Das Bonner Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) hat eine Pressemitteilung veröffentlicht zu der Frage, wie Eltern das Kindergeld verwenden.
http://idw-online.de/de/news505826
Dazu ein Kommentar.
Sehr geehrter Herr Fallak,
soeben las ich die Pressemitteilung des idw zur Studie: Verwendung von Kindergeld.
Leider wird in dem Schreiben nicht erwähnt, dass das Kindergeld keine Gabe aus dem staatlichen Füllhorn ist, sondern die Rückgabe der Steuern, die zuvor unrechtmäßig auf das Existenzminimum der Kinder erhoben wurden. Nur für die Geringverdiener muss der Steuerzahler das Kindergeld berappen. Das bedeutet, dass Eltern zu zwei Dritteln ihr Kindergeld selbst erwirtschaftet haben. Wie jeder erwachsene Arbeitnehmer sein Existenzminimum unversteuert verbraucht, so steht dies auch Kindern zu, denn Kinder wollen ja auch ernährt und gekleidet sein etc.
Es ist doch gar keine Frage, dass die Eltern das Kindergeld für den Lebensunterhalt der Kinder dringend brauchen und verbrauchen, ja meist kosten die Kinder weit mehr als die 7008 Euro jährlich. Ich verstehe nicht weshalb überhaupt per Studie untersucht werden muss, ob und wofür die Eltern diese Steuerrückerstattung ausgeben, wo die 7008 Euro nicht einmal ausreichen, um die jährlichen Unterhaltskosten eines Kinder zu decken, was ja das Ergebnis der Studie auch zeigt. Wie gesagt: das Kindergeld ist
R e c h t s a n s p r u c h und keine milde Gabe!
Ich halte eine solche Studie schon allein deshalb für absurd, weil sie ein generelles Misstrauen gegenüber Eltern verrät. Werden Singles etwa befragt, wofür sie den Steuerfreibetrag auf ihr Existenzminimum ausgeben? Oder sollte wieder einmal „nachgewiesen“ werden, dass Eltern keine wirtschaftliche Kompetenz besitzen und das Kindergeld versaufen? Diesen Verdacht halte ich für einen neuerlichen Angriff auf die verfassungsrechtliche Autonomie der Eltern.
Mit freundlichem Gruß
i. A. Bärbel Fischer
Sehr geehrte Frau Fischer,
die von Ihnen zitierte Studie eines Wissenschaftlers der Lousiana State University untersucht ein Phänomen, dass die Ökonomen als „Labeling-Effekt“ bezeichnen. Die klassische ökonomische Theorie geht davon aus, dass Individuen bzw. Haushalte ihre Ausgabenentscheidungen auf Basis des verfügbaren Einkommens treffen – völlig unabhängig davon, aus welchen Quellen dies sich speist. Dem widerspricht die Studie insofern, als die analysierten Daten darauf hindeuten, dass Eltern in Deutschland im Durchschnitt zusätzliches Einkommen aus Kindergeld anders verwenden, als wenn sie die gleiche Summe aus anderen Quellen beziehen (seien es Lohnerhöhungen, staatliche Transfers oder andere Formen von Zusatzeinkommen). Die Existenz eines solchen „Labeling-Effekts“ ist in der Ökonomie umstritten, zumal Datenanalysen aus anderen Ländern keine messbaren Unterschiede bei der Mittelverwendung feststellen.
Die der Studie zugrunde liegende Fragestellung ist also eine mikroökonomische, keine politische. Was mögliche politische Implikationen angeht, ist mir nicht ganz klar, warum Sie unterstellen, es solle Misstrauen gegenüber Eltern geschürt werden – tatsächlich ist genau das Gegenteil der Fall: Wie schon aus dem Titel der von Ihnen zitierten Pressemitteilung hervorgeht („Eltern geben Kindergeld sinnvoll aus“), widerspricht die Studie ja gerade der polemischen Argumentation, jeder zusätzliche Euro würde ja „doch nur in Zigaretten, Alkohol und Flachbildfernseher gesteckt“. Ich verstehe also nicht, warum Sie es als „Angriff auf die elterliche Autonomie“ auffassen, wenn eine wissenschaftliche Studie dieses Vorurteil mittels empirischer Daten widerlegt.
Mit freundlichen Grüßen
Mark Fallak
Sehr geehrter Herr Fallak,
die ständigen Angriffe auf kindergeldverqualmende und -versaufende, bildungsverhindernde und erziehungsunfähige Eltern haben reflexartige Abwehrreaktionen hervorgerufen. Dennoch hat die Untersuchung hinsichtlich der Verwendung von Kindergeld – also Rückerstattung von zuviel gezahlten Steuern an Eltern – mehr als ein „Geschmäckle“. Immerhin kann ich mich nicht erinnern, dass es je eine Erhebung darüber gab, wie Börsen-Spekulanten ihre Steuerrückerstattungen verwenden – gleichen sie damit die von ihnen verursachten Schäden aus oder Geschäftsführer die durch Fehlentscheidungen ganze Unternehmen ruiniert haben – unterstützen sie mit der Steuerrückerstattung jene Arbeitnehmer, die ihren Job verloren haben? oder Politiker die aus wahltaktischen Gründen Schuldenberge für die nächsten Generationen anhäufen, zahlen sie Steuerrückerstattungen vielleicht sogar zurück? Schelm der Böses dabei denkt!!!
