Angriff auf die bürgerliche Familie

Die jüngsten höchstrichterlichen Urteile sind eine Breitseite gegen das traditionelle Familienbild. Konsequent zu Ende gedacht, 
brauchen Paare keinen Trauschein mehr – sondern Vollzeitjobs und Kitas. Ein Kommentar von Christoph Schäfer, gestern erschienen in   stern-de
Mit dem jüngsten Richterspruch aus Straßburg ist das Ideal der klassischen Familie mit Trauschein endgültig sturmreif geschossen. Bisher galt, dass in Deutschland nicht verheiratete Väter nur mit Zustimmung der Mutter ein gemeinsames Sorgerecht erhalten. Die Richter des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte entschieden nun, ein lediger Vater dürfe beim Sorgerecht nicht anders behandelt werden als die Mutter oder ein verheirateter Vater. Eine historische Zäsur, die den Trauschein entbehrlich macht.

Und eine Fehlentscheidung. Der Trauschein ist das verschriftlichte Versprechen, ein Leben lang zusammen zu bleiben. Er steht für lebenslange Verlässlichkeit – und materielle Sicherheit. In Artikel 6 des Grundgesetzes ist deshalb nicht nur der Schutz der Familie, sondern auch der Schutz der Ehe festgeschrieben. Diese besondere Wertschätzung beruht darauf, dass die Ehe nach Ansicht des Verfassungsgebers das ideale Umfeld für heranwachsende Kinder ist, ohne die auf Dauer keine staatliche Gemeinschaft existieren kann.

Die Bedeutung der Ehe liegt darin, dass sie als „Keimzelle des Staates“ Vorstufe zur Familie ist. Artikel 119 der Weimarer Reichsverfassung brachte diesen Kerngedanken, der auch dem heutigen Grundgesetz zu Grunde liegt, in antiquierter Sprache auf den Punkt: „Die Ehe steht als Grundlage des Familienlebens und der Erhaltung und Vermehrung der Nation unter dem besonderen Schutz der Verfassung.“

Torpedo auf die Verlässlichkeit der Ehe

Das Straßburger Urteil ist indes nur der Schlusspunkt in der immer liberaleren Rechtsprechung der vergangenen Jahre. Der erste Torpedo auf die Verlässlichkeit der Ehe mit all ihren Folgen kam schon von der Großen Koalition, die das Unterhaltsrecht zum 1. Januar 2008 reformierte. Auf dieser Grundlage urteilte der Bundesgerichtshof Mitte März dieses Jahres, dass ein Vater aus Berlin seiner Ex-Frau keinen Unterhalt mehr für die Betreuung des gemeinsamen, chronisch kranken siebenjährigen Sohnes zahlen muss. Nach altem Recht stand der Ex Betreuungsgeld zu, weil sie angesichts der Krankheit ihres Kindes „nur“ eine 70-Prozent-Stelle annehmen wollte. Ihr Ex-Mann aber zwang sie zur Vollzeitstelle, der Unterhalt wurde gestrichen.

Spätestens seit diesem Urteil muss jede verheiratete Frau in Deutschland wissen, dass sie kaum noch mit Unterhalt vom Ex rechnen darf, falls die Ehe in die Brüche geht. Sie soll voll arbeiten gehen, selbst wenn Kinder da sind! Das aber hat weitreichende Folgen. Es bedeutet, dass keine Frau ihren Job mehr aufgeben sollte, um sich um die Erziehung der Kinder zu kümmern – sie könnte ihn später bitter brauchen.

Kampfbegriff „Herdprämie“

Ins Bild passt auch, dass die Mehrheitsmeinung das geplante Betreuungsgeld streichen will. Idee hinter dem Betreuungsgeld ist, es finanziell zu ermöglichen, dass Kinder in den ersten drei Lebensjahren zu Hause erzogen werden. Der Elternteil, der deshalb nicht arbeiten geht, soll dafür als Anerkennung 150 Euro im Monat erhalten. Eine vernünftige Idee, die für zahlreiche durchwachte Nächte und unzählige Windel-Wechsel entschädigen soll, die ihre Gegner aber mit dem Kampfbegriff „Herdprämie“ schmähen. Frauen, die sich zu Hause um die Kinder kümmern, sind nach dieser Lesart out, von vorgestern.

Und die neue Familienministerin? Auch sie ist paradigmatisch für unsere Zeit: Kristina Köhler ist ledig, kinderlos – und setzte sich in der Vergangenheit insbesondere für gleichgeschlechtliche Partnerschaften ein.

Spätestens seit dem neuen Torpedo aus Straßburg ist klar, was sich in Politik und Justiz verändert hat: Ehen gelten nur noch als zeitlich befristete Zweckgemeinschaften. Wenn die auseinander gehen, ist sich jeder wieder selbst der nächste. Einen Trauschein braucht heute kein Mensch mehr – und Kinder gehören am besten in die Vollzeit-Kita. Vielleicht ist diese Geisteshaltung auch ein Grund dafür, dass Deutschland verliert – an Werten und (man denke an die erschreckend niedrige Geburtenrate) auch faktisch.

Ein Kommentar von Christoph Schäfer

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