Altersarmut bekämpfen…

Schon wieder „beglückt“ uns eine Studie zur Altersarmut aufgrund „unterbrochener Erwerbsbiographie“ wegen Familienzeit. Neuerdings versucht die Wirtschaft verstärkt,  Mütter mit dem Schreckgespenst ALTERSARMUT endlich zu Vollzeiterwerbstätigkeit und zur Ganztagsbetreuung ihrer Kinder zu bewegen. Dazu werden immer wieder neue so genannte „wissenschaftliche Studien“ in Auftrag gegeben.

http://www.fu-berlin.de/presse/informationen/fup/2012/fup_12_015/index.html

Kommentar

Sehr geehrte Frau Prof. Dr. Riedmüller,

sehr geehrte Frau Schmalreck!

Die Pressemitteilung zu Ihrer Studie vom 24. 01. 2012  haben wir aufmerksam gelesen. Nicht dass Sie uns Neues vorgestellt hätten. Studien zu diesem Thema werden alle paar Monate erstellt und haben stets eines gemeinsam:

  • Sie werden von wirtschaftsnahen Verbänden in Auftrag gegeben und bezahlt. Somit wird vom Auftraggeber ein entsprechendes Resultat erwartet.
  • Sie zeichnen stets das Menetekel Altersarmut von Frauen an die Wand
  • Sie sind nicht ergebnisoffen, sondern zielgerichtet auf Vollerwerbstätigkeit
  • Sie missachten den Familienwunsch der Eltern und der Kinder
  • Sie bemängeln diverse  „Fehlanreize“, Familienarbeit der Erwerbsarbeit vorzuziehen
  • Sie basieren auf der Grundlage unseres bestehenden, aber ungerechten Sozial-und Arbeitsrechts 
Richtig ist natürlich, dass Müttern Altersarmut droht, wenn sie eine „unterbrochene Erwerbsbiografie“ haben. Während dieser Unterbrechung haben sie aber Kinder geboren, genährt, gepflegt, umsorgt, erzogen, gelehrt. Dieses Phänomen wird in keiner der Studien erwähnt. Vielleicht ist Ihnen noch nie der Gedanke gekommen, dass die jungen Mütter nicht aus Faulheit ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen, sondern weil sie spüren, dass ihre Kinder sie brauchen. Sie wollen voll und ganz Eltern sein, nicht nur, weil  die Kinder einen biologischen Anspruch auf die Präsenz ihrer Mütter haben, sondern aus purer Freude an der Familie. Sie bewerten die ersten Kinderjahre als kostbares Geschenk. Verpasste Familienzeit lässt sich nie wieder einholen. Sie sind auch davon überzeugt, dass ihre Kinder in der Obhut ihrer eigenen Eltern gesünder aufwachsen als unter familienferner Betreuung. Wer vollerwerbstätig bleiben will, der verzichtet sowieso auf Kinder. 

Für Nachwuchs zu sorgen ist, anders als in Frankreich,  in Deutschland jedoch ein Nullfaktor. Dass  Frauen in Deutschland durch Mutterschaft an Rente einbüßen, das ist ein, von der „Wissenschaft“ bisher ignorierter, unglaublicher Skandal! Dass Wissenschaftler überhaupt auf dieser Basis argumentieren, lässt an jeder Logik zweifeln. Kaum zu fassen ist außerdem, dass „die „Wissenschaft“ niemals die familienfeindliche Struktur unserer Versorgungsgesetze unter die Lupe nimmt, statt dessen aber deren Folgen, also z. B. die Altersarmut von Frauen, als gottgegeben akzeptiert. Diese gäbe es gar nicht, wenn man die gesellschaftliche Leistung der Frauen würdigte. Blind für kreative Modelle zur besseren Absicherung von Müttern werden stumpfsinnig die antiquierten und abgegriffenen DDR-Rezepte empfohlen, wie Vollerwerbstätigkeit, Abschaffung von Transferleistungen und  sog. Fehlanreize wie  Ehegattensplitting, Mitversicherung* etc., und im Gegenzug Ganztagsbetreuung für Kinder ab 12 Monaten. Mit Verlaub – das ist nun wirklich keine wissenschaftliche Glanzleistung, wie man nach dem Zusammenbruch der DDR weiß. So wird eine unabhängige und freie Wissenschaft verzweckt und dadurch schändlich missbraucht.

