Die böse Saat ist aufgegangen

Ursula Prasuhn, Mutter und Lehrerin im Ruhestand, geht der Frage nach, wie es zu den Erziehungsproblemen vieler Eltern und den Verhaltensschwächen so vieler Kinder kommen konnte, und was die Debatte um das Betreuungsgeld  kaschieren soll.

Dass Elternhäuser Grundlage sind für ein gesundes Aufwachsen der Kinder, ist hinlänglich bekannt, leider jedoch nur wenigen. Darum forcieren Politik und veröffentlichte Meinung unbeirrt den Ausbau von Krippen und Ganztagsbetreuungen, ohne auf nennenswerten Gegenwind zu stoßen. Auch der von mir geschätzte Berliner Bürgermeister Buschkowsky spricht sich vehement für eine institutionelle Erziehung und gegen das Betreuungsgeld aus, was daran liegen mag, dass sein Stadtteil als problematisch gilt durch den hohen Anteil an bildungsfernen Familien und Migranten.

Herrn Buschkowskys Wertschätzung einer staatlichen Rundumbetreuung mag verständlich sein. Weniger verständlich ist, dass sie allgemein geteilt wird und bei vielen als Meilenstein des Fortschritts gilt – zumindest ist dies die nahezu einhellige Botschaft von Politik, Wirtschaft und Medien. Sogar ein Großteil der Eltern glaubt inzwischen, dass die Kinder in institutionellen Einrichtungen besser aufgehoben seien als zu Hause, weil dort die nötige Fachkompetenz herrsche, die ihnen angeblich fehlt. Berichte über zunehmende Erziehungsschwierigkeiten scheinen ihnen Recht zu geben.

Den Boden für diesen folgenschweren Irrglauben haben über Jahrzehnte hinweg die unzähligen selbsternannten Bildungs- und Erziehungsexperten bereitet. Um ihre Weisheiten gewinnbringend unters Volk zu streuen, haben sie zunächst unser traditionelles und bewährtes Erfahrungswissen in Frage gestellt und die nachfolgenden Unsicherheiten für Geschäfte mit angeblich „kompetenten“ Ratschlägen genutzt. Es entstand ein Teufelskreis von Angebot und künstlich erzeugter Nachfrage, der bis heute anhält und besonders die Familien in Bedrängnis bringt. Nicht nur, dass sich viele Mütter und Väter auf Grund allseitiger Besserwisserei verunsichert fühlen, sie fühlen sich obendrein in der Rolle als Nichtskönner und Versager. In Wahrheit sind sie Opfer einer Kampagne, die elterliche Fähigkeiten in Frage stellt, ohne eine lebensnahe Alternative bieten zu können – außer der politisch gewollten, die Kinder institutionellen Betreuungseinrichtungen mit geschulten Fachkräften zu überlassen.

Verwunderlich ist, dass die willkürlich geförderten Erziehungsprobleme und Verhaltensschwächen des Nachwuchses kaum auf dem Schuldkonto dieser sog. Experten landeten, obwohl ganz eindeutig sie es waren, die mit ihrem Rumstochern in Familienkompetenzen alles aus dem Lot brachten und zahlreiche Eltern zu einem Laissez-faire-Erziehungsstil veranlassten unter dem Motto: Lieber nichts tun als Falsches tun!

Die böse Saat ist aufgegangen. Was über Jahrtausende ohne Fach-, aber als Erfahrungswissen und gesundes elterliches Gespür gut funktionierte, wurde in wenigen Jahrzehnten erfolgreich in Zweifel gezogen und demoliert. Der Boden ist nun fruchtbar gemacht für die allgemeine Akzeptanz oder gar den Wunsch nach möglichst umfassender staatlicher Betreuung.

Das Gerangel ums Erziehung- oder Betreuungsgeld erscheint mir für die Drahtzieher der politischen und veröffentlichten Meinung ein willkommenes Ablenkungsmanöver von den eigentlichen Ursachen, nämlich der vorausgegangenen Infiltrierung aller Parteien mit linker Ideologie, welche die Elternhäuser über Jahre hinweg aushöhlte und heute am liebsten bedeutungslos sähe.

Sollen doch alle fleißig über die paar Euros diskutieren – scheint das Kalkül – Hauptsache der Blick bleibt festgenagelt aufs Geld und richtet sich nicht auf das Wesentliche. Bei einer Durchsetzung des Betreuungsgeldes mögen sich die Schwesterparteien CDU und CSU zur Beruhigung gern als Beschützer der Familien fühlen – wichtiger ist, dass sie in Sachen Krippen und Betreuung längst in anderem Fahrwasser mitschwimmen und ihren eigentlichen Sündenfall kaum bemerken.