Vielleicht wird jetzt „ganz klar“, warum dieser Untersuchung unterstellt wird, es solle Misstrauen gegenüber Eltern schüren. Nix für Ungut, alles andere ist naiv.
Mit freundlichen Grüßen
Erdmann Theresia
Das nennen Sie Polemik, Herr Fallak, wenn sich Eltern darüber aufregen, dass man ihnen „wissenschaftlich“ in ihren Geldbeutel schaut, um nachzuweisen, ob das Kindergeld komplett für den Kindesunterhalt draufgeht? Für diese Untersuchung muss doch die Ausgangsfrage gestellt worden sein: Kommt das Kindergeld tatsächlich den Kindern zugute, oder doch eher dem Bedarf der Eltern? Um diese Frage geht es. Wer hat Interesse an einer solchen Untersuchung? Wer hat diese Studie in Auftrag gegeben, bzw. finanziert? Dient sie dem Vorhaben, das Kindergeld auf den Prüfstand zu stellen, um es evtl. zu reduzieren? Das Ergebnis der Studie zeigt doch glasklar, dass diese Fragestellung völlig unnötig war. Ein einziger Blick in den horizontalen Vergleich des frei verfügbaren Einkommens von Familien und Nichtfamilien ( Deutscher Familienverband, Berlin ) hätte den Wissenschaftlern gezeigt, wie sich die finanzielle Lage von Familien mit jedem Kind verschlimmert. Würden sich statt dessen die Akademiker einmal mit Fragen der Generationengerechtigkeit beschäftigen und die skandalösen Strukturen in unseren Sozialgesetzen aufdecken, welche Kinderlosigkeit begünstigen, Elternschaft aber abstrafen, dann würde das Sinn machen.
Die jüngst veröffentlichte Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung rät den Frauen nun, sich von ihrem Leitbild der „guten Mutter“, also der Vollzeitmutter, zu verabschieden, damit sie – man reibt sich die Augen – wieder mehr Kinder gebären! Wie bitte? Wir müssen unseren Töchtern also beibringen, nur mittelmäßige Mütter werden zu wollen (denn sie sollen ja „gute Arbeitnehmerinnen“ sein). Sie brauchten ihre Kinder ja auch nur zu gebären, aufgezogen würden sie dann abseits – kein Problem! Bisher galten Vollzeitmütter ( wir sprechen von 3 Jahren!) doch als Inbegriff schlechter Mütter, weil sie zu wenig beruflichen Ehrgeiz zeigten und den Nachwuchs fernhielten vom Kinderparadies Krippe. Erst Erwerbstätigkeit mache aus ihnen bessere, weil zufriedenere Mütter.( Die Praxen der Psychotherapeuten sind übrigens voll von „zufriedenen“ Müttern ) Ja was denn nun?
Herr Fallak, verstehen Sie nun, dass Eltern endgültig genug haben von hirnrissigen Studien?
Bärbel Fischer
Was mich an dieser offensichtlichen „Auftragsstudie“ enorm stört ist die Tatsache, dass vom „Ausgeben“ des Kindergeldes gesprochen wird. Diese Formulierung suggeriert, dass das KG frei verfügbares Einkommen sei, das man nach Herzenslust beliebig unter die Leute bringen könne. Doch das ist FALSCH!
In Wirklichkeit haben wir Familien doch allein durch unsere Kinder regelmäßige kindbedingte Lebenshaltungskosten wie die größere Wohnung, Heizung, Strom und Wasser dafür, das größere Auto, Lebensmittel, Kleidung usw. – also alles gebundene Ausgaben, über die wir NICHT frei verfügen können. Das KG dient in erster Linie zur Deckung eines kleinen Teils dieser Fixkosten und kann daher gar nicht mehr „ausgegeben“ werden (z. B. weil es Vermieter und Stadtwerke schon abgebucht haben).
Es wäre schön, wenn wir „Familienbewegte“ das Bewusstsein der Öffentlichkeit für diese Zusammenhänge schärften könnten – denn dann würde sich auch das Märchen auflösen, wonach wir die staatliche „Förderung“ frei ausgeben uns sogar „versaufen“ können.
