Hamsterrad für Eltern und Kinder

Kinderarzt Herbert Renz-Polster warnt vor der „pädagogischen Mästung“ von Kindern. Eltern ruft er auf, ihr Recht auf Erziehung zurückzufordern. Von Carina Kerschbaumer

 http://www.kleinezeitung.at/s/chronik/3898845/Erziehung_Das-Hamsterrad-der-Eltern-wird-auf-die-Kinder-ubertragen

3 Gedanken zu „Hamsterrad für Eltern und Kinder

  1. Kigas und Kitas

    Schlagen Sie in einem Wörterbuch Deutsch-Englisch unter „Kindergarten“ nach: Sie werden das englische Wort „kindergarten“ finden, erst an zweiter Stelle steht der Ausdruck nursery school. Im Deutsch-Russischen finden Sie die wörtliche Übersetzung detskij sad . Und so wird man in vielen Ländern der Welt Wort und Einrichtung finden.

    Es war Friedrich Fröbel ( 1782 – 1852 ), der die Einrichtung schuf und der das Wort prägte. Freilich nicht in Deutschland, wo man ihm das Leben schwer machte, sondern in der Schweiz.
    Das Wort war Programm: Der Kindergarten sollte keine Schule sein oder eine Vorschule, die Teile der schulischen Arbeit vorwegnimmt. Vielmehr setzte man auf die „Selbsttätigkeit der Kinder“; der Kindergarten sollte ihr eigenes Reich sein, eben ihr Garten, noch fern vom Getöse und den Forderungen und Zwängen der Welt.

    Dann trat in unseren Tagen die Arbeitswelt ihre Herrschaft an. Ihre Funktionäre verlangten, ungeschmälert über die Zeit und die Kraft beider Eltern zu verfügen, ungehindert von den Anliegen, Bedürfnissen, Wünschen der Kleinen. Die Kleinen mussten derweil in Einrichtungen untergebracht werden. Eigentlich gab es die schon; die Kindergärten mussten nicht erst erfunden werden. Man verlängerte die Öffnungszeiten um ein paar Stunden. Aber das war es noch nicht.

    Denn man wollte mehr. Die Soldaten der Arbeitswelt grummelten herum, verlangten nach „Verlängerung der Lebensarbeitszeit“ , nach „Vorbereitung auf die Zukunft“, wobei sie mit „Zukunft“ ihre Arbeitswelt, „alternativlos“ ihre Auffassung von Welt meinten. Weg mit dem dreizehnten Schuljahr an Gymnasien! Lerninhalte aufgeben oder nach unten verschieben, immer weiter hinunter! Die Lehrplanmacher und die Kultusminister wollen ihr heißgeliebtes Kurssystem an Gymnasien nicht aufgeben? Dann schiebt eben in den Klassen darunter das zu lernende Zeugs zusammen! Schiebt bis es kracht! Bisher wurde die Regeln des zentralperspektivischen Zeichnens in Klassenstufe 10 behandelt ? Runter damit in Klassenstufe 8! Das verstehen vierzehnjährige Schüler noch nicht? Dann drillt sie darauf oder lasst es bleiben! Man kann Vögeln das Klavierspielen beibringen, und da soll es unmöglich sein, Zehnjährigen die Potenzrechnung einzubleuen? Setzt den kleinen Jungs und Mädchen eine Schutzbrille auf, steckt sie in Laborkittel und lasst sie Reagenzgläser schütteln. Und immer freundlich lächeln, Kinderuni! Geht doch! Weg mit dem Lerngerümpel oder weiter runter damit, bis ins Reich der Kleinen!

    Wenn die Arbeitswelt fordert, liefern sie alle, auch die Erziehungswissenschaftler. Neue Begriffe kamen auf; man sprach von „Vorschulkindern“, von „Vorschulpädagogik“. Nachdem die neuen Wörter ihre Vorbereitungen in den Köpfen der Menschen getroffen hatten, konnte man genauer sagen, wohin man wollte, konnte präzise Forderungen nach Lerninhalten stellen. Der Garten wandelte sich langsam in ein Exerzier- und Aufbewahrungsplätzchen um, und flugs stellte sich der Fachausdruck „Kindertagesstätte“ein. Wofür man schließlich das flotte, aggressive Kürzel „Kita“ setzte.

    Ach ja, das Wort „Kindergarten“ gibt es immer noch. Man bezeichnet gelegentlich Kindergärten mit kürzeren Öffnungszeiten so. Aber immer mehr setzt sich da das flotte Kürzel „Kiga“ durch.

    Kindergarten ade! Klappe zu über Friedrich Fröbel. Ende der freien Kindheit.

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