Bei FOCUS online vom 22. 07. 2012 beklagt Frau MdB Elisabeth Winkelmeier-Becker CDU die „magere frauenpolitische Bilanz“ dieser Legislaturperiode. Sie will daher, vorbei am Ministerium Schröder, die Frauen aus anderen Fraktionen für eine gemeinsame Aktion zur Erreichung einer gesetzlich festgeschriebenen Frauenquote starten.
Mit folgendem Schreiben wendet sich die ELTERNINITIATIVE FÜR FAMILIENGERECHTIGKEIT im LKR. Ravensburg an die CDU-Politikerin:
Sehr geehrte Frau Winkelmeier-Becker,
Sie beklagen im FOCUS vom 22. 07. 2012 die „magere frauenpolitische Bilanz“ dieser Legislatuperiode. Da stimme ich Ihnen voll zu. Die Bilanz ist sogar sehr, sehr mager. Das liegt aber an dem Focus der CDU- Themen. Um genauer zu sein: Für die CDU-Frauen gibt es nur ein einziges Thema, mit dem sie punkten wollen, die Quote. Sollte die Frauenquote sich gesetzlich durchsetzen lassen, haben es etwa 300 Frauen leichter, in die Vorstände und auf die Chefsessel zu kommen. Die restlichen 30 Millionen Frauen schauen weiterhin in die Röhre. Ist es das, was Sie Ihr „frauenpolitisches Image“ nennen? Sieht so Ihr erstrebtes Profil aus?
Wie wäre es denn mit Themen wie: Erschöpfte Mütter in der Vereinbarkeitsfalle – Mütter im Burn out – Mehrkinderfamilien benachteiligt beim Elterngeld – Geburtenschwund, na und? – Familienarbeit, ein Nullsummenjob? – Vier Kinder großgezogen, Rente reicht nur zur Miete – Deutsches Sozialgesetz beutet Familien aus – etc. …
Als Gremium, das vorgibt, sich speziell um die Lebensleistung von Frauen zu sorgen, hätten Sie also ein reiches Betätigungsfeld. Hier könnten Sie sich gerade beim weiblichen Fußvolk hohe Anerkennung verschaffen. Oder versprechen Sie sich davon kein Profil? Ist Ihnen ein schwarz-gelb-grün-rotes Quotenmäntelchen lieber als gute Politik, die Frauen und speziell Müttern, und damit den Familien das Leben erleichtert?
Werte Frau Winkelmeier-Becker, nie war die CDU frauen- und mütterfeindlicher als in dieser Legislaturperiode. Wir fühlen uns als billiger „Wertstoff“ für wirtschaftliche Gewinnmaximierung missbraucht. Allein zu diesem Zweck sollen wir unsere Kinder anderen Frauen in die Arme legen! Wissen Sie was? Die Paare lassen sich das nicht mehr gefallen. Sie treten in den Zeugungsstreik.
Basteln Sie getrost weiter an Ihrem Quoten-Image, der Geburtenschwund wird es Ihnen danken, denn der entpuppt sich als eine wirklich tödlich- magere Bilanz.
i. A. Bärbel Fischer
Die Antwort an die vom Zeitgeist beseelte und von GOTT verlassene CDU-Quotenfrau ist absulut T O P !!
Ich beglückwünsche Sie zu Mitstreitern, die den Mut und die Kompetenz haben, um der völlig außer Rand und Band geratenen Politik Paroli zu bieten!
Götz von Fallois
23738 Lensahnerhof
Liebe Frau Fischer, Sie sind so herrlich erfrischend direkt. Es müssen noch etliche dicke Bretter gebohrt werden, bis auch die Allerletzten bemerken, dass sie den Ast absägen, auf dem sie sitzen.
Da bin ich aber auf die Antwort gespannt!