Ursula Prasuhn

7 Gedanken zu „Die böse Saat ist aufgegangen

  1. Prima analysiert und beschrieben!
    Vielleicht könnte man neben den Familien noch weitere Opfer oder Verlierer nennen, nämlich die Lehrer. Wurden die nicht auch im Zuge der rasant zunehmenden Verhaltensschwächen bei Kindern in die Pfanne gehauen und als unangagierte Versager beschimpft?
    Es ist eine Schande, dass auch im Bildungs- und Erziehungsbereich die Opfer zu Tätern gemacht werden, während die eigentlichen Schuldigen mit heiler Haut davonkommen und sich ins Fäustchen lachen können. Solange sich da nichts ändert und die „Nieten in Nadelstreifen“ weiterhin ungestraft ihre persönlichen Interessen auf Kosten anderer befriedigen können, wird das schon viel zu lange Treiben ewig so weitergehen. Wer oder was sollte es sonst stoppen?
    Mehr Misstrauen ist gefordert und weniger Vertrauensseligkeit in kommerzielle Ratgeber oder politische Heilslehrer. Zu viel Täuschung ist im Spiel und zu viel steht auch auf dem Spiel, nämlich die geistige und selische Gesundheit unserer Kinder. Mich als Mutter bringt das jedenfalls, was Frau Prasuhn so einleuchtend beschreibt, regelrecht in Rage.

  2. @Rita H.
    Sie haben vollkommen Recht, auch die Lehrer haben viel Prügel bekommen. Mein ehemaliger oberster Dienstherr – der ehemalige Ministerpräsident von Niedersachsen – Gerhard Schröder setzte vor ca. 15 Jahren das geflügelte Wort „faule Säcke“ in die Welt, was uns Lehrern zu schaffen machte und in der Öffentlichkeit für Misstrauen und Häme sorgte. Der damals äußerst bekannte Erziehungspapst und Schulgestalter Prof. Peter Struck (Namensvetter des SPD-Politikers) unterstützte ausdrücklich Herrn Schröder und behauptete im SPIEGEL, seinem Eindruck nach leisteten 70% der Lehrer schlechte bis sehr schlechte Arbeit. Diese Aussage aus scheinbar wissenschaftlich kompetentem Mund machte aus einer ehemals flapsigen Bemerkung eine bewiesene Tatsache.
    Am schlimmsten aber war, dass Politiker und Schulgestalter mit ihren Urteilen erfolgreich Zwietracht säten zwischen den Opfern ihres Missmanagements. Die Lehrer klagten über die Eltern und ihre immer schlechter erzogenen Kinder – die Eltern klagten über das Desinteresse und mangelnde Engagement der Lehrer. Mit Erfolg hatten die „Experten“ von ihrem Missmanagement abgelenkt und die Sündenböcke mit gegenseitigen Schuldzuweisungen aufeinander gehetzt. Eltern und Lehrer waren so beschäftigt mit ihrem Gerangel, dass erst sehr viel später dem ein oder anderen dämmerte, dass hier ein böses Spiel getrieben wurde zur Vertuschung der eigenen Fehler und Rettung des eigenen Ansehens. Der Schaden für die Schulen und Elternhäuser war aber nicht mehr gutzumachen.
    Vor ca. 10 Jahren schrieb ich an meine damalige Kultusministerin einen Brief und schilderte die Schwierigkeiten in den Schulen. Abschließend bat ich um eine kleinere Klassen und mehr Lehrer. Sie erwiderte, „empirische Untersuchungen“ hätten gezeigt, dass die „Qualität des Unterrichts“ alles entscheidend sei und nicht die Klassenstärke. Auf gut Deutsch hieß das: Macht besseren Unterricht, liebe Lehrer, dann gibt’s auch keine Probleme!
    Dass die Anzahl der Schüler durchaus eine wichtige Rolle spielt, sagt jedem der gesunde Menschenverstand. Hier aber sollten wissenschaftliche Untersuchungen das Gegenteil herausgefunden haben? Seit diesem Tag habe ich fast nichts mehr geglaubt, was mir im Erziehungs- und Bildungsbereich als wissenschaftliche Erkenntnis unter die Nase gehalten wurde. Die Falschbehauptung zur Vermeidung höherer Bildungskosten war zu eklatant und durchsichtig gewesen.
    Ich kann auch den Eltern immer wieder nur raten, nicht auf Pseudowissenschaftlichkeit hereinzufallen. Die Welt der Pädagogik ist voll davon. Sie ist eben keine exakte Naturwissenschaft und darum für jedes Interesse zu missbrauchen. Auch der beliebte Verweis auf andere Länder hat seine Tücken, weil er in der Regel nur das herauspickt, was ihm nutzt, und Unliebsames ausklammert. Ein gesundes Gefühl für das Richtige und der gesunde Menschenverstand sind für alle Erzieher oft bessere Ratgeber als Worte aus scheinbar berufenem Mund.

