mehr Steuereinnahmen und Gewinne zu erzielen. Das Ergebnis lässt sich an jeder neuen Statistik ablesen. Das Bildungsniveau sinkt beständig. Ob dieser Effekt vielleicht sogar beabsichtigt ist?

* Mit der maskulinen Bezeichnung sind wie ehedem Männer  u n d  Frauen gemeint.

Leserbrief

Das Kultusministerium spricht von 40% der Kinder mit Sprachproblemen. Außerdem entspreche der Entwicklungsstand von 25% bis 30% aller Kinder und Jugendlichen  nicht ihrem Alter, sind also zurück geblieben. Nie gekannte Defizite innerhalb von knapp zwei Jahrzehnten! Kann es ein größeres Desaster für eine Bildungsnation geben? Die Schuld der Kinder ist dies nicht, sondern unser sträflicher Umgang mit ihnen. 

Um die Muttersprache zu erlernen braucht ein Kind den sprachlichen und interaktiven Austausch, die „Zuwendung und Ansprache durch die Eltern“ – wie die Deutsche Gesellschaft für Sprachwissenschaft fordert. Präsente Eltern können folglich ohne Sprachlernprogramme im täglichen Allerlei sozusagen nebenher den Lernprozess begleiten. Wenn allerdings in einer Kitagruppe von bis zu acht Kindern für jedes Kleinkind nur höchstens 30 Minuten direkte Ansprache durch eine Betreuerin bleibt ( so eine einschlägige Studie ), so verhungert ein Kind sprachlich. Von den anderen sieben Kleinkindern lernt es nur Babysprache. Vorstellbar ist auch, dass sensible Kinder eine psychische Barriere gegenüber der Sprache einer Nicht-Mama entwickeln. Sie weigern sich, deren Sprache zu akzeptieren.

Wir müssen uns also schon fragen lassen, wie sinnvoll es ist, Kindern zuerst ihre natürlichen Bezugspersonen zu verweigern, um hinterher mit vielen Millionen deren misslungenen Spracherwerb künstlich zu reparieren. 

Bärbel Fischer i. A. ELTERNINITIATIVE FAMILIENGERECHTIGKEIT

3 Gedanken zu „Jedes vierte Kind in BW hat Sprachprobleme

  1. Liebe Frau Fischer,

    herzlichen Dank für Ihren Leserbrief!

    Immerhin darf man den Behörden in BW dankbar sein, weil sie das Problem aufgegriffen, untersucht und die verheerenden Ergebnisse nicht verschwiegen haben.

    Die Sprache ist die Form, in der sich unser Denken in Begriffen vollzieht; sie ist die Grundlage aller Kultur; ohne genügend sprachliches und sprecherisches Können ist schulisches Lernen unmöglich. Mit der Sprache erlernen wir auch die ihr innewohnende naturwüchsige Logik, die sich in den grammatischen Regeln zeigt. Wenn man die aufgezeigten Defizite nicht in den Griff bekommt, kann man sich sämtliche bildungspolitischen Anstrengungen ersparen – wenn das sprachliche Fundament fehlt, ist jedes Unterrichten, jeder Versuch irgendeiner „Beschulung“ ein Bauen auf Treibsand.
    Und wenn sich herausstellen sollte – vielleicht hat die neurologische Forschung auch schon dazu Ergebnisse geliefert – , dass es zeitliche Fenster zum Erlernen der Muttersprache gibt, dann sind die aufgezeigten Defizite vielleicht kaum noch aufzuholen; das wäre dann tatsächlich eine Bildungskatastrophe.

    Ich habe das Wort „Muttersprache“ verwendet; jeder weiß, dass ein Kind die Sprache von seiner Mutter, seinem Vater, seinen Geschwistern, seinen Spielkameraden, seinen Großeltern erlernt. Diese legen somit die Fundamente jeglicher Kultur.

    Wie kann man fürs erste gegensteuern? Wie den Kindern helfen, die nun in den Kitas sitzen und entweder stumm bleiben oder aber nur herumschreien? Fürs erste und als ein Notbehelf – nicht als eine Lösung- wäre an ein Programm zu denken, dem man den Titel „Mit Kindern reden“ geben könnte. Studenten oder andere Hilfskräfte, die man kurz instruieren und selbstverständlich bezahlen müsste, könnten pro Woche ein paar Stunden zur Verfügung stehen und nichts anderes zu tun haben, als mit den Kindern zu reden. Pro Gruppe wären ein bis zwei dieser Hilfen erforderlich. Ja, das würde ins Geld gehen, aber Katastrophenhilfe ist teuer.