Frau Winkelmeier-Becker MdB, CDU, antwortete:
Sehr geehrte Frau Fischer,
die Frage einer gesetzlichen Quote ist mir in der Tat wichtig und ich halte es für erstrebenswert, hier noch in dieser Legislaturperiode zu einem greifbaren Ergebnis, d.h. zu einer gesetzlichen Regelung für die Besetzung von Aufsichtsräten (evtl. auch Vorständen) in den großen Unternehmen unseres Landes zu kommen. Meines Erachtens brauchen wir mehr Frauen in Führungspositionen, weil sie andere Sichtweisen und andere Lebenserfahrung einbringen, die für bessere Entscheidungen in den Führungsgremien der Wirtschaft, Verwaltung und Politik gebraucht wird. Es ist außerdem ungerecht, wenn gleich gute Qualifikationen nicht zu gleichen beruflichen Chancen für Frauen führen; die Zahlen, die Ihnen vielleicht nicht bekannt sind, sprechen da eine eindeutige Sprache: Wenn wir – auch in den relevanten Studiengängen Rechts- und Wirtschaftswissenschaften – gleich viele und (mindestens) gleich gute Abschlüsse von Frauen wie von Männern haben, in den Vorständen der Dax-Unternehmen aber ein Verhältnis von 97% Männern zu 3% Frauen besteht, dann ist das nur mit strukturellen Ungerechtigkeiten zu erklären (die ich Ihnen detaillierter erklären könnte, wenn Sie sich dieser Seite der Realität einmal zuwenden wollten). Ich halte auch folgenden Zusammenhang für wichtig: junge Eltern wären oft gerne bereit, z. B. ein Jahr länger zugunsten der Kinderbetreuung auf die (vollzeitige) Rückkehr in den Beruf zu verzichten. Die Erfahrung zeigt aber bisher, dass damit schnell ein Karriereknick verbunden ist. Hier liegt eine der wesentlichen Ursachen dafür, dass so wenige Frauen die Sprung in Führungspositionen schaffen. Das löst einen hohen Druck aus, schnell in den Beruf zurückzukehren. Maßnahmen der Frauenförderung und verbindliche gesetzliche Rahmenbedingungen, durch die Chancen für qualifizierte Frauen besser gewahrt werden, können gerade auch den Frauen helfen, die eine Weile zugunsten der Familie den Beruf zurückgestellt haben. Ich freue mich darüber, dass dieses Thema auch in den Medien Interesse findet. Es ist allerdings keineswegs das einzige Thema, das mir und den Kolleginnen und Kollegen der Unionsfraktion wichtig ist, wir sind keineswegs nur auf dieses Thema und auf die Situation von qualifizierten berufstätigen Frauen beschränkt. Um nur einige Themen zu nennen, um die wir uns ebenfalls kümmern:
1. Bekämpfung der eklatanten Lohnungleichheit, die sich durch alle beruflichen Ebenen zieht und in Deutschland mit 23% deutlich über dem EU-Durchschnitt liegt. Hier gibt es Modellprojekte des Ministeriums, wie Lohnungleichheit aufgedeckt werden kann. Die Einführung eines Mindestlohns in der Pflege war ein wichtiger Schritt, der vor allem Frauen in dieser Branche zugute kommt. Hier sind Verbesserungen durch gesetzliche Maßnahmen allerdings schwierig zu erzielen, so dass sich viele Forderungen z.B. auch an die Gewerkschaften und Arbeitgeber richten.
2. Altersarmut, die insbesondere Frauen mit nicht durchgängigen Berufsbiographien betrifft; hier haben Sie anscheinend die Pläne von Ministerin von der Leyen zur Zuschussrente und die Forderungen aus der Frauenunion zur Aufwertung der Kindererziehungszeiten in der Rente für die bis 1992 geborenen Kinder übersehen.
3. Minijobs: hier geht der kurzfristige scheinbare Nutzen auf Kosten der eigenständigen sozialen Absicherung und auf Kosten beruflicher Entwicklungschancen von Frauen; auch hier setzen wir uns für eine Verbesserung der gesetzlichen Regelungen ein, damit sie keine falschen Anreize zur Ausnutzung von Frauen und zum Verharren in geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen setzen.
4. Absicherung und bessere Durchsetzung des Anspruchs auf Mütter- bzw. Mutter-Kind-/Vater-Kind-Kuren; als Mitglied des Kuratoriums des Müttergenesungswerkes (und auch aufgrund persönlicher Erfahrung, s.u.) ist mir die kräftezehrende Wirkung der Belastungen von Müttern sehr wohl bekannt; auch für diese Frauen und das MGW setze ich mich mit hohem Zeitaufwand ein.
5. Ich selbst bin als Bundesvorsitzende des Katholischen Arbeitskreises Familienerholung (KAFE e.V)ebenfalls im Einsatz, um Familien aller Einkommensschichten Erholung in einer familienfreundlichen Umgebung zu ermöglichen. Mit mir engagieren sich einige Kollegen dafür, z.B. bessere steuerliche Rahmenbedingungen zu schaffen, um dieses Angebot auch in Zukunft zu erhalten.