Unsere Vermutung ist aber, dass kreative Ideen, wie eine kluge Reform unserer Sozialgesetze, von Ihren Auftraggebern gar nicht gefragt sind, weil es der  Wirtschaft nur darum geht, Arbeitsplätze zu besetzen. Es geht ihr auch nicht darum, die beklagenswerte Altersarmut zu verhindern, denn sonst würde sie schon heute Löhne zahlen, von denen eine Familie leben kann. Nein, das Gespenst Altersarmut dient allein dem Zweck, die sog. „stille Reserve“ von Müttern zu mobilisieren. Dazu wird von „Vereinbarkeit“ gefaselt. Als ob eine Mutter mit Kindern nicht vollbeschäftigt wäre! Auch wenn sie ihre Kinder betreuen lässt, die Lasten addieren sich und die Geldnot wird durch Zeitnot ersetzt. Abgehetzte Frauen hecheln, nahe am Burnout  ihren tausend Aufgaben hinterher. Wenn das keine Sklaverei ist!
*Lassen Sie sich bitte noch auf einen Rechenfehler hinweisen. Sie empfehlen, die „Mitversicherung“ einer erwerbslosen Mutter  in der Krankenversicherung abzuschaffen. Dabei verkennen Sie völlig, dass Mutter und Kinder Ansprüche auf das Einkommen des Familienvaters haben. Beispiel: Ein verheirateter Arbeitnehmer mit 3 Kindern und einem Jahresbruttoverdienst von 30 000 € zahlt 2460 € KV-Beitrag. Da er seinen  Lohn aber mit vier weiteren Familienangehörigen teilen muss, stehen jedem einzelnen nur 6000 € zu. Damit zahlt jedes Mitglied von den 6000 € seine 492 € KV-Beitrag, in der Summe also 2460 €. Weder die Mutter noch die Kinder sind also „mitversichert“, sondern sie haben sich selbst versichert. Tatsächlich kostenfrei mitversichert wären die Familienangehörigen erst dann, wenn der Vater für seine 6000.-  € Jahreseinkommen den KV-Beitrag von 492.- allein abführte. Dies nur der Korrektheit wegen.
Wir sehen das Problem so: Erst reitet man die Mütter in den Schlamassel und betrügt sie um ihre Rentenansprüche, weil man ihren Einsatz für die künftige Generation missachtet. Dann sollen sie sich sozusagen am eigenen Schopf aus der Misere ziehen und durch doppelten Einsatz sich das zurückholen, was man ihnen zuvor gegenüber kinderlosen Zeitgenossen verweigert hat. In der Umgangsssprache heißt so etwas salopp „Verarschung“.

In der Anlage senden wir Ihnen den horizontalen Vergleich 2012, aus dem Sie ersehen, wie das frei verfügbare Einkommen einer Familie mit jedem Kind weiter schrumpft und wie es sich im Vergleich mit dem Einkommen eines Singles verhält. Quelle: Deutscher Familienverband e.V. Berlin. Außerdem empfehlen wir Ihnen unsere Website: www.familiengerechtigkeit-rv.de

Sehr geehrte Damen, vielleicht sehen Sie das Problem Altersarmut einmal aus dem Blickwinkel einer Familie. Nicht am Arbeitsmarkt entsteht sie, sondern in der verweigerten Wertschätzung von Familienarbeit. Sollte Ihnen an der Beseitigung der tatsächlichen Ursachen von Frauenaltersarmut gelegen sein, so verweisen wir Sie auf folgende Arbeiten unter : https://www.familiengerechtigkeit-rv.de/studien/studien.html

Im Auftrag unserer Elterninitiative grüße ich Sie freundlich

Bärbel Fischer

 

 

 

 

 

 




 

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Verband der Familienfrauen und -männer e.V. (vffm)
Verband zur Förderung der eigenständigen
finanziellen und sozialen Sicherung bei Familienarbeit
                                                                                                                                                             Datum: 30.01.2012  
Der Vorstand des vffm sieht sich zu folgender Pressemeldung veranlasst:  

Bestellte Studie: Deutsche Rentenversicherung verschleiert Ursachen der Altersarmut von Eltern 

                                                                                                                                                                                                                                                                     
Eine von der Deutschen Rentenversicherung bezahlte Studie kommt zum Schluss, dass Eltern und besonders Mütter nur über ungenügende Rentenanwartschaften verfügen. Das ist nicht neu. Aber die seit Jahrzehnten bekannten Ursachen dafür werden ignoriert. Dementsprechend sind auch die Korrekturvorschläge kontraproduktiv.
Die von Interessengruppen unabhängige Fachliteratur weist schon seit Jahrzehnten darauf hin, dass besonders die Rentenreform 1957 nicht nur die Familienarmut, sondern auch die Altersarmut von Eltern massiv fördert. Der zuvor geltende Generationenvertrag in der Familie (Eltern sorgen für ihre Kinder und werden dafür im Alter wieder von ihnen versorgt) wurde zerstört und durch ein Umverteilungssystem zu Lasten der Eltern ersetzt. Eltern tragen zwar weiter die Kinderkosten. Die von den erwachsen gewordenen Kinder zu zahlenden Renten werden jedoch an Erwerbsarbeit gebunden. Da Erwerbsarbeit mit steigender Kinderzahl immer schwieriger wird, ist heute die Alterssicherung der Eltern schlechter, je mehr Kinder sie hatten. 
So wurde ein extrem elternfeindliches Sozialsystem installiert, das den Generationenvertrag auf den Kopf stellte und trotzdem schönfärberisch bis heute als Generationenvertrag bezeichnet wird. Die so verursachte Ausbeutung der Eltern mehrerer Kinder wird von den Organisationen der Wirtschaft und auch von den Gewerkschaften konsequent ignoriert, ja sogar bestritten. Die Deutsche Rentenversicherung hat als „Partner“ der Arbeitgeber und Arbeitnehmer dabei immer Hilfestellung geleistet.
Die Empfehlungen aus der Studie zeigen, dass sich die Wissenschaftlerinnen nicht sachlich mit den Hintergründen der besonders Mütter treffenden Altersarmut beschäftigt haben. Vielmehr lautet ihr unsinniger Vorschlag, weitere „Anreize“ für eine durchgängige volle Erwerbstätigkeit beider Eltern zu schaffen. So sollen alle Eltern in das Hamsterrad der Doppelbelastung gedrängt werden, das als  „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ beschönigt wird, aber immer häufiger zum „Burn-out“ bei Eltern und der Vernachlässigung von Kindern führt.
Die „Studie“ ist ein alarmierendes Beispiel, wie sich sogar Wissenschaftlerinnen der seriösen Humboldt-Universität kaufen lassen, um zu einem gewünschten Ergebnis zu kommen. 

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