Die Gütersloher Bertelsmannstiftung profiliert sich erneut als konsequente Verfechterin einer möglichst frühen und ganztägigen staatlichen „Betreuung und Bildung“ für Kinder und Jugendliche (vgl. z.B. zuletzt Jörg Dräger zum Betreuungsgeld: Eine „Verdummungsprämie für Kinder“). Wie bereits in der Vergangenheit stützt sie sich dabei auf methodisch fragwürdige Ergebnisse.
In Bayern nutzen nur 10,5% aller Schüler die Ganztagsbeschulung, in Mecklenburg-Vorpommern 73,3%. Im Leistungsvergleich schneiden jedoch die Schüler der Südländer auffällig besser ab. Wo werden also Kinder „verdummt“? Im Elternhaus oder in der familien-fernen Ganztagsbetreuung? Die Erkenntnis des Bildungsgefälles von Süd nach Nord ist nicht neu, wird aber gerade von der wirtschaftsorientierten Bertelsmannstiftung eisern ignoriert. Ziel und Zweck solcher „Studien“ ist demnach einzig die Mehrung von billigen Frauenarbeitsplätzen. Man kann den schillernden Begriff „Vereinbarkeit“ ohne Weiteres mit „Kindesentsorgung“ übersetzen.
Ihren Worten stimme ich von ganzem Herzen zu, Frau Fischer!
Jedem, der sich für die negativen Auswirkungen einer Verlängerung der Schulzeit durch Ganztagsschulen interessiert, empfehle ich das Buch „VERDUMMT NOCH MAL!“ von John Taylor Gatto (Genius Verlag).
Herr Gatto war über 30 Jahre lang selbst Lehrer und wurde mehrfach in New York als „Lehrer des Jahres“ ausgezeichnet. Sein Buch löste in Amerika eine Schockwelle und viele Diskussionen aus.
Hier eine Aneinanderreihung von Zitaten:
Wir brauchen nicht mehr Schule – wir brauchen weniger.
Wenn man die kommunale Natur von institutionalisierten Familien wie Schulen…in Betracht zieht, wird meist nicht berücksichtigt, dass sie gar keine wirklichen Gemeinschaften sind, sondern Netzwerke.
Aber ein Vampirnetzwerk, wie eine Schule es ist, raubt große Anteile an Zeit und Energie, die dafür nötig wären, um echte Gemeinschaft und Familie aufzubauen, und will immer noch mehr.
Netzwerke allerdings brauchen nicht die ganze Person, sondern nur einen schmalen Ausschnitt von ihr. Das Netzwerk verlangt von Ihnen, alle anderen Teile Ihrer Persönlichkeit zu unterdrücken und nur den Teil zu zeigen, der für das Netzwerk interessant ist – ein hochgradig unnatürlicher Akt.
So rauben Netzwerkschulen den Gemeinschaften die Vitalität und ersetzen sie durch hässlichen Mechanismus. Niemand überlebt den jahrelangen Aufenthalt an diesen Orten, ohne Schaden an seiner Menschlichkeit zu nehmen.
Hinter der Absurdität, dass Netzwerke wie Gemeinschaften aussehen (aber keine sind), lauert das groteske Geheimnis der Massenschule, und das ist der Grund, warum eine Ausweitung des Herrschaftsgebietes der Schule den Zustand des sozialen Zerfalls, den sie korrigieren soll, nur verschlimmern würde.
Die Führungsriege von Institutionen betrachtet sich heute selbst als synthetische Väter für Millionen synthetischer Kinder, womit wir alle gemeint sind. Diese Theorie sieht uns in einer Art abstrakten Familienbeziehung verbunden, wobei der Staat die wahre Mutter- und Vaterrolle einnimmt und daher auf unserer primären Loyalität bestehen kann.
Der tiefste Zweck dieser gigantischen Netzwerke besteht darin, zu regulieren und gleichförmig zu machen. Da die Logik von Familie und Gemeinschaft darin liegt, im Umkreis eines zentralen Themas der Vielfalt Raum zu geben, richten Institutionen immer dann, wenn sie vermehrt in persönliche Angelegenheiten eingreifen, großen Schaden an. Indem wir den Schwerpunkt unseres Lebens von Familien und Gemeinschaften auf Institutionen und Netzwerke verlagert haben, haben wir letztendlich eine Maschine zum König gesalbt.
So weit John Taylor Gatto, dessen Gedanken um vieles mehr kreisen. Wie gesagt – sein Buch ist außerordentlich lesenswert.
Mir wurde das Buch schon kurz nach seinem Erscheinen in Deutschland empfohlen und ich kann nur zustimmen: Es ist wirklich toll.
Vielleicht könnte man noch erwähnen, dass J. T. Gatto Netzwerke nicht grundsätzlich ablehnt, weil viele sehr nützlich sind und die Arbeit erleichtern. Er warnt nur vor Netzwerken, die sich als Gemeinschaft ausgeben und gar keine sind. Als echte Gemeinschaft nennt er immer wieder die Familie.