6. Unterstützung der „Wiedereinsteigerinnen“, die nach einer Familienphase in den Beruf zurück wollen. Hierzu gibt es ein Modellprojekt des BMFSFJ. Wir würden diese Frauen gerne außerdem durch eine Verbesserung bei den haushaltsnahen Dienstleistungen unterstützen; diese Pläne stehen allerdings unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit – sind also leider sehr schwer umzusetzen.
7. Einschränkung der Prostitution und des Menschenhandels: hier brauchen wir nach der praktisch unbeschränkten Liberalisierung durch Rot/Grün wieder einige Schutzvorschriften, vor allem um Frauen vor der Ausnutzung in erzwungener Prostitution zu schützen.
8. Bekämpfung der Beschneidung: vielleicht ist Ihnen bekannt, dass auch in Deutschland Frauen und junge Mädchen davon betroffen sind, an ihren äußeren Genitalien ohne Betäubung in brutaler Weise beschnitten zu werden (durchgeführt zumeist in ihren Heimatländern). Hier setzen wir uns für eine verbesserte und klarere strafrechtliche Sanktionierung ein.
9. Beim Thema Ehegattensplitting (ähnlich bei der beitragsfreien Mitversicherung in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung) gehen die Meinungen auseinander, was den Frauen mehr hilft: wir setzten uns weiter dafür ein, dass das Ehegattensplitting erhalten bleibt. Für uns ist Wahlfreiheit weiterhin die Richtschnur für unsere Familien- und Frauenpolitik; wo ein Ehepartner wegen der Übernahme von Familienaufgaben auf Berufstätigkeit (teilweise) verzichtet, muss das bei der steuerlichen Leistungsfähigkeit berücksichtigt werden. Alle Oppositionsparteien fordern dagegen durchgängig, diese Vergünstigung abzuschaffen, um vor allem die Situation von Hausfrauen unattraktiver zu machen und sie zur Berufstätigkeit zu bringen.
10. Bei der Reform des Unterhaltsrecht in der vergangenen Legislaturperiode war es mein persönliches Anliegen, die typische Situation der „ersten Ehefrau“, die wegen der Kindererziehung auf berufliche Chancen verzichtet hat, im Fall der Scheidung angemessen zu berücksichtigen und ich halte mir zugute, einige Verschlechterungen abgewendet zu haben. Es wäre mein Anliegen, hier wieder mehr Sicherheit und Berechenbarkeit für Frauen in dieser Situation zu ermöglichen.
Sie sehen, das Spektrum der Aktivitäten geht weit über das Thema Quote hinaus, wir haben bei weitem nicht nur die Frauen im Blick, die eine berufliche Karriere anstreben. Auch in den anderen Themen gibt es allerdings bisher wenig „Greifbares“ für unsere frauenpolitische Bilanz. Meines Erachtens sind letztlich alle genannten Themen Ausdruck einer verbreiteten Einstellung, die die typischen Leistungen von Frauen in der Familie und im Beruf zu gering schätzt, ob es um Führungspositionen, um typische Frauenberufe im Dienstleistungsbereich oder um die Aufgabenverteilungen in der Familie und die Würdigung dieser Tätigkeit geht.