Was mich an dieser Diskussion etwas stört, ist dass sich scheinbar kaum jemand hier die Mühe gemacht hat, das Forschungspapier überhaupt mal zu lesen. Typisch deutsch: man schimpft reflexartig auf die „Macher“ von „Studien“, wenn das Ergebnis einem nicht passt – wobei es hier ironischerweise nicht einmal das Ergebnis ist, sondern die bloße Fragestellung, die die Leute auf die Palme bringt. Ich bin selbst Ökonom (Asche auf mein Haupt), beschäftige mich vor allem mit verhaltensökonomischen Fragen und kenne von daher auch die IZA-Diskussionspapier-Reihe seit einigen Jahren. Das sind übrigens keine „Auftragsstudien“, sondern Veröffentlichungen von unabhängigen Wissenschaftlern aus aller Welt und jeglicher Couleur. Die Papiere erscheinen später in referierten Fachzeitschriften. Das sind inzwischen über 7000 Titel zu zig verschiedenen Themen (wie z.B. Land-Stadt-Wanderung in China) – soll mir mal jemand erklären, wer die alle in Auftrag gegeben hat. Ich empfehle einen Blick auf http://www.iza.org/en/webcontent/publications/papers damit sich jeder sein eigenes Urteil machen kann.
Soviel zur Versachlichung. Jetzt aber noch zum Thema: In der Studie geht es um die Frage, wenn ich irgendwoher einen zusätzlichen Euro kriege, macht es dann einen Unterschied, ob der als „Kinder“-geld „deklariert“ ist oder nicht. Die Daten sagen: ja. Das ist vor allem eine psychologische Frage. Da geht es nicht darum, ob das Kindergeld gerecht, ungerecht, zu hoch, zu niedrig, was auch immer ist. Es geht nur um die Bezeichnung!! Würde man es „Steuerrückerstattung auf das Existenzminimum“ nennen (was ja hier scheinbar einige lieber sehen würden), müsste man davon ausgehen, dass davon weniger bei den Kindern ankommt. Soweit das Ganze aus verhaltensökonomischer Sicht, auch wenn man das aus subjektiver Sicht nicht glauben mag. Meine persönliche Meinung ist, es gibt einige wenige „schwarze Schafe“, die ein Kind nach dem anderen in die Welt setzen, von Hartz IV leben, weder Bock auf Arbeiten noch auf Kindererziehung haben und tatsächlich ihr Geld versaufen und verrauchen (oder Hunderte Euros mit dem Handy vertelefonieren, Peter Zwegat lässt grüßen). Die Medien stürzen sich auf sowas, weil das natürlich eine super Story ist. Deswegen wird es immer eine öffentliche Diskussion um „Leistungsmissbrauch“ geben. Und bei diesen Einzelfällen spielt es keine Rolle, ob die fehlverwendete Leistung nun eine „milde Gabe“ oder ein gesetzliches Anrecht ist. Diese schwarzen Schafe sorgen dafür, dass es bei der wichtigen politischen Diskussion um Maßnahmen der Familienförderung immer wieder um die Frage geht, inwieweit man vor allem den „bildungsfernen Schichten“ vertrauen kann, im Sinne des Kindeswohls zu handeln. Das ist natürlich alles andere als zielführend. Aber genauso wenig zielführend ist meines Erachtens, auf Studien zu schimpfen (ohne sie gelesen zu haben), weil sie ein „Tabuthema“ behandeln. Das ist so als wenn es eine Studie gäbe, die anahnd von Zahlen das Vorurteil ausräumt, der Anteil an Kriminellen wäre unter Immigranten viel höher als unter der einheimischen Bevölkerung. Und dann schreien plötzlich alle: „Das ist ja wohl eine Frechheit, sowas überhaupt zu untersuchen! Damit unterstellt man ja von vornherein, dass Ausländer alle kriminell sind! Soll lieber mal jemand untersuchen, wie viele Bänker kriminell sind!“
So erscheint mir diese Diskussion hier. Aber nix für ungut – ich hoffe, es fühlt sich niemand persönlich angegriffen und mein Beitrag schafft es durch die Moderation 🙂
Seltsam, dass sich schwarze Schafe anscheinend nur unter Eltern befinden, die ein Kind nach dem anderen in die Welt setzen, und HartzIV-lern, die keinen Bock auf Arbeiten haben. Zur Versachlichung des Kindergeldes: Wer die 36 Milliarden Euro Kindergeld für bare Münze nimmt, weiß offenbar nicht, dass gut zwei Drittel davon nur die Rückgabe von Diebesgut sind, nämlich die Kompensation der eigentlich verfassungswidrigen Besteuerung des kindlichen Existenzminimums; seit 1996 ist das Kindergeld nämlich nicht mehr im Kindergeldgesetz, sondern im Einkommenssteuerrecht geregelt (§§ 32 Abs. 6 und 61 f EStG)
– Dr. Jürgen Borchert –
Es geht also nicht nur um die Bezeichnung!! Sondern um Fakten auch wenn manche das gerne anders sehen würden. Nix gut ungut.