Elternführerschein – ja oder nein?

Die kritisch-christlich-unabhängige Zeitschrift Publik Forum stellt in ihrer neuesten Ausgabe ( 14 / 2014 ) den von der CDU-Abgeordneten  Christina Schwarzer  angeregten Elternführerschein zu Diskussion und Abstimmung. Frau Schwarzer bemängelt, dass Eltern sich für die Erziehung ihrer Kinder nicht mehr zuständig fühlen und plädiert für schmerzliche Geldbußen für den Fall, dass Eltern dem künftig verbindlichen Nachhilfeunterricht, genannt Elternführerschein, nicht nachkommen.  

Dabei bleiben die Fragen unbeantwortet, wer die so genannten Defizite bei Kindern feststellt und bewertet, welche Kriterien die „Kindesnorm“ bestimmen und welche ideologischen Kräfte Einfluss nehmen auf den potentiellen Elternführerschein.  

Freie Bahn für Ideologen aller Couleur?

Leserbrief

Es war schon vor 70 Jahren so, dass die kinderlose Tante am besten wusste, wie man Kinder richtig erzieht. In ihren Augen machten die Eltern schon damals alles falsch. Heute sitzt die Tante als CDU-Abgeordnete Christina Schwarzer im Parlament.

Bei ihrer Bestandsaufnahme vergaß die Dame allerdings, dass derzeit viele Eltern ihre eigenen Kinder und deren Emotionen kaum mehr kennen, weil sie bei der Arbeit, und die Kinder in der Ganztagsbetreuung sind. Die Erziehungspflicht liegt acht Stunden am Tag bei den BetreuerInnenn. Wundert uns, dass Eltern ihre Verantwortung an der Tür zu Krippe, Hort oder Schule abgeben? Nur,  wenn dann – total logisch – der erwünschte Erfolg ausbleibt, dann gelten die   E l t e r n  plötzlich als unfähig und verantwortungslos. Frau Schwarzer schiebt den Schwarzen Peter den Eltern zu, will sie aber gleichzeitig „an die Hand nehmen und unterstützen“.

Wie rührend!

Zuerst treibt man Eltern massenweise aus den Kinderzimmern in den Niedriglohnsektor, so dass sie mit einem Einkommen ihre Familie gar nicht mehr ernähren können. Eltern müssen zwei oder drei Jobs annehmen, nur damit Butter auf die Stulle kommt. Überdies  schröpft unser Sozialsystem Eltern mit familienblinden Abgaben und Verbrauchssteuern und verschont  kinderlose Arbeitnehmer. Und in den wenigen Stunden nach Sonnenuntergang sollen die müden Kinder ausgerechnet von ihren müden Eltern „Grundkompetenzen“ ( Fein-und Grobmotorik, Sprachkompetenz, gesunde Ernährung…) vermittelt bekommen?

Lebt Frau Schwarzer in Wolkenkuckucksheim?

Die üble Unterstellung, Eltern investierten lieber in schicke Smartphones als in ihre Kinder, erinnert fatal an die demütigenden Diskussionen  um das Betreuungsgeld ( Schnaps, Flachbildschirme ) und die völlig untauglichen Bildungsgutscheine aus der Ära  U.v.d. Leyen, CDU.

Weder Elternklatsche (Geldbußen) noch Klugscheißerei (Elternführerschein) hilft überlasteten Eltern weiter, sondern eine Politik, die  r e s p e k t v o l l  ihrer grundgesetzlichen Verantwortung gegenüber Familien gerecht wird !

Bärbel Fischer                                                                                             ELTERNINITIATIVE FÜR FAMILIENGERECHTIGKEIT

 

13 Gedanken zu „Elternführerschein – ja oder nein?

  1. Vielleicht wird künftig ein Kriterium für defizitäre Wahrnehmung familiärer Verantwortung sein, dass ein fünfjähriges Kind noch immer nicht weiß, wozu ein Kondom gut ist, was eine Domina bevorzugt und wie man am besten abtreibt.
    Liebe LeserInnen, bitte verzeihen Sie mir meinen bitteren Sarkasmus. Allerdings sehe ich nur noch wenige Schritte auf dem Weg hin zur kompletten Vereinnahmung unserer Kinder durch staatliche Organe. Wo bleibt die grundgesetzliche Autonomie von Familien? Hat der Staat inzwischen bereits die Lufthoheit über den Kinderbetten ( Olaf Scholz, SPD ) erreicht? Welche Rolle spielt die CDU bei dem Defamilisierungskonzept?

