Öffentliche Kinderbetreuung = Infrastruktur?

Bei der Debatte um das Betreuungsgeld für Vollzeitmütter werfen die Kritiker, unter anderem, stereotyp folgendes Argument ein: „Wer die öffentliche Infrastruktur der Kinderbetreuung nicht nutzt ist selbst schuld und kann vom Staat keine Entschädigung in Form eines Betreuungsgeldes dafür erwarten.“ Für dieses Privatvergnügen brauche der Steuerzahler nicht aufzukommen. 

Für die Kritiker gilt offenbar:

Öffentliche Kinderbetreuung = Infrastruktur, familiäre Kinderbetreuung = Privatvergnügen

 

Entgegnung:

 

Öffentliche Infrastruktur (z.B. Straßennetz, Wasserversorgung, Müllabfuhr) ebenso wie das Bildungs-, Sport- und Kulturangebot zeichnet sich durch zwei Merkmale  aus:

  1. sie steht ausnahmslos allen Bürgern zur Verfügung,
  2. sie wird über kostendeckende Gebühren/ Steuern von den Nutzern selbst finanziert.

 

Öffentliche Kinderbetreuung jedoch nützt lediglich jenen Eltern, die beide erwerbstätig sind und ihre Kinder unterbringen müssen, also nur einer begrenzten Klientel. Diese beteiligt sich nur zu rund 1/5 an den tatsächlichen Kosten, die anderen 4/5 muss der Steuerzahler berappen. Ohne öffentliche Bezuschussung müssten Eltern für die Kinderbetreuung kostendeckend pro Kind und Monat 1000 Euro bezahlen.  Es handelt sich  bei der Krippenoffensive demnach nicht um die Schaffung von Infrastruktur sondern um reine Subventionierung,  da weder die Nutzer für die Kosten aufkommen, noch die Allgemeinheit das Angebot nutzen kann. Im Übrigen ist jede Subventionierung mit einer Lenkungsabsicht verbunden, was bedeuten könnte, dass sich der Staat mehr und mehr der Rechte der leiblichen Eltern bemächtigen will.

 

Der Staat  zeigt seit etwa zehn Jahren ein auffallendes und höchst intensives Interesse, Kleinstkinder familienfern betreuen zu lassen. Um die Kosten dafür dem Bildungsetat entnehmen zu können,  deklariert er die öffentliche Kinderbetreuung kurzerhand und ohne wissenschaftliche Berechtigung als „Bildungsstätte“ und plant über einen Rechtsanspruch bereits die Pflicht zum Besuch der Kindertagesstätten. Damit erklärt der Staat familiäre Erziehung für minderwertig und nicht förderungswürdig. Dies ist ein schwerer Eingriff ins Elternrecht ( Art. 6 GG )

 

Bei der öffentlichen Kinderbetreuung von „Infrastruktur“ zu sprechen ist also eine bewusste, vielleicht auch böswillige Verschleierung der Tatsache, dass unser Staat  einen Teil seiner Kinder und Eltern exklusiv bevorzugt, den anderen Teil benachteiligt. Das bedeutet einen Verstoß gegen das grundgesetzliche Gleichheitsgebot ( Art. 3 GG), der auch durch die Zahlung eines Betreuungsgeldes wegen seiner Geringfügigkeit nicht behoben wird. Diesen Skandal kann nur eine finanzielle Gleichbewertung von familiärer und öffentlicher Kinderbetreuung aus der Welt schaffen.

 

Daher gilt:

 

Von Infrastruktur reden wir nur, wenn das öffentliche Angebot allen Bürgern zugänglich ist und nicht ideologisch begründete Verhaltensweisen voraussetzt. Infrastruktur wird über kostendeckende Gebühren und Abgaben der Nutzer angeboten. Es verbietet sich demnach, allein die öffentliche Kinderbetreuung  als Infrastruktur zu bezeichnen, da sie nur einem geringen Teil der Bevölkerung zugute kommt und nicht kostendeckend von den Nutzern selbst bezahlt wird.

 

Der Staat fördert öffentliche wie private Schulen und Hochschulen gleichermaßen, um den speziellen Bedürfnissen  seiner Bürger an Bildung nachzukommen. Also ist auch private familiäre Kinderbetreuung der öffentlichen gleichzustellen.

 

Es ist folglich genau umgekehrt: Nicht die Empfänger des Betreuungsgeldes, sondern die Empfänger der Krippensubventionierung werden auf Kosten der Allgemeinheit exklusiv und üppig bedient.

 

Da der Nutzen der Kindererziehung heute aufgrund des Sozialrechts der ganzen Gesellschaft zugute kommt und nicht nur den Eltern, wie das früher der Fall war, ist der Staat zwar gefordert, die Kindererziehung finanziell zu honorieren. Das darf aber in Übereinstimmung mit Art. 6 GG nicht von der Art der Betreuung abhängig gemacht werden.

 

Bärbel Fischer

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