Aus dem Gruselkabinett

Die Journalistin, Germanistin und Kunsthistorikerin Dr. Karin Jäckel nimmt Stellung zu der Art und Weise, wie unsere Gesellschaft mit Kindern und Jugendlichen umgeht. Der Nachwuchs muss so zurecht gestutzt werden, dass er in unser wirtschaftliches System passt. Eltern sollen keine Rolle mehr spielen.


„Kinder werden wieder zu zu kurz geratenen Erwachsenen, die ebenso zu funktionieren, in den Ablauf zu passen und Leistung zu erbringen haben wie die größeren Erwachsenen. Spätestens mit der KITA-Zeit tritt der Wecker in ihr Leben. Spätestens ab der Grundschule werden ihre Leistungen honoriert. Freizeit wird spätestens ab dem Turbo-Gymnasium auf Ferien/Urlaub beschränkt. Spätestens jetzt wird die Arbeitsstundenzahl der der größeren Erwachsenen angeglichen und per Terminkalender durchorganisiert.
Kinder/Jugendliche, die nicht in den Ablauf passen, werden in Sonderschulsysteme und/oder in staatlich geförderte Erziehungssysteme ausgegliedert und passend gemacht. Die Drohung aus Urgroßelternzeiten: „Wenn du nicht brav bist, kommst du ins Heim!“, gilt wieder.
Selbstverständlicher brauchen Kinder/Jugendliche nicht vorrangig Eltern und ihr elterliches Zuhause, sondern professionelle Betreuer und Bezugspersonen, kostenpflichtige Aufzuchtseinrichtungen und kollektive Verwahranstalten.
Und noch selbstverständlicher ist das Versagen der Eltern Schuld, wenn zu kurz geratene Erwachsene Erwachsenenziele nicht erreichen.
Wie gut nur, dass es schon Samenbanken, Eizellenbanken, Leihmütter und bald auch industrielle Gebärmuttermaschinen gibt, die die industrielle Kinderproduktion nach staatlich genormten Katalogangeboten möglich machen und leistungsoptimierte, wirtschaftsbedürftigkeistzentrierte Erfolgsmenschklone am Fließband hervorbringen wird.
Endlich wird es dann keine Wehenschmerzen, keine Schwangerschaftsvertretungen, keine Babypausen, keine Elternkarriereknicks, keine Kinder mit Produktionsfehlern, keine Vereinbarkeitsprobleme zwischen Familie und Beruf, keine Familienarbeit unterm Familienjoch und erst recht keinen
Kindermangel mehr geben. Und am Wochenende, wenn Zeit bleibt, besuchen wir dann auch schon mal den professionellen Kinderstreichelpark und bestellen unser Kind aus dem Ansichtsexemplare-Sortiment. WOW!“
Dr. Karin Jäckel
http://www.karin-jaeckel.de

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