    • Ich bin auch strikte Gegnerin des Elternführerscheins. Durch ihn wird Einmischung in die familiäre Erziehung nicht nur legitimiert, sondern auch installiert. Der Führerschein kann Erziehungsvorschriften je nach Ideologie der darüber Befindenden machen (man denke an das Gender Mainstreaming), so dass Indoktrination nicht nur in Kitas und Schulen stattfindet, sondern auch zu Hause.

  2. Liebe Frau Fischer,

    die Abgeordnete Christina Schwarzer ist Berlinerin, 1976 geboren, ledig und kinderlos. Vor ihrem Einzug in den Bundestag hat sie in einer Immobilienfirma gearbeitet. Also die berufene Expertin, um Eltern zu beraten und zu prüfen (Elternführerschein).

    Wir sind im Sommerloch, in Berlin gibt es gut 200 Abgeordnete zuviel, und die wollen alle in die Zeitung kommen. Übrigens ist die Frau in der CDU- ist das nicht die Partei, die einmal Konrad Adenauer, Bruno Heck, Ludwig Erhard als Mitglieder hatte? Bedeutet das C immer noch „christlich“ ?

    Ihre Aufregung, liebe Frau Fischer, in Ehren, aber die Dame müssen wir nicht ernst nehmen.
    Sie ist es nicht wert, dass….. Oh je, da wäre mir beinahe etwas herausgerutscht! Lassen Sie mich die Anekdote erzählen, in die ich eben beinahe hineingeraten wäre. Die Anekdote ist besser als die Ideen der Dame Christina geeignet, das Sommerloch zu füllen, und vielleicht kann ich Ihnen damit eine kleine Freude bereiten.

    Es geht um den Mönch Abraham a Sancta Clara, der als achtes Kind eines Dorfwirtes im Südschwarzwald so um 1650 geboren worden war und der etwa ab 1680 als Hofprediger in Wien wirkte. Er war für seine überaus klaren, mitunter drastischen Predigten bekannt. Eines Sonntags soll er sich so richtig in Rage geredet haben, und dabei soll er gesagt haben, die Wiener Hofdamen seien es nicht wert, dass die Hunde sie anpissen…Große Empörung, von Abraham wird verlangt, dass er am nächsten Sonntag widerrufe. So geschieht es auch. Abraham beginnt seine Predigt, indem er daran erinnert, dass er gesagt habe, die Wiener Hofdamen seien es nicht wert, dass die Hunde sie anpissen. Und dann mit Donnerstimme: „Ich widerrufe. Die Wiener Hofdamen sind es wert, dass die Hunde sie anpissen“.

  3. Lieber Herr Dr. Brosowski,
    Ihre herrlichen Kommentare verschaffen mir tatsächlich Erleichterung. Abraham a Santa Clara aus Meßkirch kann uns nach fast 500 Jahren ein Lehrmeister sein. Ich habe herzlich gelacht. Nur, haben wir uns leider schon oft getäuscht, weil wir uns nicht vorstellen konnten, dass ausgemachter Irrwitz zur Realität werden könnte ( z. B. Gender-Mainstream oder künftig vielleicht der Elternführerschein). Wir müssen auf der Hut sein, wie Frau Bettina W. meint.

  4. Liebe Frau Fischer und MitdebatttiererInnen, interessante Debatte, die Sie da führen! Verlegen Sie sie doch auf unsere Website, auf die Sie sich ja auch beziehen. Dort steht seit heute das Pro- und Contra „Führerschein für Eltern?“ frei zugänglich und kann direkt kommentiert werden. Einfach auf diesen Link http://www.publik-forum.de/Wissen-Ethik/fuehrerschein-fuer-eltern
    gehen, schon sind Sie dabei! Britta Baas, verantwortliche Redakteurin Publik-Forum.de

  5. Unzählige Male habe ich ihn schon gelesen und gehört, den Artikel 6(2) des Grundgesetzes, und doch finde ich immer noch etwas Neues darin:

    (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

    Ich meine hier die Beifügung „natürlich“. In keinem anderen Artikel des GG findet sie sich, und man kann annehmen, dass sie hier mit Bedacht gewählt worden ist. In der Tat handelt es ich bei dem erwähnten Recht um eines, das die Natur selbst verliehen hat. In schier unendlich langen Zeiträumen der Evolution wurden die leiblichen Eltern dazu ausgesucht, ihre Kinder zu pflegen und zu erziehen. Und die Natur wird diese in besonderer Weise dazu befähigt haben; andernfalls hätte sich die Auswahl der Eltern als evolutionäre Sackgasse erwiesen und wäre längst gescheitert.
    Da erscheint anno domini 2014 eine ledige, kinderlose Dame und will das Geschäft der Natur selbst in die Hand nehmen: Nachhilfeunterricht, Elternführerschein. Welche Anmaßung!

