Offener Brief

Als LeserIn der Schwäbischen Zeitung braucht man immer wieder starke Nerven, beispielsweise, wenn man Überschriften lesen muss wie in der Ausgabe vom 19. Februar, wo es hieß: „Mutter-Falle behindert Karrierechancen“. Hier ging es um die mangelhafte Besetzung der Chefetagen mit Frauen in regionalen Betrieben. Auf der Suche nach Gründen äußerte sich die Leiterin der Kontaktstelle Frau und Beruf, Ravensburg, Irene Schmutz-Bohnes. Sie sah einen der Gründe darin, dass junge Frauen in die M u t t e r f a l l e tappen, anstatt Karriere zu machen. Die „Elterninitiative Familiengerechtigkeit im Landkreis Ravensburg“ nimmt dazu in einem offenen Brief Stellung:

Sehr geehrte Frau Schmutz-Bohnes,
in der Ausgabe vom 19. 02. 2011 der Schwäbischen Zeitung wurden Sie unter der Überschrift: „Mutter-Falle behindert Karrierechancen“ u. a. mit folgender Aussage zitiert: „Manche Frauen muss man zu ihrem Glück zwingen“. 
Mit diesem Zitat  unterstellen Sie fraglos, Frauen seien nicht in der Lage, frei zu entscheiden und für ihr eigenes Glück zu sorgen. Sie unterstellen, dass Mutterschaft eine un-glückliche Wahl ist. Es kommt Ihnen offenbar nicht in den Sinn, dass Frauen verschiedene Vorstellungen von Glück haben. Tatsächlich scheinen Sie zu meinen, dass Glück ausschließlich in beruflicher Erwerbskarriere zu finden ist. 
Ich frage Sie: 
Mit welchem Recht glauben Sie,  für alle Frauen sprechen zu dürfen? 
Mit welchem Recht behaupten Sie, dass Karriere allein in Wirtschaftsunternehmen zu machen ist? 
Mit welchem Recht  degradieren Sie Frauen zu kleinen Dummchen, weil sie eine alternative Karriere im Sinn haben? 
Was Ihnen, werte Frau Schmutz-Bohnes,  entgangen ist: Viele von uns Frauen machen längst Karriere, und zwar als Managerin in der eigenen Familie mit mehreren Kindern. Wir sind nicht in die „Mutter-Falle“ getappt, sondern wir tragen bewusst eine hohe Verantwortung für junge Menschen, für die Generation nämlich, die unsere alternde Gesellschaft stützen wird. Was wir herstellen ist für den Fortschritt in Deutschland weit wichtiger als Import, Export, Kapital und Gewinne. Wir sorgen uns um gesunden, leistungsfähigen und stabilen Nachwuchs. Daher schicken wir  unsere Kinder nicht in die Krippe, sondern wir schenken ihnen als Mutter von kleinauf  viel Zeit,  Aufmerksamkeit, Fürsorge, Geborgenheit und unsere stete Begleitung. Das ist uns so wichtig, dass wir dafür sogar unseren qualifizierten Beruf für einige Jahre auf Eis legen. 
Es ist eben nicht so, dass wir in Deutschland einen Mangel an Managerinnen hätten, sondern wir haben trotz unseres Generationenproblems die absurde Weigerung der Politik, Familienmütter als Managerinnen anzuerkennen und sie gleichwertig zu bezahlen.
Sehr geehrte Frau Schmutz-Bohnes, mit diesem offenen Brief bitte ich Sie,  künftig bei Ihren öffentlichen Äußerungen  die Wortwahl so zu treffen, dass Familienfrauen sich nicht abgewertet fühlen müssen.
In diesem Sinn grüße ich Sie freundlich im Namen der Elterninitiative
Bärbel Fischer

GEGENDARSTELLUNG

Guten Tag Frau Fischer,

herzlichen Dank für Ihr Feedback, gerne nehme ich zu Ihrem Schreiben wie folgt Stellung:

