Vater Staat im Kinderzimmer

oder – ist die Familienpolitik noch zeitgemäß?

Im Hörfunk SWR 2  fand zum Weltfrauentag ein Streitgespräch statt mit  Heide Härtel-Herrmann, Frauenfinanzdienst, Köln, Elisabeth Niejahr, Wirtschaftsredakteurin der Wochenzeitung „Die Zeit“, Berlin, und Kostas Petropulos, Heidelberger Büro für Familienfragen und Soziale Sicherheit. Die Gesprächsleitung hatte Eggert Blum.

Eine Rückmeldung an Frau Niejahr dazu von Bärbel Fischer:

Weltfrauentag 2012, 8. März

Sehr geehrte Frau Niejahr,

als Mutter von vier tüchtigen Kindern und Großmutter von zehn vielversprechenden Enkeln habe ich mir heute beim SWR 2 Ihr Gespräch zur Ehe- und Familien-Entwertung angehört  (Vater Staat im Kinderzimmer – ist die Familienpolitik noch zeitgemäß?). Als Frau  fühlte ich mich zwar von Herrn Petropulos vertreten, nicht aber von Ihnen als Mitfrauen.

Nein, ich fühlte mich sogar geohrfeigt von Ihnen. Denn über viele Jahre habe ich mich zusammen mit meinem Mann krumm gelegt für unseren Nachwuchs. Eine  sechsköpfige Familie bekam schon in den Siebzigerjahren keine Mietwohnung. Also mussten wir bauen. Selbst zwei Akademikergehälter reichten kaum aus, um die Schulden zu bedienen und gleichzeitig den Kindern eine adäquate Ausbildung zu ermöglichen. Bis zur physischen und psychischen Erschöpfung haben wir gerackert, was meiner Gesundheit absolut nicht zuträglich war.  Heute in Pension  unterstütze ich meine Tochter/Schwiegertöchter mit aller Kraft, damit sie nicht, wie ich, unter der Mehrfachbelastung zusammenbrechen, sondern bei ihren kleinen Kindern bleiben können, um ihnen ohne Hektik eine liebevolle und anregende „Kinderstube“ zu ermöglichen. Die jungen Frauen werden erst wieder zur Arbeit gehen, wenn die Kinder das auch aushalten. Denn was ich an Erkenntnissen bei der Hirn-und Verhaltensforschung gewonnen habe, bestätigt mich darin, dass Kinder nichts mehr brauchen als zuverlässige, konstante und liebevolle Zuwendung durch die Mutter und später auch durch den Vater, was eine  Fremdbetreuung, erst recht bei deutscher Minimalqualität, niemals bieten kann.

Wie es mir in den Anfangsjahren erging, so geht es heute abertausenden von Eltern. Weil dem Staat unsere Familien- und Erziehungsarbeit absolut nichts wert ist, müssen wir Frauen Doppeltes und Mehrfaches leisten. Ich sehe das als eine Art von Sklaverei an, in die unsere Familienpolitik im Verein mit dem Arbeitsmarkt die Mütter treibt. Gnadenlos und ohne Wertschätzung werden sie ausgepowert. Und nun wollen Sie ihnen auch noch das Ehegattensplitting streichen mit der beabsichtigten Folge, dass die Steuerbelastung so zunimmt, dass  sich keine Mutter mehr Familienzeit genehmigen kann. „Kind gebären – abgeben – arbeiten!“ heißt die sozialistische Devise.  Schließlich sollen Eltern sich per Individualbesteuerung wie Singles behandeln lassen, wo sie es doch sind, die mit immensem finanziellen Aufwand ihre Kinder der Gesellschaft als künftiges Potential zur Verfügung stellen.

Glauben Sie mir, Frau Niejahr, ich bin zutiefst erschüttert über die Verweigerung  gesellschaftlicher Solidarität mit den Müttern.  Und dass Sie als Frauen bei diesem üblen Spiel mitmachen, das fasse ich überhaupt nicht. Da muss ein Mann unser Fürsprecher sein – und das am Weltfrauentag. Ich hatte mich auf die Sendung gefreut, wurde aber zunehmend zorniger über so viel Ignoranz von Frauen gegenüber Frauen. Wer sind wir, dass die Gesellschaft so mit uns umgehen darf? Merken Sie nicht, vor wessen Karren  Sie sich da spannen lassen? Dämmert Ihnen nicht, dass mit Ihrer Hilfe die psychische und intellektuelle Stabilität von Millionen deutscher Kleinkinder auf dem Altar des Marktes geopfert wird?

Frau Niejahr, dieser Weltfrauentag hat mir ehrlich den Rest gegeben! Aber gerade deswegen werde ich mich umso eifriger dafür einsetzen, dass Kinder auch in Deutschland als vollwertige Menschen zu gelten haben, und nicht als Möbelstücke, die man einfach abstellen oder verschieben darf, nur weil der Arbeitsmarkt es so will. Es ist immer eine Frage der Perspektive, wie man ein Problem angeht. Ihnen fehlt der Blick aus der Sicht unserer Kinder und damit auch der Blick aus der Sicht ihrer Eltern. Sie vertreten ein so genanntes „zeitgemäßes“ Familienbild, das aus lauter Arbeitsmarktaffinität Kollateralschäden an Kinderseelen blind toleriert.

Ich wage kaum zu hoffen, dass diese Zeilen Ihnen zu denken geben. Zu sehr scheinen Sie in überholten altfeministischen Denkmustern zu verharren. Alles was tradiert und bewährt war, soll über Bord! Ich sage Ihnen aber: Nicht alles, was tradiert ist, ist auch unbrauchbar. Jede Familie muss ohne Schaden das Recht haben, sich so zu organisieren, wie es ihren Bedürfnissen entspricht, auch wenn Ihnen und Ihren Genossinnen das als überholt erscheinen mag (tradierte Rollenmuster!). Wenn Sie am heutigen Abend in ARD-Kontraste zur Kenntnis nehmen mussten, wie Familien mit Kindern rücksichtslos durch unser bestehendes Sozialsystem abgezockt werden, dann wissen Sie, was Sache ist. Hier ging es nicht einmal um die Altersversorgung von Müttern, sondern allein darum, wie Familien im Vergleich zu Kinderlosen Monat für Monat um 500 Euro pro Kind betrogen werden. Von Frauen wie Sie und Ihresgleichen hätte ich erwartet, dass Ihnen eine solche soziale Schieflage längst aufgefallen wäre. Aber nein! Sie schließen die Augen und  wollen nichts, aber auch gar nichts anderes, als Frauen in den Betrieben sehen – basta!, auch wenn die Kinder deswegen täglich über viele Stunden die liebevollen Arme ihrer Mama entbehren müssen. Dies ist  heute, nach der Ära Ursula von der Leyen politisch natürlich vollkommen korrekt, und Sie  haben eine Menge Verbündete in Wirtschaft und Politik.

Sehr geehrte Frau Niejahr,  wir Mütter haben es nicht verdient, dass man uns nach und nach den Boden unter den Füßen wegzieht durch eine beispiellose, staatlich geförderte Entfamilisierung.  Die Eingriffe in die menschliche Natur werden sich in der  Gesellschaft von selbst rächen, wie es die Geschichte immer wieder bewiesen hat. Es ist nur eine Frage der Zeit.

Mit freundlichem Gruß

Bärbel Fischer

 

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