    Im zweiten Satz des erwähnten Artikels steht, dass die staatliche Gemeinschaft über die Erfüllung der Erziehungspflicht wacht. Gut, Kultur besteht auch darin, die Natur zu zähmen, wenn sie grausames Scheitern zulässt. Hätte der Staat nicht genug damit zu tun, dieser seiner Aufgabe nachzukommen? Hören wir nicht immer wieder von schrecklicher Verwahrlosung, ja von der Ermordung von Kindern, und davon, dass die Jugendämter in diesen Fällen versagt hätten? Weil diese überlastet oder mit nur unzureichenden Mitteln ausgestattet sind. Das zu ändern wäre eine sinnvolle Aufgabe der Dame Abgeordnete!

  6. Ein sog. Elternführerschein wird nicht zu mehr Kindesschutz und Kindeswohl führen, sondern Eltern, die der unterstützenden Begleitung
    bedürfen ( und das dürfte doch alle Eltern in verschiedenster Hinsicht betreffen), entmündigen und stigmatisieren.
    Erstrebenswert finde ich, dass persönliches wie gesellschaftliches Engagement dem guten Leben aller dienen sollte, womit ich auch meine, dass Menschen sich nicht aufgrund unterschiedlicher Lebensformen gegenseitig bekämpfen und abwerten.
    Auch wenn ich in der Sache nicht mit dem übereinstimme, was die CDU Abgeordnete Christina Schwarzer zum sog. Elternführerschein anführt, so kann ihr fehlende Kompetenz doch nicht abgesprochen werden, aufgrund dessen dass sie, wie das @Dr.Gerd Brosowski
    in abwertender Weise formuliert „ledig und kinderlos…..“ ist.
    Ich kenne genügend ledige und kinderlose Männer und Frauen, die
    wunderbar mit Kindern umzugehen wissen und von befreundeten Familien gern und oft für die Betreuung ihrer Kinder in Anspruch genommen werden. Vor-urteile und Klischees helfen uns allen nicht weiter.
    Empfehle dazu den etwas provokant formulierten Beitrag auf dieser Seite: http://antjeschrupp.com/2014/05/13/familienpolitik-braucht-kein-mensch/

    Im Übrigen gilt es zu bedenken, dass wir alle ja nicht im luftleeren Raum
    leben und daher einer Vielfalt von Ideen u. Ideologien ausgesetzt sind, die Mütter und Väter, auch ohne Zutun von institutionellen Einrichtungen, an ihre Kinder weitergeben. Auch hierzu ein wichtiger Beitrag von Antje Schrupp: http://antjeschrupp.com/2014/07/26/zwei-gedanken-zur-autoritaren-ns-erziehung/ , in dem sie auch darauf verweist, “…wie fatal es ist, Kindererziehungsmethoden für Privatsache zu halten”.

    • Wenngleich ich Ihnen weitgehend zustimme, Frau Plass, möchte ich doch fragen, ob das Kind beim „Auswählen der Lebensform“ nicht auch eine Rolle spielen sollte – vielleicht sogar die entscheidende.
      Da es in den wichtigen ersten Lebensjahren dazu noch nicht in der Lage ist, bleiben seine Wünsche oftmals unberücksichtigt oder unterprivilegiert.
      Da kommt es auf die Eltern an, ob ihnen klar ist, was das schwächste Glied der Familie zum Wohlfühlen und gesunden Aufwachsen braucht. Und hier hapert es gewaltig durch die alles übertönende Werbung für eine möglichst ganztägige institutionelle Erziehung unter staatlichen Direktiven. Wie Sie wissen, geht diese sogar so weit, dass der Öffentlichkeit eingeredet wird, Eltern hielten in den eigenen vier Wänden die Kinder von Bildung fern.
      Ist eine Wahl der Lebensform wirklich frei, wenn die Entscheidungskriterien der Eltern durch einseitige Propaganda massiv beeinträchtigt werden? Der Vorschlag eines Elternführerscheins zeigt doch, wie verbreitet inzwischen der Glaube ist, dass Eltern eine Gefahr für die Kinder darstellen – und zwar nicht nur in seltenen Ausnahmefällen, sondern allgemein.
      Ohne Vertrauen in diesen Glauben hätte Frau Schwarzer nie gewagt, ihren Vorschlag zu unterbreiten. Sie hätte gewusst, dass ein Sturm des Protests durchs Land fegen würde. So aber – nach jahrelanger„Hirnwäsche“ – kann sie auf Zustimmung hoffen. Zumindest kann sie damit rechnen, dass Widerspruch in Grenzen bleibt.
      Auch ich bin strikt für eine freie Wahl der Lebensform, habe aber viel gegen einseitige Meinungsberieselung durch „politisch korrekte“ Medien. Sie macht jede angeblich freie Entscheidung zur Farce und zum Ergebnis von Meinungsdiktatur.