    Das wäre ein Notbehelf. Die Lösung ist klar, und man muss sie den Lesern dieser Ihrer Seite, liebe Frau Fischer, nicht mehr lange erläutern: Während der ersten drei Lebensjahre eines Kindes muss einer der beiden Eltern, in der Regel die Mutter, von jeglicher Erwerbsarbeit befreit werden. Würde man die öffentlichen Gelder, welche in einen Kitaplatz fließen, den Eltern des Kleinkindes zur freien Verfügung geben, dann könnten sie entscheiden, wie sie ihren von der Natur gegebenen und im Art 6 GG formulieren Auftrag zur Pflege und Erziehung ihres Kindes zu erfüllen gedenken. Dann müssten wir uns um das Erlernen der Muttersprache keine Gedanken mehr machen und dann und nur dann hätten weitere Bildungsbemühungen einen Sinn.

  2. Lieber Herr Brosowski,
    genau was Sie vorschlagen, wäre die „ultima ratio“ für ein Gelingen der Bildung in BW, BRD und Europa. Wir bräuchten China nicht zu befürchten, hätten wir selbst unser Bildungswesen nicht inzwischen zu einem Zwerg gestutzt. Wir müssten nur die Elternhäuser ebenso stärken wie die Krippen! Wir müssten nur Müttern einen „Arbeitsplatz FAMILIE“ einrichten – steuer-und abgabepflichtig, sofort wäre die Arbeitslosigkeit aus familiären Gründen beseitigt, der Finanzminister und die Sozialversicherungen würden sich freuen. Es bleibt daher unerfindlich, warum unsere Regierung dies nicht zur Kenntnis nimmt, denn allein ideologische Vorbehalte wie die fragwürdige „Gleichstellung der Geschlechter“ blockieren dieses Vorhaben.

    Im Übrigen stellt sich die „Westliche Wertegemeinschaft“ UN-gesteuert gegen familiengerechte Bedingungen. Nicht die indigenen Bevölkerungen sollen sich regenerieren, sondern allenfalls die migrantischen.

  3. Alles, was hier geschrieben wird, ist gut und richtig. Die Erfahrungen aus dem eigenen persönlichen Umfeld zeigen, dass die Kinder, die von nicht erwerbstätigen Müttern in intakten Familien aufgezogen werden, deutlich weniger Sprachprobleme und daher später bessere Berufsaussichten haben als Kinder, die in Kollektivbetreuung aufwachsen und selbst nach dem Abitur oft noch keine Rechtschreibung beherrschen.

    Trotzdem möchte ich hier einen ganz anderen Aspekt thematisieren, der meiner Meinung nach mindestens genauso wichtig ist, aber in den ganzen Debatten nie vorkommt:

    Die Politik mit Krippenausbau und Elterngeld hat das Ziel, dass die Mütter nach der Geburt des ersten Kindes möglichst schnell ins Erwerbsleben zurückkehren. Damit ist die Familienplanung abgeschlossen: für ein zweites oder gar drittes Kind bleibt keine Zeit mehr. Somit fördert diese Politik die Ein-Kind-Familie nach chinesischem Vorbild mit all ihren bekannten Konsequenzen: der Nachwuchsmangel führt zu den bereits beklagten Problemen wie Überalterung, Fachkräftemangel, Pflegenotstand und nicht mehr finanzierbaren Renten.

    Eine Mutter, die dagegen nicht erwebstätig ist und ihr Kind selbst in der Familie aufzieht, bekommt nicht selten Lust auf ein zweites oder drittes Kind. Es ist nicht verwunderlich, dass Hausfrauen im Schnitt deutlich mehr Kinder haben als erwerbstätige Frauen. Wenn man den Nachwuchsmangel (politisch korrekt: „demographische Entwicklung“) beheben will, muss man daher die Erziehung in den Familien und nicht die Fremdbetreuung unterstützen.

    Für mich ist nicht nachvollziehbar, warum dieser Aspekt in den öffentlichen Debatten vehement verschwiegen wird. Wir alle wissen, dass unsere eigene Altersversorgung wegen der viel zu geringen Kinderzahlen auf wackeligen Füßen steht – aber kaum jemand thematisiert diesen Punkt, der uns alle spätestens im Alter selbst betreffen wird.

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