Bildung braucht Bindung

Die bayrische Sozialministerin Christine Haderthauer äußerte sich  im SÜDKURIER zum Bürokratiemonster Betreuungsgutschein 


Das Betreuungsgeld steht für die Balance für junge Familien, wenn es ab 2013 den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab dem ersten Geburtstag gibt. Der Rechtsanspruch isoliert führt über kurz oder lang zu einem Rechtfertigungsdruck für junge Eltern, die die Betreuung ihres Ein- bis Zweijährigen selber leisten wollen. Dafür gibt es keine Rechtfertigung. Im Gegenteil: Bildung setzt verlässliche Bindungserfahrung zwingend voraus. Elternverantwortung, Zuwendung und persönliche Begleitung des eigenen Kindes darf nicht in den Gegensatz zu aushäusiger Betreuung gesetzt werden und darf eben auch nicht durch eine einseitige staatliche Lenkung abgewertet werden.

Zwei von drei Eltern in Deutschland wünschen sich in den ersten Lebensjahren ihres Kindes mehr Zeit für die Familie. In der Diskussion werden leider zu häufig verschiedene Baustellen vermischt. Ziel des Betreuungsgeldes ist es, Eltern gesellschaftliche Anerkennung zu geben, wenn sie ihre originäre Aufgabe, nämlich die Betreuung ihres Ein- und Zweijährigen, selber leisten anstatt sie dem Steuerzahler zu übergeben, den jeder Krippenplatz 1000 Euro im Monat kostet. Nicht mehr und nicht weniger.

So flankieren übrigens die familienpolitisch fortschrittlichsten Länder Europas den Krippenausbau bereits seit Jahren mit dem Betreuungsgeld. Entscheidungsfreiheit beginnt im Kopf. Sie zu unterstützen, heißt jedes Familienmodell mit Wertschätzung zu versehen, nicht nur eines. Unsere europäischen Nachbarländer, die wir oft als Vorbild für fortschrittliche Familienpolitik nehmen, haben das längst erkannt. Parallel zum Ausbau der Kinderkrippen haben beispielsweise Finnland, Norwegen, Dänemark, Schweden, Österreich und Frankreich ein Betreuungsgeld eingeführt.
Einen Verzicht auf Erwerbstätigkeit setzt das deutsche Betreuungsgeld nicht voraus. Es steht vielmehr für zeitgemäße Familienpolitik. 
Von einem Gutscheinsystem halte ich nichts. Gutscheine machen Familien zweitklassig und entmündigen sie. Wer soll die Gutscheine ausgeben, wer soll sie bekommen, sind etwa Angebote NPD-naher Organisationen ‚gutscheinsberechtigt‘? Wer soll das alles kontrollieren? Die Gutscheine sind ein Bürokratiemonster, das sich nicht zähmen lässt!
Natürlich gibt es belastete Familien, Eltern, die überfordert sind. Diese Familien hätten aber auch von einem Gutschein nichts. Mangelnde Elternkompetenz wird nicht durch aushäusige Betreuung der Kinder geheilt, hier muss man bei den Eltern ansetzen. Wir wissen heute, dass Kleinstkinder, die die Krippe besuchen, umso kompetenter und feinfühliger von ihren Eltern begleitet werden müssen. Sie brauchen gezielte Hilfe, die bereits bei der Geburt des Kindes beginnt! Hier sind wir in Bayern Vorreiter.
Christine Haderthauer (47, CSU) ist Sozialmninisterin in Bayern. Sie ist verheiratet und hat zwei Kinder

Kommentar verfassen