  3. Der Artikel hat mich sehr beschäftigt. Habe selten so kurz und einleuchtend von Saat und Frucht äußerer Einmischung in die inneren Angelegenheiten von Familien gelesen.

  4. Zitat des ehemaligen brandenburgischen Innenministers Jörg Schönbohm:
    “Wenn es überhaupt noch ein Lebensmodell gibt, das unserer gegenwärtigen Führungsschicht echte Angst einjagt, dann ist das die wirtschaftlich unabhängige, gebildete, kinderreiche, christlich orientierte Großfamilie, die ihre Kinder selbst erzieht und sich in keiner Weise von Staat und Medien hineinreden und bevormunden lässt.”

  5. Danke für das Zitat, das ich zum ersten Mal höre.
    Unser Land braucht Familien, die mutig und mündig sind. Die sich verteidigen und sich nicht unterkriegen und sich nicht alles erzählen lassen.
    Ich weiss, ich rede hilflos gegen das was stattfindet und lange stattgefunden hat, nur Worte bei denen jeder fragt, aber was soll ich machen?
    Ich weiss es nicht. Ich würde es sonst sagen. Vieleicht ist schon ein guter Rat, dass wir nicht alles glauben sollen was man uns erzählt.
    Kinder brauchen mich als Vater und meine Frau als Mutter und nicht Ratgeber oder Politiker, die uns drein reden, weil sie davon Vorteile haben.

  6. Sehr geehrte Frau Ursula Prasuhn!
    Ich danke Ihnen retrospektiv für den guten Beitrag, Die Auflösung des gesellschaftlichen Zusammenhalts beginnt mit der Entmündigung der Eltern, die Zunehmend von ihrer Verantwortung der Kindserziehung durch ein vielfältiges, staatliches Betreuungsangebot entbunden werden. Eltern werden zunehmend aus der schulischen und vorschulischen Erziehung herausgehalten, werden sie in großen Teilen als unfähig zur Erziehung hingestellt, die angeblich überwiegend ihre Kinder vor Fernsehgeräten und Computern parken.
    Aber haben denn Kinder andererseits noch die Möglichkeit in dieser durchorganisierten Welt auch noch ihre eigenen Freiräume zu entdecken und zu eigenen Aktivitäten zu nutzen. Warum denn wird über alle Familien das gleichmachende Arbeitsblättern arbeiten müssen und damit vollkommen demotiviert werden.
    Das Ganze Konzept wird dann noch als Individualisierung verkauft.
    Diese Pädagogik wurde bereits in der Laborschule in Bielefeld erfolglos, aber folgenreich für die betroffenen Schüler, ausprobiert.
    Selbstbeweihräuchernd ließen sich die willfähigen Anhänger dieser Pädagogik feiern, um dann durch einen Skandal eines pädophilen Rektors der Odenwaldschule aus den schönsten Träumen gerissen zu werden.
    Hinzu kommen die desaströsen Ergebnisse der deutschen Länder-Vergleichstudien als Folge dieser implementierten Pädagogik in den Unterricht der Grundschulen.
    Der große Vorsitzende und seine Satrapen sehen sich immer wieder genötigt schlechte Ergebnisse abzustreiten, weil keine Vergleichsstudien vorhanden sind, oder neuerdings zu verlautbaren, dass diese Methoden gar nicht in diesem Maße angewandt werden.
    Wir Eltern sind neben den Lehrern das vernünftige Korrektiv gegen diese administrativ veranlassten multiplen Reformvorhaben.

  7. Lieber Herr von Lintig,
    ich bin überrascht, dass wir uns hier über den Weg laufen. Jedem Ihrer Worte kann ich nur zustimmen.
    Vielleicht begegnen wir uns in diesem Forum ja noch öfter, was mich freuen würde.

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