Ich selbst habe übrigens drei Kinder, für die ich viele Jahre meine Berufstätigkeit als Richterin am Amtsgericht eingeschränkt oder unterbrochen habe, verbunden mit dauerhaftem Verzicht auf berufliche Chancen, und trotzdem gerne, weil mir die familiären Aufgaben (und der volle Einsatz meines Mannes in seinem Beruf) es wert waren. Die Beschäftigung mit den Fakten und Strukturen in unserer Gesellschaft und in der Arbeitswelt durch meine politische Arbeit hat mir aber nachdrücklich gezeigt, dass es vielfach behindernde Strukturen und Klischees sind, die die Chancen von Frauen in ungerechter Weise einschränken. Hier muss es einige Veränderungen geben, um schlichtweg zu mehr Gerechtigkeit für die Frauen in ihren unterschiedlichsten Lebenssituationen zu kommen, und gleichzeitig zu einer anderen, gemischten Besetzung der entscheidenden Führungsgremien als Voraussetzung für bessere Ergebnisse in Wirtschaft, Verwaltung und Politik. Auch wenn diese Themen Sie in ihrer persönlichen Lebenssituation nicht betreffen und Sie die Themen aus Ihrer subjektiven Warte deshalb nicht für erheblich halten, sollten Sie zur Kenntnis nehmen, dass diese Themen für andere Frauen durchaus wichtig sind. Unterstützung bei Themen wie Quote und Entgeltungleichheit kommt übrigens auch von Verbänden wie den Landfrauen oder dem Katholischen Frauenbund, denen eine einseitige Focussierung auf Frauen in Karriereberufen sicher nicht vorzuwerfen ist. Als Lektüre empfehlen ich Ihnen den Ersten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung, der die strukturellen Einschränkungen für Frauen im Lebensverlauf beleuchtet (auf der Homepage des BMFSFJ zu finden). Hier zeigt sich auch: die meisten Frauen und ihre Familien durchlaufen in ihrem Leben verschiedene Modelle: Einer Zeit der Berufstätigkeit folgt nach der Geburt von Kindern oft eine Zeit mit mehr Familienarbeit, die die Eltern unterschiedlich nach ihren eigenen Vorstellungen aufteilen; häufig ist es die Mutter, die ihre berufliche Arbeit zurückstellt. Mehr Solidarität zwischen den Frauen, weniger Unverständnis oder gar Neid gegenüber denjenigen, die anders leben (gibt es auch bei „Karrierefrauen“, die andere um ihr Familienleben und -oft überschätzte- Leistungen wie Kindergeld und Ehegattensplitting beneiden) und dabei andere Probleme haben, wären hier hilfreich. Was den Frauen in diesen verschiedenen Situationen gewiss nicht weiterhilft ist Schubladendenken, das die einen Familien- und Lebensmodelle gegen die anderen ausspielt. Eine Politik, die Wahlfreiheit ernst nimmt, muss alle diese Lebenssituationen im Blick zu halten. Das ist auch unser Anspruch.
Mit freundlichen Grüßen
Elisabeth Winkelmeier-Becker
Elisabeth Winkelmeier-Becker MdB
Platz der Republik 1
11011 Berlin
Tel: 030-227-70103
030-227-70104
Fax: 030-227-76102
Mail: elisabeth.winkelmeier-becker@bundestag.de
http://www.elisabeth-winkelmeier-becker.de
Antwort der ELTERNINITIATIVE FÜR FAMILIENGERECHTIGKEIT im Lkr. Ravensburg
Sehr geehrte Frau Winkelmeier-Becker,
zunächst einmal bedanke ich mich im Namen der mit uns verbundenen Eltern ausdrücklich für Ihr detailliertes Antwortschreiben auf unseren Vorwurf einer überaus dürftigen Bilanz der CDU- Frauen- und Familienpolitik. Wir stellen fest, dass Ihre Aktivitäten durchaus vielfältig, wenn auch nicht immer von Erfolg gekrönt sind. Offensichtlich sind die Medien, hier FOCUS, lediglich daran interessiert, wieweit die Frauenquote vorankommt. Alles andere interessiert demnach nicht. Vor allem würdigen wir Ihren Einsatz bei der Einschränkung von Prostitution und Menschenhandel.
Trotzdem geben wir zu bedenken: Eine zu 97% männliche Vorstandschaft in DAX- Unternehmen kann u. E. nicht allein auf strukturelle Ungerechtigkeit zurückzuführen sein. Vielmehr: Frauen wollen mehrheitlich gar nicht in männliche Domänen vordringen, weil ihnen Machtgehabe und Karrieregerangel mit der damit verbundenen Vereinsamung nicht erstrebenswert erscheinen. Frauen sind anders gepolt. Ihnen liegen zwischenmenschliche, also familiäre Werte am Herzen. Als Feministin werden Sie uns hier natürlich widersprechen, denn der Feminismus leugnet geschlechterspezifische Wertvorstellungen. Ihm gilt: egal ob Mann oder Frau – jeder kann und soll alles können, bzw. anstreben. Das Problem ist nur, es funktioniert nicht. Denn sonst gäbe es mindestens gleich viele weibliche wie männliche Bewerber auf einen Vorstandssessel. In Norwegen z. B. müssen die Damen drei und mehr Vorstandsposten übernehmen, nur um die gesetzliche Quote abzudecken. Gerade deshalb, argumentieren Sie, sollten Frauen mit wesentlich mehr Lebenserfahrung die Männer ablösen. Unsere Frage: Haben denn die weiblichen Bewerber tatsächlich mehr Lebenserfahrung? Wie lässt sich diese begründen? Die meisten Karrierefrauen haben weder Kinder noch Partner, weil ihnen dazu keine Zeit bleibt. Es handelt sich demnach um weibliche Männer mit entsprechend geringer Lebenserfahrung. Wie wäre es denn statt einer Frauenquote mit einer Eltern- oder Mütterquote auf DAX-Vorstandssesseln? Väter und Mütter wissen und können mehr als Singles.
