Bedürfnisse der Kinder beachten

Dr. Maria Steuer ist Kinderärztin, Familientherapeutin und Mutter von 3 Kindern. Zudem ist sie die Vorsitzende des Familiennetzwerkes. Das Familiennetzwerk ist ein Zusammenschluß von Vereinen, Institutionen, Familien und Wissenschaftlern, die sich u.a. dafür einsetzen, daß die Bedürfnisse der Kinder in der Vereinbarkeitsdebatte berücksichtigt werden und finanzielle Gerechtigkeit für Familien hergestellt wird. Im Interview mit FreieWelt.net sprach sie über die einseitige Ausgestaltung der Familienpolitik, das negative Bild der Eltern in den Medien und erklärt, inwiefern wir endlich „auf den Hund“ kommen sollten.

FreieWelt.net: Frau Steuer, mit dem Familiennetzwerk engagieren Sie sich seit Jahren für eine familiengerechte Ausgestaltung von Politik und Gesellschaft. Wie beurteilen Sie das familienpolitische Handeln der schwarz-gelben Koalition und der neuen Familienministerin Kristina Schröder seit der Bundestagswahl im letzten September?

Maria Steuer: Unter familiengerechter Ausgestaltung verstehen wir etwas anderes als die schwarz-gelbe Koalition. Unsere Auffassung verlangt eine Orientierung der Familienpolitik an den entwicklungspsychologisch begründeten Bedürfnissen der Kinder. Davon ist jedoch auch unter der neuen Familienministerin noch wenig zu erkennen. Unter familiengerechter Ausgestaltung wird dort eine optimale Vereinbarkeit von Beruf und Familie verstanden, die sich nach den Bedürfnissen der Arbeitswelt ausrichtet und Müttern in erster Priorität die Betreuung ihrer Kinder anbietet und das möglichst ohne eine Unterbrechung der Erwerbstätigkeit. Dieses Angebot wird Müttern schmackhaft gemacht, weil man ihnen auf der einen Seite verspricht, ihre Kinder auch eifrig zu bilden und auf der anderen Seite, dass die Müttererwerbstätigkeit der beste Schutz vor Familienarmut sei

Wie wir wissen, sind das Ammenmärchen. In den letzten Jahren ist die Familienarmut gestiegen, trotz steigender Erwerbstätigkeit der Mütter. Ebenso wissen wir, dass Kinder, die vorzeitig von ihrer Mutter und ihrer vertrauten Umgebung getrennt werden, unter Stress stehen und dies wiederum das Denken und Lernen negativ beeinflusst.

 

FreieWelt.net: Die Regierung hat gleich nach ihrem Amtsantritt das Kindergeld und den Kinderfreibetrag erhöht. Eine zweite Erhöhung ist noch in dieser Legislaturperiode in Aussicht gestellt. Aus der Opposition, aber auch aus den eigenen Reihen der Regierungskoalition, werden diese Fortschritte im Familienlastenausgleich aber immer wieder heftig angegriffen. Auch andere familienpolitische Leistungen, etwa das Elterngeld oder das geplante Betreuungsgeld, geraten immer mehr in die Kritik. Worin sehen Sie die Ursachen für solche Angriffe?
 
Maria Steuer: Es wird wahrscheinlich nicht nur eine Ursache geben. Familien sind durch die Medienberichte der letzten Jahre in der Öffentlichkeit in Misskredit geraten, weil über die sehr kleine Minderheit der Eltern, die nicht gut für ihre Kinder sorgen kann, große Schlagzeilen geschrieben worden sind. Selbst Politiker ließen sich hinreißen, Eltern unter Generalverdacht zu stellen – einschließlich der damaligen Familienministerin, deren Aufgabe eigentlich eine Richtigstellung der Tatsachen gewesen wäre. Sie hatte sich offensichtlich vergessen und versäumt darüber aufzuklären, dass über Ausnahmen und nicht über die Regel berichtet wurde. Außerdem wird dieser Trend, Familien ihre Lobby zu nehmen, von den Politern verstärkt, da sie in ihren Äußerungen die verschiedenen Ursachen nicht trennen. Äußerst unqualifiziert werden Familienpolitik, Sozialpolitik und Einwanderungspolitik in einen Topf geschmissen. Nur wenige informieren sich ausreichend im Detail über die in Deutschland seit Jahren  bestehende ungerechte, finanzielle Behandlung von Familien. Dies macht ein faires Diskutieren und Suchen nach nachhaltigen Lösungen unmöglich. 
FreieWelt.net: Nehmen wir einmal an, Sie hätten drei familienpolitische Wünsche an die Regierung frei. Was würden Sie sich wünschen?
 
Maria Steuer: Ich bräuchte nur einen Wunsch, nämlich, dass wir gesellschaftlich „auf den Hund“ kommen würden. Es gibt ein Gesetz, dass Hundezüchtern per Strafe verbietet, Welpen vorzeitig vom Muttertier zu trennen und zu verkaufen, da es bekannt ist, dass solche Tiere zu neurotischen Beißern werden. Obwohl wir dieses Wissen auch über unsere Kinder haben, wird diese ignoriert. Es wäre an der Zeit, dass sich in unserer Wohlstandgesellschaft, in der ausreichend Geld vorhanden ist, um in Umweltschutz, erneuerbare Energien, biologisches Essen u.v.a.m. zu investieren, endlich auch ein Bewusstsein entwickeln würde, was das Beste für die Schwächsten unserer Gemeinschaft ist.
Zur Internetseite des Familiennetzwerkes gelangen Sie hier: www.familie-ist-zukunft.de

 Das Interview führte Kerstin Schneider.

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