    • Meiner Meinung nach hat Herr Dr. Brosowski absolut Recht, wenn er mit „kinderlos“ andeutet, dass Erwachsenen ohne eigene Erfahrung als Eltern ein erheblicher Teil an (praktischer) Kompetenz in Erziehungsfragen fehlt.
      Sie sagen: „Ich kenne genügend ledige und kinderlose Männer und Frauen, die wunderbar mit Kindern umzugehen wissen und von befreundeten Familien gern und oft für die Betreuung ihrer Kinder in Anspruch genommen werden.“
      Die kennt wohl jeder, aber das Elternsein unterscheidet sich gewaltig vom (Wahl)Tanten oder Onkelsein für schöne Stunden.
      Ich vertraue in Erziehungsfragen auf jeden Fall mehr der Kompetenz von Leuten, die selbst Eltern sind und wissen, wovon sie reden. Das wissen kinderlose Erwachsene eben nicht oder nur begrenzt.

      • „Ich vertraue in Erziehungsfragen auf jeden Fall mehr der Kompetenz von Leuten, die selbst Eltern sind und wissen, wovon sie reden. Das wissen kinderlose Erwachsene eben nicht oder nur begrenzt.“
        Hm – Eltern sind doch nicht automatisch, weil sie
        biologisch Eltern geworden sind kompetent, sondern wachsen in ihre Aufgaben aufgrund von Erfahrung. Nicht der Bio-Status macht Mütter und Väter kompetent, sondern die konkreten Erfahrungen im Umgang mit Kindern.
        Nicht wenige Menschen, die z.B. in verschiedenen Sozialberufen tätig sind, sind auch kompetente Ansprechpartner/innen für Eltern.

        Vielleicht reden wir auch aneinander vorbei und Sie meinen vielleicht das Beziehungsverhältnis von Kindern zu Eltern, welches sich von anderen Beziehungsverhältnissen unterscheidet?

  7. Auch ich sehe es so, dass die ‚Lebensform‘ sehr entscheidend ist für eine gedeihliche Entwicklung unserer Kinder und dass Eltern zu entscheiden haben, in welcher Weise sie dem Wohle ihrer Kinder dienen wollen und können.
    Ich gehe jedoch nicht von einer Art ‚Hirnwäsche‘ aus, denen Eltern erlegen sind, sondern sich eher Ängsten und Unsicherheiten ausgesetzt erleben. Dazu gehören auch grundlegend existenzielle Ängste, da heute Mütter und Väter darauf angewiesen sind erwerbstätig zu sein. Diese haben bereits aus aus finanziellen Gründen keine Wahlfreiheit um zu entscheiden ob sie die Betreuung ihrer Kinder zu Hause leisten wollen oder nicht.

    Ich plädiere daher auch für eine repressionsfreie Grundsicherung, ähnlich dem von Ihnen geforderten Existenzminimum für Kinder, denke aber auch, dass ein garantiertes Grundeinkommen ‚allen Menschen‘ zusteht.
    Dass die ersten Schritte in diese Richtung mit einem Kinder-Grundeinkommen beginnen sollten, finde ich wichtig, da notwendig.
    Übrigens ist das auch eine Forderung von Götz Werner, Gründer der DM-Drogeriekette: https://www.grundeinkommen.de/29/10/2013/goetz-werner-fuer-mindestlohn-und-grundeinkommen.html

    In diesem Sinne, solidarische Grüße 🙂

    • Sie meinen: „Ich gehe jedoch nicht von einer Art ‘Hirnwäsche’ aus, denen Eltern erlegen sind, sondern sich eher Ängsten und Unsicherheiten ausgesetzt erleben.“
      Einverstanden. Alles zusammen ergibt die missliche Lage der Eltern und Familien – auch die permanente Fütterung mit Unwahrheiten, die ich in ihrer Intensität nur als „Gehirnwäsche“ bezeichnen kann.

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