Der Artikel der SZ bezieht sich auf den geringen Frauenanteil in Führungspositionen, die Überschrift ist zugegebener weise unglücklich gewählt. Ich werde darauf im nächsten Absatz noch konkreter eingehen. Im Artikel geht es um die Tatsache, dass Führungspositionen Frauen häufig verwehrt bleiben. Auf die Frage der SZ-Redakteurin, was meiner Meinung nach die Ursachen dafür sein könnten, erörterte ich unter anderem die These, dass nach meiner Erfahrung viele Frauen – trotz fachlicher Qualifikation und persönlicher Eignung – sich nicht zutrauen, sich auf eine Führungsposition zu bewerben. Die Gründe sind dabei meist ein sehr hoher Anspruch an sich selbst und dadurch die Befürchtung, die Erwartungen nicht zu erfüllen. In diesem Zusammenhang fiel die Äußerung: „…manche Frauen muss man zu ihrem Glück zwingen…“ – und damit war zu keinem Zeitpunkt die Erwerbstätigkeit oder Familienarbeit von Müttern gemeint!

Fakt ist – und darauf bezieht sich die Überschrift – dass für Frauen in Führungspositionen, die sich für das Modell ‚Mutterschaft + Erwerbstätigkeit‘ entscheiden, häufig die Rückkehr in die Führungsposition verwehrt bleibt, wenn sie nach der Familienphase nur noch in Teilzeit arbeiten wollen/können. Dieser Sachverhalt wird angeprangert, nicht die Entscheidung, die Erwerbstätigkeit zugunsten der Familienarbeit auf Eis zu legen. Diese Entscheidung ist eine höchst persönliche und obliegt jeder Frau bzw. jedem Elternpaar. An dieser Stelle beginnt die ideologische Diskussion, in welcher Form und welchem Ausmaß die Politik Einfluss nimmt mit Maßnahmen wie z. B. dem Elterngeld oder der Finanzierung von Kinderbetreuungseinrichtungen. Die Politik wird gemacht von gewählten VolksvertreterInnen. Dass diese häufig nicht im Sinne des Volkes handeln und entscheiden, ist unbestritten. –

Deshalb halte ich es für richtig und wichtig, sich für politische Belange einzusetzen und damit strukturelle Entwicklungen mit zu bestimmen – und zwar von Männern und Frauen gleichermaßen.

Noch eine Erläuterung zu meinem beruflichen Hintergrund und meinen daraus resultierenden Erfahrungen:

In meiner Funktion als Leiterin der Kontaktstelle Frau und Beruf habe ich in den vergangenen neun Jahren ca. 3000 Frauen im Kontext ‚beruflicher Werdegang‘ beraten. Knapp ein Drittel dieser Frauen kommen mit dem Anliegen, nach einer familiär bedingten Unterbrechung ihrer Erwerbstätigkeit wieder in den Beruf zurückkehren. Der ganzheitlicher Ansatz bildet dabei die Basis meiner Beratung: die individuellen Bedürfnisse und Rahmenbedingungen der Ratsuchenden sind die Grundlage für die Erarbeitung von möglichen Wegen zurück in den Beruf.

Die Entscheidung, welcher Weg beschritten wird, liegt allein bei der Rat suchenden Frau. Meine Aufgabe ist, auf bestimmte Sachverhalte, Folgen und Konsequenzen hinzuweisen – ich maße mir dabei jedoch niemals an, zu werten oder zu urteilen – das widerspräche sowohl meiner persönlichen Haltung als auch den Grundsätzen einer professionellen Beratung.

Dass Familienarbeit = Familienmanagement ist, das weiß ich als Mutter von zwei mittlerweile erwachsenen Töchtern aus eigener Erfahrung. Dass Familienarbeit richtig und wichtig ist, steht außer Zweifel. Zu keinem Zeitpunkt würde es mir in den Sinn kommen, Familienfrauen abzuwerten, zu diffamieren oder gar als Dummchen zu bezeichnen!

Gerne stelle ich mich der Diskussion zu diesem brisanten Thema und hoffe, Ihnen meinen Standpunkt mit meinen Ausführungen eingängig erläutert zu haben.

Mit besten Grüßen – von Mutter zu Mutter

i! irene Schmutz-Bohnes

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