Die gesammelten Kommentare unserer Leser an das Stuttgarter Staatsministerium zum Thema“Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Partner“ beantwortete das Stuttgarter Staatsministerium wie folgt am 30. 08. 2017:
Sehr geehrte Frau Fischer,
haben Sie Dank für Ihr weiteres Schreiben an Herrn Ministerpräsidenten und die beigefügten Stellungnahmen einiger Bürgerinnen und Bürger. Er hat mich gebeten, Ihnen erneut zu antworten.
Das Bundesverfassungsgericht gibt dem Gesetzgeber vor, das Grundgesetz im Lichte der sich wandelnden Wertvorstellungen auszulegen. Der auch von Ihnen angesprochene Wertewandel ist wichtig. Denn viele Wertvorstellungen, die früheren Gesetzen vorlagen, erscheinen uns rückblickend betrachtet sehr befremdlich. So waren Frauen bis 1977 nach dem Gesetz verpflichtet, den „Haushalt in eigener Verantwortung zu führen“ und sie durften nur erwerbstätig sein, „soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist.“ Ein gutes Beispiel ist auch die Strafbarkeit von Homosexualität bis Ende der 1960er Jahre. Solche Diskriminierungen sind heutzutage nicht mehr gesellschaftsfähig.
Da das Grundgesetz keine Definition von Ehe vorsieht, muss der Gesetzgeber den Begriff der Ehe ausgestalten. In unserer repräsentativen Demokratie erfolgt die Gesetzgebung – auch wenn gesetzliche Regelungen häufig Wertvorstellungen zugrunde liegen – nicht im Rahmen von Volksabstimmungen, sondern durchras Parlament.
Letztendlich folgt der Beschluss zur Öffnung der Ehe einer gesellschaftlichen Entwicklung, in der sie Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger für eine solche eintritt und die sich auch im Parlament wiederspiegelt. In diesem Zusammenhang Mus auch wahrgenommen werden, dass es wohl kaum eine gesellschaftliche Debatte der letzten Jahrzehnte gab, in der die Ehe so viel Anerkennung erfuhr.
Die gegenseitige Verantwortungsübernahme einer Ehe kann ein Fundament einer solidarischen Gesellschaft sein und ist daher für einen Staat besonders schützenswert. Gerade aus dieser Hochschätzung für das Institut EHE erfolgt ihre Öffnung für gleichgeschlechtliche Paare. Aus Sicht des Herrn Ministerpräsidenten schwächt diese Öffnung die Ehe nicht, sondern stärkt sie.
Ich richte Ihnen die freundlichen Grüße des Herrn Ministerpräsidenten aus. Mit freundlichen Grüßen Steffen Erb
Trotzdem bleibt die Frage nach der staatstragenden Generativität unbeantwortet, ebenso wie die Frage, ob denn die Parlamentarier im Sinne ihrer Wähler abstimmten, oder nur nach eigenem generationenblinden Mainstream.
Sollten Sie, liebe Leser dazu einen Kommentar beisteuern wollen, so werden wir diesen wieder nach Stuttgart schicken. Danke!
Unser Statement:
Sehr geehrter Herr Kretschmann,
Die Antwort war natürlich so zu erwarten. Dennoch erstaunt man über die Argumente, die da zusammengetragen worden sind.
Es stimmt: Das Grundgesetz enthält keine Definition des Begriffes „Ehe“. So wie es etwa keine Definitionen der Begriffe „Religion“ oder „Forschung“ und „Lehre“ oder des Adjektivs „friedlich“ enthält. Eine solche Definition war nicht nötig, da der Begriff seit eh und je in Europa unstrittig ist. Im übrigen hat das Bundesverfassungsgericht eine solche Definition nachgeholt, als es darum ging, die Lebenspartnerschaften von der Ehe abzugrenzen. Das war vor ungefähr einem Jahrzehnt; es ist abwegig, zu meinen, der vielbeschworene Wertewandel würde in wenigen Jahren die Bedeutung eines seit uralten Zeiten wohlbestimmten Begriffes grundlegend ändern.
Die Beispiele von Gesetzesänderungen, die angeführt werden, betreffen erstens nur einfache Gesetze; sie taugen deshalb in der vorliegenden Frage nicht als Argumente. Zweitens ging es dabei um Fragen, über die im Laufe der Geschichte sich die Bewertungen immer wieder geändert haben, während sich am Begriff der Ehe als Gemeinschaft von Mann und Frau mit dem Ziel, Kinder in die Welt zu setzen und großzuziehen sich in Jahrtausenden nichts geändert hat.
Homosexualität etwa war während der gesamten Antike – wir sprechen von einem knappen Jahrtausend – eine Lebensform, zu der man sich offen bekennen konnte, ohne irgendetwas befürchten zu müssen. So haben die Soldaten des gewiss nicht zimperlichen Julius Caesar auf dessen bisexuellen Eskapaden ungestraft Spottlieder gesungen. Aber die Ehe hat man schon damals wie überhaupt in allen mir bekannten Kulturen eindeutig in der hier gerade erläuterten Form verstanden. Selbst die – seltenen – Vielehen waren oft nur eine Hereinnahme unversorgter Geschwister in die neu zu gründende Familie und wichen von dem grundlegenden Dreiklang Mann – Frau – Kind nicht ab.
Sich auf eine Meinungsumfrage zu berufen, kann doch wohl nicht ernst gemeint sein. Gesetzgeber ist der Bundestag und nicht die Gilde der Demoskopen. Und soll das höchst unzuverlässige Instrument der Meinungsumfrage zur Messung eines „Wertewandels“ taugen?
Es bleibt dabei: Das Parlament hat sich um eine Grundgesetzänderung gedrückt.
Im übrigen: Was sollen die etwas dunkel formulierten Hinweise, im Zusammenhang mit der Gesetzesänderung sei sehr ernsthaft über die Ehe diskutiert worden, ja, man habe geradezu den Respekt, den dieser Institution entgegengebracht werde, bei den Debatten spüren können ( wenn ich die vagen Formulierungen in dem Brief so auf den Punkt bringen darf) ? Da kann doch unmöglich das Kasperltheater gemeint sein, das die grüne Fraktion mit ihren Luftschlangen und ähnlichen Kindergeburtstagsutensilien im Bundestag veranstaltet hat.
Ein Kommentar, der kaum treffender sein könnte. Danke für den Lesevergenuss, Herr Dr. Brosowski!
„Lesegenuss“ muss es natürlich heißen. Das kann dabei herauskommen, wenn der anfängliche Begriff „Lesevergnügen“ zum „Lesegenuss“ abgeändert wird.