Sie beklagen die strukturelle Lohnungleichheit auf allen beruflichen Ebenen. Die stärkste Lohnungleichheit besteht jedoch zwischen herkömmlicher Erwerbsarbeit und elterlicher Erziehungsarbeit und zwar unabhängig davon, ob die jeweilige Arbeit von Frauen oder Männern geleistet wird. Würde Erziehungsarbeit als gleichberechtigt anerkannt und bewertet, dann gäbe es auch keine so ausgeprägte Benachteiligung der Frauen. Dann gäbe es auch viel mehr Männer, die lieber ihre Kinder erziehen würden, als einer ungeliebten Erwerbsarbeit nachzugehen. Dann hätten Frauen auch mehr Karrierechancen, wenn sie das wünschen.
Des Weiteren beklagen Sie zu Recht die Benachteiligungen, die Frauen wegen ihrer Erziehungsleistung erfahren, z. B. Altersarmut. Dies ist nun aber ein speziell politisches Problem, das niemand anderes als die Politik lösen kann. Allein mit der Umsetzung der familienbezogenen Urteile des BverfGs wäre eine Gleichstellung von Eltern mit Nichteltern sofort zu erreichen. Bis heute boykottierten durchweg alle Regierungen dessen Vorgaben. Ebenso kann sich die Wirtschaft ohne politische Rahmensetzung leicht aus der Verantwortung stehlen. In den Niederlanden z. B. muss die Wirtschaft ein Drittel des Betreuungsgeldes beisteuern, das andere Drittel der Steuerzahler und das letzte Drittel die Eltern selbst, die ja über zwei Einkommen verfügen. Die Crux ist, dass Altersbezüge sich fast nur aus Erwerbslöhnen herleiten und nicht aus unbezahlter Erziehungsarbeit. Elterliche Erziehungsleistung scheint deutschen Politikern nur wertloses Nasenwasser zu sein. Hier ist, Sie werden es zugeben müssen, die Bilanz deutscher Familien-und Sozialpolitik bisher mehr als dürftig! Anders als bei unseren europäischen Nachbarn wird nur in Deutschland um 150 Euro Betreuungsgeld erbost gestritten, absurderweise jedoch nicht um die achtmal so teure steuerfinanzierte Krippenbezuschussung. Es ist auch kein Geheimnis, dass deutsche Familienpolitik inzwischen zum Handlanger des Arbeitsmarktes verkommen ist. Die Devise heißt: Mütter an die Erwerbsfront, sonst verhungern unsere Rentner. Was aus den entmutterten Kindern wird, das interessiert niemanden.
Wie wir schon in unserem ersten Schreiben an Sie warnten: Der deutsche Geburtenrückgang ist hausgemacht. Mühsam versucht man nun politischerseits die Vorteile des demographischen Schwundes hochzujubeln. Die unschöne Realität wird uns in kurzer Zeit eingeholt haben.
Zu guter Letzt, Frau Winkelmeier-Becker, wir spielen nicht Mütter gegeneinander aus, wie Sie uns zwischen den Zeilen unterstellen. In unserem Forum versammeln sich Eltern mit völlig verschiedenen Familienmodellen, entsprechend ihrer Bedürfnislage. Was uns aber eint ist der Zorn über eine Politik, die erwerbstätige Eltern bevorzugt und die anderen fallen lässt. Einer Berechnung des Arztes Dr. Johannes Resch zufolge wird heute eine Familie innerhalb von sieben Jahren um sage und schreibe 100 000 Euro betrogen, wenn sie ihre drei Kinder selbst betreut, gegenüber jener, die ihre drei Kinder ab dem 13. Monat in eine Krippe gibt (Elterngeld, Krippenzuschuss). Nennen Sie das Gerechtigkeit? Hier geht es also um harte Fakten und nicht um gegenseitiges Ausspielen.
In der Hoffnung, Ihnen unsere Sichtweise ein wenig näher gebracht zu haben, grüße ich Sie im Namen der ELTERNINITIATIVE FÜR FAMILIENGERECHTIGKEIT im Landkreis Ravensburg
i. A. Bärbel Fischer