Sehr geehrte Frau Bundesministerin für Familienfragen!
Frau v. d. Leyen gab 2008 der Fraunhofer-Gesellschaft den Auftrag, den IST- und SOLL- Zustand für die Gleichstellung von Frauen und Männern im Lebensverlauf festzustellen. Das Gleichstellungsgutachten ( GG ) vom 25. 01. 2011, erstellt von einer Sachverständigenkommission, trägt den Titel: NEUE WEGE – GLEICHE CHANCEN.
Die Kommission geht davon aus, dass Frauen in ihrer Karriere behindert werden durch Baby-und Erziehungszeiten, durch Rollenklischees, durch falsche Subventionen. Im Leitbild zum GG singen die GutachterInnen zwar das Hohe Lied von der Pluralität und vom Respekt vor der Wahl der Lebensform, beklagen aber gleichzeitig, dass vor allem Frauen, aber auch Männer „die falschen Entscheidungen“ träfen, z. B. ihre Priorität auf Familie und Kinder zu setzen.
Beklagt wird, dass junge Leute noch immer und beharrlich ihre Berufswahl geschlechtsspezifisch treffen.
Galaxien fern liegt der Kommission der Gedanke, Frauen könnten in ihrer Berufswahl und mit ihrer Lebensplanung glücklich sein. Was sie völlig ausblendet: Die meisten jungen Frauen sind klug genug zu wissen, was sie wollen: Freude an der Arbeit, interessante Themen, Umgang mit Menschen, feste Arbeitszeiten, Zeit für Beziehung, Zeit für Familie etc. Frauen wissen auch was sie nicht wollen: flexible und mobile Arbeitsplätze, Überstunden, Strapazen, Hektik, unvorhergesehene Termine, ständige Verfügbarkeit. Das sind die Kriterien, nach denen junge Frauen ihren Beruf wählen. Sie richten sich doch nicht nach Gleichstellungskriterien von Gender-Ideologen! Und sie lassen sich auch nicht ständig vorwerfen, einen Frauenberuf statt eines Männerberufs gewählt zu haben. Hier werden Frauen als dümmlich, karrierevergessen und hausbacken dargestellt. Eine solche Einschätzung widerspricht der selbst verordneten Achtung vor den Lebensentwürfen von Frauen.
Beklagt wird auch, dass das „ geschlechter-stereotyp geprägte Frauen- und Familienbild“ weibliche Erwerbseinstiege und Karrierechancen erschwerten.
Dass Frauenberufe hierzulande schlecht bezahlt sind und geringe Aufstiegschancen bieten, scheint für die Sachverständigen schicksalhaft und alternativlos zu sein. Niemand kommt auf die Idee, an dieser Stelle einmal aufzuräumen und anstelle eines Gleichstellungsgesetzes ein Gleichwertigkeitsgesetz zu planen. Statt dessen schlägt die Kommission vor, Ehegattensplitting, Teilzeit- und Minijobs und die Abgabenpraxis zum Abschuss freizugeben.
Trotz Kinderkrippen, Elterngeld, Ganztagsschulen sind nach Ansicht der Kommission immer noch viel zu wenig Frauen in den obersten Chefetagen zu finden. Dafür gibt es eine ganz einfache Erklärung: Mütter lieben ihre Kinder und wollen ihnen ihre ungeteilte Zeit schenken. Schlicht: Sie sind Mutter geworden und wollen für einige Jahre ihren Kindern auch Mutter sein. Nur, für diese Binsenweisheit hat die Kommission keine Antenne. Kinder sind in ihren Augen zwar eine, für die Alterssicherung notwendige, aber lästige Beeinträchtigung für die Karriere, aber der Nachwuchs kann heute ja durchaus wegorganisiert werden. Kindliche Ansprüche auf Zärtlichkeit und Zuwendung? Ach! Das sind für die Kommission Relikte aus uralten Zeiten, wo Eltern noch Rollen übernahmen, um das Familienleben reibungsarm zu gestalten. Im GG-Deutsch heißt das „Re-Traditionalisierung der familiären Arrangements, mit der Folge, dass Frauen beruflich zurückstecken, und dabei die Möglichkeiten, eigenes Einkommen zu erzielen, einbüßen.“ Eigenes Einkommen einbüßen, das sieht die Kommission richtig, ist gegen jedes demokratische Recht, und dürfte von Rechts wegen gar nicht sein. Dazu müssten aber die Gutachter fordern, Familienfrauen ein Erziehungsgehalt zu bezahlen, und nicht nur eine Betreuungsgeld von lächerlichen 150.- Euro.
Hier darf auch einmal festgestellt werden, dass das Leitbild der Kommission sich zu 100% an erwerbstätigen Frauen und Männern orientiert und Familien mit mehreren Kindern völlig außer Acht lässt, obwohl Mütter als geniale Managerinnen jahrein jahraus full-time tätig sind. Haben diese Frauen für die Gleichstellungsfrage keinen Stellenwert? Nein, offensichtlich nicht. Das ist auch nicht verwunderlich: In der Berechnung der Sozialabgaben spielen Kinder keine merkliche Rolle. Und weil FamilienSorgeFrauen für ihre Arbeit bislang kein Gehalt bekommen, zählen sie auch nicht. Sie werden schlicht vergessen. Ihre Kinder jedoch spielen erst dann wieder eine Rolle für die Gesellschaft, wenn sie selbst erwachsen und Beitragszahler geworden sind. Schließlich müssen ja auch jene Rentner versorgt werden, die sich zeitlebens Kinderkosten erspart haben.
Außerdem fehlt im GG ein Rat der Kommission, nach dem Frauen nach der Familiensorgezeit Karrierechancen in Aussicht gestellt werden. Nach heutiger Berechnung bleiben den Frauen und Müttern dann immer noch 20 bis 30 Jahre, um Frauenkarriere zu machen. Aber die Weichen dafür müssen heute gestellt werden. Eine lohnende Aufgabe für eine Frauenministerin, der das materielle und psychische Wohlergehen von Familien und Kindern am Herzen liegen müsste.
Mit freundlichem Gruß
Bärbel Fischer